Die USA erfreuen sich als Ziel für den Schüleraustausch unter deutschen Jugendlichen ungebrochen großer Beliebtheit.
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Köln – Die Frist läuft. Und es ist in diesen Monaten eine Deadline im deutsch-amerikanischen Verhältnis, die mal keine Befürchtungen, keine bangen Blicke Richtung Weißes Haus in Washington auslöst. Bis zum 14. September können sich Schüler und Auszubildende wieder für ein ganzjähriges Stipendium des Parlamentarischen Partnerschaftsprogramms (PPP) Deutschlands und der USA bewerben. Start ist dann im Sommer 2019.
US-Kongress und Bundestag kooperieren
Seit 35 Jahren finanzieren der US-Kongress und der Bundestag das Programm, mit dem jährlich einige Hundert junge Deutsche in die USA und einige Hundert Amerikaner nach Deutschland kommen.Und das PPP-Stipendium ist nur das Sahnehäubchen auf einem Erfolgsmodell der transatlantischen Völkerverständigung.
Im Schuljahr 2016/17 reisten fast 5730 Jungen und Mädchen mit Austauschorganisationen für mindestens ein halbes, meist sogar ein ganzes Schuljahr in die USA, lebten in Gastfamilien und tauchten tief in den American Way of Life ein. Andere englischsprachige Länder können mit der Beliebtheit der USA unter deutschen Gastschülern bei Weitem nicht mithalten.
Die USA üben eine ungebrochene Faszination auf deutsche Jugendliche aus. Die Metropolen mit ihren Skylines, die Schönheit und Weite des Landes, die sprichwörtliche Offenheit der Amerikaner, ja sogar der Besuch einer amerikanischen High School inklusive der Möglichkeit, einmal aus vollen Zügen die typischen Schulpartys wie Homecoming oder Prom Night zu erleben – das alles und noch viele weitere Bestandteile des amerikanischen Lebensart haben eine geradezu magnetische Anziehungskraft, die von unzähligen Filmen und TV-Serien immer wieder aufs Neue gestärkt wird.
Trump hat keinen Einfluss auf die Begeisterung
Zwar ist die Zahl der Jungen und Mädchen, die das US-Abenteuer antreten, seit Beginn des Jahrtausends deutlich gesunken. Das aber hat mit einem nicht zu tun: mit US-Präsident Donald Trump. Das beeilte sich der Bildungsberatungsdienst „Weltweiser“ zu betonen, als er 2017 seine jährliche Studie zu den deutschen Gastschülern im Ausland vorstellte.
Die Gründe für das Sinken der Zahl der Schüler liegen eher in den deutlich gestiegenen Kosten für ein Jahr in den USA und in G 8. Die große Politik tut der Amerikabegeisterung der jungen Deutschen also bisher in keiner Weise Abbruch. Ob und wie sich die irrlichternde Amtsführung von Donald Trump auf diese jugendliche US-Affinität auswirkt, ist freilich noch nicht abzusehen.
Abstoßende Aspekte des American Way of Life
Allerdings heißt Amerikafreundlichkeit auch für Jugendliche nicht, dass sie ihrem Gastland unkritisch gegenübertreten. Die „love affair“, die Millionen Amerikaner mit ihren Schusswaffen haben, der Rassismus weißer Amerikaner gegenüber Landsleuten nur aufgrund von deren Hautfarbe, die von vielen befürwortete Todesstrafe, die weit verbreitete Homophobie lassen auch viele junge Deutsche ratlos zurück.
Der vertraute Fremde aus den USA
„Nur nicht zu schnell urteilen“, raten Austauschorganisationen deshalb Schülern in Vorbereitungsseminaren für den Sprung über den großen Teich. „Be quick to observe but slow to judge“, heißt das auf Englisch. Schnell wahrnehmen, behutsam urteilen. Was aber, wenn einem dieses Waffennarrentum auch nach längerer Betrachtung nicht einleuchten will?
Wenn es schier unbegreiflich bleibt, wie Millionen von Amerikanern die Realität des weltweiten Klimawandels verneinen und einen Mann ins Amt wählen, der ihnen in diesem Punkt unbekümmert nach dem Mund redet?Es ist der vertraute Fremde, der sich hier zeigt.
Der Mann, mit dem man abends gern ein Bier trinken geht und der einen dabei dann zum Gottesdienst am nächsten Morgen in seine evangelikale Kirchengemeinde einlädt. Und das 46 Millionen Amerikaner deutsche Vorfahren haben, dass die Deutschen die größte Einwanderernation in die USA sind, macht es auch nicht leichter.
Wirtschaftlich läuft es rund
Dabei verstehen sich Deutschland und die USA wirtschaftlich so gut wie noch nie, auch wenn Donald Trump wie schon – mit ungleich diplomatischeren Tönen sein Vorgänger Barack Obama – das US-Handelsbilanzdefizit gegenüber Deutschland beklagt. Allein 2015 investierten deutsche Unternehmen laut US-Handelsministerium 225 Milliarden US-Dollar ( rund 190 Milliarden Euro) in den 50 US-Bundesstaaten.
