Bei „Markus Lanz“ äußerte sich Julia Klöckner besorgt über die Polarisierung im Bundestag. Der Ton wurde dann schärfer.
Klöckner nach Lanz-Schelte„Sie können mir nicht unterstellen, worum es mir ging!“

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner geriet bei „Markus Lanz“ in Erklärungsnot, als sie einen Social-Media-Post von sich zu verteidigen versuchte. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Die Stimmung im Bundestag gilt als so aufgeheizt wie noch nie. In einem unlängst geführten Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio betonte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner deshalb, dass sie so neutral wie möglich in ihrem Amt agieren wolle, denn: „Es geht auch darum, dass wir ein Parlament, das so polarisiert ist wie noch nie zuvor, dazu bringen, Vorbild zu sein - auch für die Gesellschaft.“
Markus Lanz analysierte am Mittwochabend in seiner Sendung das bisherige Wirken von Klöckner im Amt und sprach die CDU-Politikerin auf einen Vorfall Anfang Juni an. Damals hatte Klöckner die Linken-Abgeordnete Köktürk dazu aufgefordert, den Bundestag zu verlassen, nachdem sie mit einem „Palestine“-Pullover aufgetaucht war.
Markus Lanz „will jetzt gar nicht recht haben, aber das hat ja jeder gesehen“

CDU-Politikerin Julia Klöckner warnte vor der aufgeheizten Stimmung im Bundestag und plädierte für mehr gesittete Debatten. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Klöckner verteidigte am Mittwochabend ihr Vorgehen und erklärte, dass sie sich lediglich an die Regeln gehalten habe: „Wir sind ein Parlament der Worte und nicht der politischen Symbole und Demonstrationen.“ Sie betonte dabei jedoch: „Ich habe sie nicht rausgeschmissen. (...) Wir müssen schon noch präzise bleiben, weil das sind ja Dinge, die plötzlich Kulturkampf sind.“
Lanz zeigte sich unbeeindruckt und hielt dagegen: „Am Ende haben Sie sie aufgefordert, zu gehen. Ich will jetzt gar nicht recht haben, aber das hat ja jeder gesehen.“ Julia Klöckner konterte genervt, dass der Linken-Politikerin „zur Wahl gestellt worden“ sei, ob sie „bleibt und ein anderes Shirt anzieht“ oder „den Saal verlässt“.
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte: „Sie hätten eine Parlamentarierin mit einem Pullover, auf dem Israel draufsteht, gebeten, das Plenum zu verlassen?“ Klöckner antwortete prompt: „Ja, natürlich! Wir sind der deutsche Bundestag und wer ein Statement abgeben will, der macht es, wenn er Redezeit hat.“
„Nicht jede Meinung, die ich selbst nicht teile, ist gleich Extremismus“

Bei „Markus Lanz“ erläuterte Julia Klöckner, wie sich die Debattenkultur in Deutschland verwandelt hat. (Bild: ZDF / Cornelia Lehmann)
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Innerhalb der Sendung machte Klöckner mehrmals auf die prekäre Lage aufmerksam, in der sich die Demokratie befinde. Sie erklärte, dass Europa „unter Druck“ sei und die politische Debatte immer mehr in den Hintergrund rücke, während die „Demontage immer mehr Raum“ einnehme.
Klöckner warnte: „Meinungsverschiedenheiten tendieren dazu, zu moralischen Gräben zu werden, und da wird nicht mehr die Sichtweise des anderen hinterfragt, sondern er wird einfach verurteilt. Und das führt dazu, dass Ränder immer extremer werden und dass man gar nicht mehr zuhört.“
Die CDU-Politikerin plädierte deshalb für einen gesitteten Umgang miteinander und sagte: „Nicht jede Meinung, die ich selbst nicht teile, ist gleich Extremismus. Demokratie ist in einem guten Sinne immer auch Zumutung.“ Klöckner ergänzte: „Die größte Stärke unseres Parlaments war ja nie die Einigkeit, sondern der gesittete Streit nach Regeln.“
Julia Klöckner kritisiert ZDF-Moderator: „Jetzt lassen Sie mal die Kirche im Dorf“
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, warum Klöckner als Bundestagspräsidentin dann selbst zur Polarisierung beitrage, indem sie Posts retweete, in denen unter anderem Sätze stehen wie: „Merz macht Dunja Hayali fertig“. Die CDU-Politikerin reagierte wütend und verteidigte sich energisch. Zunächst betonte sie, dass sie den Post „nicht als Bundestagspräsidentin“ geteilt habe. Daraufhin erklärte sie: „Mir ging es um den Inhalt der Migrationsdebatte (...) und deshalb habe ich es retweetet!“ Eine Aussage, die Lanz nicht überzeugen konnte. Er stellte klar, dass es bei der Wortwahl auch „um eine Haltung“ gehe.
Den Vorwurf wollte sich Klöckner wiederum nicht gefallen lassen. Sie schoss zurück: „Sie können mir jetzt nicht unterstellen, worum es mir ging, lieber Herr Lanz. (...) Mir ging es um das Video!“ Der Moderator wetterte dennoch unbeirrt weiter und sagte: „Nein, mir geht es um den Sound.“ Lanz stellte klar: „Wir machen uns nicht fertig! (...) Das ist doch nicht die Haltung, mit der wir durchs Leben gehen sollten.“
Er verglich in dem Zusammenhang die polarisierende Wortwahl mit der politischen Lage in den USA. Ein Vergleich, der Julia Klöckner offenbar gar nicht passte, denn sie sagte streng: „Jetzt lassen Sie mal die Kirche auch im Dorf.“ Trotzdem kam die CDU-Politikerin am Ende der Sendung nicht drumherum, eigene Fehler zuzugeben: „Ich mache nie alles richitg. (...) Wir sind Menschen. Wir sind fehlerbehaftet und es gibt auch Einsichten im Prozess.“ (tsch)