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Reichinnek„Wenn Frauen nach Hause laufen, haben sie keine Angst vor Migranten, sie haben Angst vor Männern“

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Das Bild zeigt Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag am Rednerpult des deutschen Parlaments. Foto: Michael Kappeler/dpa

Heidi Reichinnek, Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, spricht in der Generaldebatte in der Haushaltswoche im Bundestag.

Der Kanzler steht heftig in der Kritik für seine Aussagen zu Migrations-Problemen im „Stadtbild“.

Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek wirft Kanzler Friedrich Merz (CDU) vor, Frauen in der „Stadtbild“-Debatte für das Schüren von Ressentiments gegen Migranten auszunutzen. „Bundeskanzler Friedrich Merz instrumentalisiert Frauen für seinen blanken Rassismus“, sagte Reichinnek dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Wenn Frauen nachts allein nach Hause laufen, haben sie keine Angst vor Migranten, sie haben Angst vor Männern: Das Problem ist eine gewalttätige und grenzüberschreitende Männlichkeit“, beklagte die Linke-Politikerin. „Der gefährlichste Ort für Frauen ist ihr eigenes Zuhause und Frauenverachtung ist leider ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft.“

Anstatt mit seinen Aussagen „Rassismus zu boostern und die Gesellschaft weiter zu spalten“ solle Merz lieber mit derselben Leidenschaft etwas gegen Gewalt an Frauen tun, forderte Reichinnek. Sie warf dem Kanzler vor: „Tatsächlich geht es Merz an keiner Stelle um den Schutz von Frauen vor Gewalt.“ Wenn es dem CDU-Chef wirklich darum ginge, müsste er die Finanzierung für Frauenhäuser und Beratungsstellen sichern und ausbauen, und in Gewaltprävention investieren, argumentierte sie. „Doch das Gegenteil ist der Fall: Frauenhäuser in Deutschland sind chronisch unterfinanziert und überbelegt.“

Die These des Kanzlers

Merz hatte vor einigen Tagen mit umstrittenen Äußerungen zur Migrationspolitik eine heftige Debatte ausgelöst und viel Kritik auf sich gezogen. Vergangene Woche hatte er auf die Frage zum Erstarken der AfD über frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik gesprochen und gesagt: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem.“ Deshalb würden Abschiebungen ausgeweitet. Das löste Empörung bei SPD, Grünen und Linken aus.

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Als Merz am Montag gefragt wurde, ob er etwas zurücknehmen oder sich entschuldigen wolle, legte er nach: „Ich habe gar nichts zurückzunehmen. Im Gegenteil, ich unterstreiche es noch einmal.“ Nachfragen dazu, was er mit dem „Problem“ konkret gemeint habe, beantwortete Merz unter anderem so: Wer seine Töchter frage, werde auf die Frage, was er gemeint habe, vermutlich „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ bekommen. „Alle bestätigen, dass das ein Problem ist.“ Das Nachlegen des Kanzlers löste erneut Kritik aus – nun sogar auch von einzelnen Parteikollegen.

Töchter-Demo vor der CDU-Zentrale

Nicht nur Reichinnek störte sich an dem Bezug zu den Frauen in Merz‘ Argumentation. Kritik kam auch von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes, die ebenfalls betonte, dass häusliche Gewalt nach wie vor das größte Problem für Frauen sei. Und die Umwelt- und Klimaaktivistin Luisa Neubauer rief zu einer spontanen Demonstration vor der CDU-Parteizentrale in Berlin auf. Neubauer kritisierte, die vielen Millionen Töchter in Deutschland hätten „gar keinen Bock (…), als Vorwand oder Rechtfertigung missbraucht zu werden für Aussagen, die unterm Strich einfach diskriminierend, rassistisch und umfassend verletzend“ seien.

Demonstrantinnen fordern mehr Gleichberechtigung

Dem Aufruf folgten am Dienstagabend laut Veranstaltern etwa 7500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Polizei Berlin spricht von rund 2000 Teilnehmern. Neubauer erklärte, diese Demonstration würde zeigen, wie Solidarität und gelebte Demonstration aussehe. Unten den Rednerinnen war auch die Bundestagsabgeordnete Ricarda Lang (Grüne), die Autorin Carolin Emcke und die Vorsitzende der Berliner Linken, Kerstin Wolter.

Sie alle forderten unter anderem mehr Gleichberechtigung im Alltag und mehr Schutz vor Gewalt für Frauen. „Ich und viele andere junge Frauen haben keine Lust mehr, dass unsere Rechte und Schutz immer dann von Interesse sind, wenn es genutzt werden kann, um die eigene Politik zu rechtfertigen“, erklärte Lang unter viel Applaus.