Blickt man auf die Zahl der Arbeitsplätze in US-Tochterfirmen deutscher Unternehmen, lag Deutschland hinter Großbritannien und Japan mit 670 000 Jobs an dritter Stelle aller Nationen.
Auch in die andere Richtung funktioniert die wirtschaftliche Zusammenarbeit hervorragend. US-Firmen investierten 2015 insgesamt 108 Milliarden Dollar in Deutschland – die USA sind der wichtigste nicht-europäische Investor in Deutschland – und exportierten Güter im Wert von 50 Milliarden US-Dollar über den Atlantik. Verglichen damit nehmen sich die 17 Milliarden US-Dollar chinesischer Direktinvestitionen in den USA 2016 bescheiden aus.
Die USA „schwenken“ Richtung Asien
Aber bescheiden oder nicht: Bereits Barack Obama hatte mit seinem „pivot to Asia“, seiner Strategie des „Schwenks nach Asien“, das Hauptaugenmerk der amerikanischen Außenpolitik weg vom europäischen Kontinent und zugleich weg von kostspieligen nah- und mittelöstlichen Krisenherden gelenkt. Obama hatte sich gar als „erster pazifischer Präsident“ der USA bezeichnet, das Transpazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) bis zur Unterschriftreife verhandelt und eine Reihe von neuen Militärbasen in Ländern rund um China eröffnet.
Trump wendet sich brutal von Europa ab
Der selbst erklärte „Deal-Maker“ Trump wendet sich nun in sehr viel brutalerer Weise auch wirtschaftspolitisch von Europa ab und Asien zu. Das mag auch daran liegen, dass Trump auf die komplexen Strukturen der EU, die für ihn in Sachen Außenhandel der Ansprechpartner ist, einfach keine Lust hat und er lieber mit einem einzelnen starken Mann wie dem Chinesischen Präsidenten Xi Jinping verhandelt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel suchte bei ihrem ersten Besuch in Washington im März 2017 zeitweise vergeblich die Aufmerksamkeit ihres Gesprächspartners, des US-Präsidenten Donald Trump.
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Fakt ist jedenfalls, dass der US-Präsident seit April 2018 erwägt, auch wieder in das TPP einzusteigen, das er im November 2016 noch als „potenzielle Katastrophe für unser Land“ bezeichnet hatte. Wenige Tage nach Amtsantritt hatte er den Austritt der USA aus TPP verfügt.
America first, es sei denn, es geht um China
Fakt ist auch, dass Trump offenbar für chinesische Firmen bereit ist, eine Ausnahme von seinem „America first“-Diktum zu machen. Am 13. Mai teilte er wie üblich via Twitter mit, dass er mit dem chinesischen Präsidenten Xi daran arbeite, dem chinesischen Telekommunikationsriesen ZTE „einen Weg zurück ins Geschäft“ zu ebnen. Und löste damit wieder einmal Erstaunen aus.
ZTE, ein Hersteller von Smartphones, Tablets und anderer IT- und Telekommunikationshardware, hatte drei Tage zuvor seinen Betrieb zum großen Teil eingestellt. Was das den US-Präsidenten angeht, blieb zunächst offen.
Einen Tag später, wiederum via Twitter, die Erklärung: ZTE kaufe viele Bestandteile seiner Produkte in den USA. Sein Vorgehen, so Trump, sei auch im Zusammenhang der Verhandlungen für ein größeres Handelsabkommen zwischen den USA und China und „meiner persönlichen Beziehung zu Präsident Xi“ zu sehen.
Kaum vorstellbar, dass Trump solche Tweets zugunsten eines deutschen Unternehmens absetzt. Für Deutschlands und Europas Regierungen gibt es nur Fristen wie die zur einstweiligen Aussetzung von US-Strafzöllen. Bis Ende Mai.
US-Botschafter will Deutschen Anweisungen geben
Oder sofortige Anweisungen. Wie die, die Trumps Diplomaten-Kettenhund Richard Grenell herausbellte, kaum dass er als US-Botschafter in Berlin angekommen war. Trump hatte gerade das internationale Iran-Abkommen für die USA aufgekündigt, da forderte Grenell deutsche Unternehmen auf, ihre Geschäfte im Iran „sofort abzuwickeln“.
Der neue US-Botschafter Richard Grenell bei der Akkreditierungszeremonie mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin
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Deutlich ist, dass die transatlantische Partnerschaft für die USA zu einer relativen Größe geworden sind. Das trifft insbesondere Deutschland hart, weil es anders als Frankreich und Großbritannien zwar wirtschaftlich ein Riese, aber außenpolitisch ein Zwerg ist. Und mit seinem unfreundlichen Verhalten Deutschland gegenüber zwingt Trump uns genau darüber nachzudenken: Über Deutschlands Rolle in der Welt.