Kommentar zu CoronaDie Sommerwelle stellt Deutschland vor Probleme

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Karl Lauterbach im Bundestag (Archivbild)

Karl Lauterbach im Bundestag (Archivbild)

Das geht jetzt ganz schön schnell. Gerade noch warnten Virologen und Politiker vor einer neuen Corona-Welle im Herbst - und stießen damit oft kaum auf Gehör. Und nun ruft Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach plötzlich die Sommerwelle aus. Pünktlich zu den Sommerferien lässt die neue Omikron-Linie BA.5 die Inzidenzen erneut rapide steigen. Damit fällt Deutschland auch ein noch aus dem Winter verschlepptes Problem vor die Füße: die Impflücke.

Denn auch wenn Omikron weit weniger tödlich ist als vorherige Varianten, die Zahl der besonders Gefährdeten ist in Deutschland zu hoch. Der Corona-Expertenrat befürchtete schon vor der sich nun andeutenden Sommerwelle, dass das Gesundheitssystem und die kritische Infrastruktur im Herbst „wahrscheinlich erneut erheblich belastet“ werde. Dies könnte nun sogar früher der Fall sein.

Nur rund 60 Prozent haben Impfschutz aufgefrischt

Nur rund 60 Prozent der Deutschen haben ihren Impfschutz aufgefrischt. Besonders problematisch: Rund 20 Prozent der über 60‑Jährigen fehlt die dritte Dosis. Dabei haben sie mit Abstand das höchste Risiko für schweres Covid-19, gerade bei BA.5. Weniger als 20 Prozent in dieser Altersgruppe haben sich ein viertes Mal impfen lassen - obwohl das seit Februar empfohlen wird. Und Omikron-Genesene ohne Impfschutz, das sind Schätzungen zufolge rund 16 Prozent der Bevölkerung, sind ebenfalls nicht ausreichend gegen BA.5 gewappnet.

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Bund und Länder drohen damit das dritte Jahr in Folge von dem Virus überrascht zu werden. Das betrifft nicht nur die Impflücke. Während die Zahlen längst wieder exponentiell steigen, läuft Ende Juni die Testverordnung aus. Kostenlose Bürgertests würde es - wenn sich daran nicht noch etwas ändert - dann nicht mehr geben. Die Ampel-Regierung wäre gut beraten, die Verordnung zu verlängern - allein schon, um das Infektionsgeschehen weiterhin genauer im Blick zu behalten.

Angebot für vierte Impfung muss forciert werden

Außerdem muss das Angebot einer vierten Impfung nun forciert werden. Bund und Länder wollen zwar bis September eine vierte Impfdosis für alle beschaffen. Bislang scheint allerdings unklar, ob die Hersteller Biontech und Moderna bis dahin überhaupt eine Zulassung für den auf neue Varianten angepassten Impfstoff erhalten haben und das Vakzin in ausreichender Menge produziert haben. Zudem stellt sich dann erneut die Frage der richtigen Ansprache. Wie soll man für eine vierte Dosis begeistern, wenn schon bei der dritten Impfung nicht genügend Menschen motiviert werden?

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Ein reines „Lasst euch impfen!“-Mantra reicht nicht, um zum Pieks zu bewegen. Mit einer seitenlangen wissenschaftlichen Begründung der Ständigen Impfkommission (Stiko), betitelt als „epidemiologisches Bulletin“, ist es ebenfalls nicht getan. Es überzeugt auch nicht, zu versichern, dass genug Impfstoff da sein wird und dass der gut ist. Statt sich der Sommerruhe hinzugeben, wäre es jetzt der Job von Politik und Gesundheitsbehörden, die veränderte Lage durch die neue Omikron-Linie deutlich zu kommunizieren.

Nicht schon wieder den Sommer verschlafen

Dazu zählt auch, zu erklären, warum die Impfung weiter wichtig ist - einmal, zweimal, mehrfach. Der Aufwand lohnt. Es ist vermeidbar, dass sich im dritten Pandemiejahr immer noch viele Menschen durch schweres Covid kämpfen, an Spätfolgen leiden, versterben.

Corona hat schon mehr als einmal überrascht. Das Virus wird immer weiter kursieren, sich immer weiter verändern, womöglich sogar erneut stärker krank machen. Neben den Impfungen ist es auch an jedem selbst, die Situation einzuschätzen und Vorsichtsmaßnahmen anzupassen, um sich selbst und andere zu schützen - etwa durch Masken und Abstandsregeln. Wir sollten den Sommer nicht schon wieder verschlafen.

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