Angela Merkels berühmtester Satz wühlt auch Markus Lanz und Richard David Precht noch heute auf. Im aktuellen „Lanz und Precht“-Podcast geraten sie kurz aneinander.
„Richard, bitte!“Bei Merkels „Wir schaffen das“ geraten Lanz und Precht aneinander

Den Satz „Wir schaffen das“ bewerten Richard David Precht (links) und Markus Lanz in ihrem Podcast unterschiedlich. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
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Es ist der Satz, der ihre Kanzlerschaft überdauert und geprägt hat wie kein zweiter: Vor zehn Jahren, auf dem Höhepunkt der sogenannten Flüchtlingskrise, richtete Angela Merkel die drei folgenreichen Worte „Wir schaffen das“ an die Nation. Das Jubiläum des berühmten Zitats nahmen nun auch Markus Lanz und Richard David Precht zum Anlass einer kritischen Rückschau und Bestandsaufnahme in Sachen deutscher Migrations- und Integrationspolitik. Dabei wurde es zwischen den Podcast-Partnern kurz ungewohnt hitzig.
Precht erinnerte bei „Lanz und Precht“ zunächst an die zeitgeschichtlichen Umstände des Ausspruchs. Kurz zuvor hatte Merkel in einem Bürgerdialog im Fernsehen die Sorgen eines geflüchteten Mädchens allzu schroff abgekanzelt, wie ihr vorgeworfen wurde. „Angela Merkel war das unfassbar peinlich“, glaubt Precht.
Ihr sei damals das Image als „Mutti der Nation“ um die Ohren geflogen. Denn in der gesamten deutschen Medienlandschaft, „einschließlich der 'Bild'-Zeitung“, habe die Überzeugung vorgeherrscht, Deutschland habe die Pflicht, Schutzsuchenden Hilfe anzubieten. Die „Willkommenskultur“ sei auch gesellschaftlich weit verbreitet gewesen.
„Intellektuell war das gar nix“: Precht wettert gegen Merkels „Kindergarten-Ansprachen“
„Offensichtlich war Merkel in der Fernsehsendung der festen Überzeugung, wir schaffen das nicht. Nachdem sie massiv unter Kritik geraten ist, korrigiert sie sich in dem Punkt“, fasste Precht den Sinneswandel der Bundeskanzlerin zusammen. Dabei unterstellte der TV-Philosoph, der Satz „Wir schaffen das“ sei „aus der Hüfte geschossen“ gewesen und ein Beispiel für Merkels „Kindergarten-Ansprachen“. Precht wetterte im Podcast: „Intellektuell war das gar nix. Eigentlich eine in dieser Form belanglose Aussage, die einfach so ein bisschen Mut machen wollte.“
„Ich seh das wirklich ganz anders“, kommentierte Markus Lanz die Ausführungen - was Precht umgehend mit einer sarkastischen Widerrede quittierte: „Da bin ich gespannt! Jetzt kannst du sagen, dass es eine große, bewusste Rede war, und dann darfst du mir auch sagen, (...) dass sie vorher mit all den Oberbürgermeistern und Landräten in den Kommunen, auf die die Arbeit zukommen würde, geredet hat, und die haben ihr alle Mut zugesprochen.“
„Das trieft vor Ironie“, erkannte Lanz und warb um Mäßigung: „Richard, bitte, lass uns mal bitte ein bisschen fair sein!“ Die frühere Bundeskanzlerin sei „jemand, der intellektuell etwas drauf hat“, verteidigte der ZDF-Talker die frühere CDU-Chefin. Dass eine Regierungschefin „ein bisschen Empathie“ durchblicken ließ, wolle er ihr überdies nicht als „billige Rhetorik“ auslegen.
Markus Lanz illustriert „das ganze Dilemma deutscher Flüchtlingspolitik“
Ein Versäumnis sei es jedoch gewesen, dass Merkel nie ausbuchstabiert habe, wie die Bewältigung der Integrationsherausforderungen zu schaffen sei. Es habe keinen Plan gegeben. Die Regierung habe das „Schaffen-Müssen einfach an die Bürger ausgelagert“, berief sich Lanz auf eine aktuelle Analyse des „Zeit“-Journalisten Martin Machowecz. Die Bürger hätten geholfen, bis sie nicht mehr konnten. Hätte man damals Bedenken geäußert, sei die „Rassismus-Keule“ gekommen. Das zusammen sei die perfekte Wiederbelebungsmaßnahme für eine damals bei drei Prozent Zustimmung stehende AfD gewesen.
Schließlich erzählte Markus Lanz eine Anekdote, die aus seiner Sicht „das ganze Dilemma deutscher Flüchtlingspolitik“ illustriere. Er habe vor einigen Jahren in Moskau gedreht und sei auf der Straße von einer jungen Deutschlehrerin angesprochen worden. Die Frau habe ihn erkannt, weil sie die Sendung „Markus Lanz“ im Unterricht verwendet habe.
Die Lehrerin habe damals wie viele junge Russen die Nase voll vom Putin-Regime gehabt und wäre gerne nach Deutschland emigriert. „Jemanden wie mich könntet ihr ja gut gebrauchen, ihr habt doch auch dieses Demografieproblem“, habe sie argumentiert. Doch mit der Auswanderung ins Wunschland habe es nicht geklappt.
„Die, die sich gut benehmen, schmeißen wir raus“
„Dann sagte sie damals: 'Es ist leichter illegal in euer Land zu kommen als legal.'“, erinnerte sich Lanz an die Begegnung. „Das ist genau der Punkt. Ich weiß bis heute nicht, ob sie es irgendwie nach Deutschland geschafft hat. Ich weiß nur eins: Eine konsistente Migrationspolitik ist das nicht.“
Schließlich würden auch heute gut integrierte Migranten abgeschoben. „Was für ein Irrsinn!“, echauffierte sich Lanz. „Wir holen Kinder aus der Schule raus, weil wir die kriegen können. Die, die sich gut benehmen, schmeißen wir raus.“ Immerhin da stimmte ihm Richard David Precht voll und ganz zu: „Wer kriminell im Untergrund lebt, an den kommen wir nicht ran. Das ist Symbolpolitik häufig auf Kosten der Falschen.“ (tsch)