Ufa-Geschäftsführer sucht TV-Quereinsteiger„Der Glamour macht nur fünf Prozent aus“

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Ufa-Geschäftsführer Joachim Kosack  

Joachim Kosack, der Fachkräftemangel ist in der TV-Branche ein großes Problem. Sie wollen als Geschäftsführer der UFA nun mit der UFA-Academy Quereinsteiger aus allen Bereichen ansprechen. Jeder zwischen 25 und 60 kann sich bewerben. Wie groß ist die Not, wenn man anscheinend gar keine Voraussetzungen braucht?

Joachim Kosack: Nennt man es Not oder win-win? Wir wollen betonen, dass es mal eben nicht nur um junge, hippe Großstädter:innen geht, die was mit Medien machen wollen, sondern vor allem auch um andere soziografische Schichten. Um Menschen, die vielleicht immer vor die Kamera wollten, aber keine Ahnung haben, welche Jobs und welche Möglichkeiten es hinter der Kamera gibt. Es weiß doch kaum jemand, was ein:e Filmgeschäftsführer:in macht. In der Fernsehbranche ist die Möglichkeit, einen Platz zu finden, sehr groß.

Die TV-Branche ist eine eher homogene Gruppe. Wie wollen Sie denn Menschen erreichen, für die das Fernsehgeschäft bisher sehr weit weg ist?

Die Medienbranche ist eine häufig weiße, eher bürgerlich-akademisch geprägte Blase. Diese zu verändern ist schwer. Auf Filmhochschulen bei den Kreativen ist das mittlerweile anders und diverser, aber Menschen aus bildungsfernen Schichten sind da auch eher seltener. Wir wollen diese Menschen erreichen, indem wir beispielsweise Anzeigen nicht dort schalten, wo wir das immer tun, sondern u.a. auf Plakatwerbung in Bahnhöfen setzen. Wir sind auf Plattformen wie Instagram und TikTok oder präsentieren uns von Frankfurt/Oder bis Linz und Castrop-Rauxel mit Infoständen in Shoppingmalls. 

Ufa Academy

Die Ufa will mit der Ufa Academy Quereinsteiger mit unterschiedlichsten Vorerfahrungen für die TV-Branche gewinnen. Bewerben können sich Menschen, die zwischen 25 und 60 Jahre alt sind und sich beruflich neu- beziehungsweise umorientieren möchten. Erfahrungen in der Medienbranche sind keine Voraussetzung. Die UFA Academy startet die zweijährige berufliche Weiterbildung ab Mai 2022 für die Bereiche Aufnahmeleitung, Regieassistenz, Script/Continuity und Filmgeschäftsführung. Das Einsteigerprogramm wird mit einem UFA-Zertifikat abgeschlossen. Neben Berlin ist Köln ein wichtiger Standort für die Weiterbildung.

www.ufa.de/karriere/ufa-academy

Reagieren Sie nicht zu spät? Der Fachkräftemangel hat sich doch abgezeichnet.

Absolut, das ist wie beim Klimawandel, die Vorzeichen waren alle da. Die Medienbranche schaute immer mit Mitleid auf die Print- und Musikbranche. Aber schon vor zehn Jahren haben viele gesagt, das wird uns auch passieren. Die Streaming-Qualität war zwar vor zehn Jahren noch nicht ausgereift, aber es war schon damals klar, dass es in wenigen Jahren keine Probleme mehr mit der Datenübertragung geben wird. Jeder kann mit jedem Endgerät heute Filme oder Shows produzieren und empfangen. Aber das ist nur eine Sache.

Was ist die andere?

Der Boom durch die Streamer ging vor fünf Jahren so hoch, aber Unternehmen wie Netflix haben lange gesagt, dass es noch dauern würde, bis sie lokal agieren. Ein Jahr später war es schon passiert. Das hat eine Dynamik bei den Auftraggeber:innen ausgelöst, die so niemand gesehen hat. Die Fragmentierung des Marktes explodiert seit fünf Jahren.

Immer mehr Formate, immer mehr Auftraggeber

Welche Folgen hat das?

Man hat nicht mehr sechs oder acht Auftraggeber:innen, sondern 80. Und auch hier fragmentiert es sich, weil die Formate vielfältiger und kleiner werden. Wir müssen unser Portfolio auch mit Kleinstprojekten abdecken. Jedes dieser Projekte braucht ein eigenes Team. Die machen nicht viel mehr Umsatz, aber viel mehr Programm. Außerdem müssen die Leute nicht mehr zu uns kommen, wenn sie Bewegtbild machen wollen. Sie finden Start-ups möglicherweise viel spannender oder gehen in die Game-Industrie. Und die Demografie ist ein wichtiger Faktor. Ich bin in den 90ern als Quereinsteiger in diese Branche gespült worden. Damals war der Boom aufgrund des Privatfernsehens ähnlich, gleichzeitig waren das die Babyboomer-Jahre. Das ist heute anders.

Ist es auch ein Problem, dass Fernsehen Jüngere nicht mehr so fasziniert wie früher? Man kann heute als Influencer auch ohne Fernsehen bekannt und reich werden.

Das stimmt, aber sie fangen mit 15, 16 schon an. Mit 23 stellt sich dann die Frage, wie es weitergehen soll. Wir haben aber andere Gründe, Ältere anzusprechen. Wir nehmen das ernst und vergeben am Ende das UFA-Zertifikat. Das ist kein Jodeldiplom. Trotzdem lassen wir uns das im Moment nicht fördern, deshalb ist es nicht IHK-gesteuert. Wenn eine 50-jährige Buchhalterin, deren Kinder aus dem Haus sind, Lust auf etwas Neues hat – warum nicht? Das kann doch eine win-win-Situation sein.

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Wo besteht der größte Bedarf?

Der geringste Bedarf ist ganz klar bei den Schauspieler:innen gegeben. Und das meine ich liebevoll und nicht despektierlich oder zynisch. Für Regie, Kamera, Autor:innen und Cutter:innen gibt es die Hochschulen. Wir haben uns angeschaut, wo der Bedarf am größten ist – und darauf konzentrieren wir uns. Das ist Script/Continuity, Aufnahmeleitung, Regieassistenz und Filmgeschäftsführung. Vielleicht werden wir das aber auch schon schnell erweitern.

Ist es auch ein Problem, dass Ihre Branche von vielen immer noch eher mit Glanz und Glamour und weniger mit einem normalen Arbeitsumfeld in Verbindung gebracht wird?

Wir waren in Deutschland lange extrem durch Autorenfilmer:innen geprägt: Der eine geniale Regie-Star. Aber das ändert sich gerade. Durch die jüngere Generation entwickelt es sich vermehrt zu einer Team-Aufstellung. Es ist eine Industrie, in der es auch Glamour gibt, vielleicht drei bis fünf Prozent. Aber grundsätzlich ist die TV-Branche auch eine Industrie. Das wollen wir deutlich machen: Es ist einfach nur ein Job.

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