Energiekrise und Ukraine-KriegReul lässt Notfallpläne für NRW erstellen

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Stromausfall

Arbeitsgruppe im NRW-Innenministerium beschäftigt sich mit den Folgen eines großflächigen Stromausfalls.

Düsseldorf – Manche Szenarien erinnern an die unmittelbaren Folgen der Flutkatastrophe vor einem Jahr. Plötzlich fällt der Strom in Polizeiinspektionen aus, nichts geht mehr. Der Gas-Zähler sinkt auf null. Dienstfahrzeuge stehen ohne Sprit da. Die IT-Systeme geben ihren Geist auf. Handynetz oder Funkverkehr funktionieren nur eingeschränkt. Notaggregate – falls vorhanden – werden angeworfen, um die Sicherheit in Städten und Gemeinden aufrecht zu erhalten. Die Polizei muss landesweit in den Krisenmodus schalten.

Vor dem Hintergrund der russischen Invasion in die Ukraine und einer drohenden Energiekrise lässt Innenminister Herbert Reul (CDU) in seinem Ministerium seit Monaten einen Notfallplan für die 47 Polizeibehörden mit ihren 55.000 Beamten und Mitarbeitern erstellen. „Die Polizei muss funktionieren, in jeder erdenklichen Lage – das erwarten Bürgerinnen und Bürger völlig zurecht“, erklärte Innenminister Reul gegenüber dieser Zeitung.

Reul

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Die Behörden müssten erreichbar und mobil bleiben, „und natürlich weiter selbst kommunizieren können, auch wenn Gas, Strom oder Treibstoff knapp werden. Um all das kümmern wir uns seit Monaten, um auch dann weiter für Sicherheit sorgen zu können, wenn es zu einem Energieengpass kommt.“

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So hat man verschiedene Problemlagen erkannt und Gegenmaßnahmen entwickelt, um ein Abstürzen von Polizeisystemen im Krisenfall zu verhindern. „Die Reaktionsfähigkeit auf Vorfälle, die Einfluss auf kritische Infrastruktur haben können, wird seitdem fortlaufend weiterentwickelt und verbessert“, ergänzte eine Sprecherin Reuls.

Erfahrung aus der Flut 2021

In diese Pläne fließen auch die Erfahrungen aus der tödlichen Flut Mitte Juli 2021 mit ihren 49 Toten in NRW ein. Damals fiel etwa auf den Wachen in Rheinbach, Schleiden und Mechernich Overath-Untereschbach das interne Kommunikationsnetz CN-Pol aufgrund von Hochwasserschäden in den Serverräumen aus. Manche Polizeistationen wurden schwer beschädigt. Im Eifelort Schleiden etwa dauerte es zehn Monate, bis die neue Zentrale wieder in Betrieb genommen werden konnte. Die 60 Beamte arbeiteten in Containern.

Zustände, die sich künftig so nicht wiederholen sollen

Die Katastrophenlagen häufen sich. Sei es durch die Corona-Pandemie, die zu krankheitsbedingten Personalengpässen führte, sei es durch Naturereignisse oder durch die Auswirkungen des russischen Überfalls auf die Ukraine mit all ihren negativen Folgen für die Gaslieferungen.

Im April forderte der Innenminister die Kreispolizeibehörden per Erlass auf, entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen, um den Dienstbetrieb auch bei Energieausfall aufrechterhalten zu können. Gerade die Ordnungskräfte an Rhein und Ruhr zählen neben Krankenhäusern, Altenheimen, Schulen und anderen Verwaltungsbehörden zur kritischen Infrastruktur.

Notstrom und Treibstoffreserven in Nordrhein-Westfalen

Michael Maatz, NRW-Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sieht die Polizei inzwischen ausreichend vorbereitet für den Ernstfall. „Bei der Notstromversorgung und den Treibstoffreserven für die Dienstwagen sind wir gut aufgestellt.“ Gerade in den ländlichen Gebieten sei Mobilität der Einsatzkräfte wichtig. „Ferner muss man sicherstellen, dass in solchen Krisenfällen genug Personal bereitsteht“, führte der Polizeigewerkschafter aus. Deshalb gebe es entsprechende Pläne, um auf eine Zwölf-Stunden-Schicht hochzufahren. Auch wenn es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handele, müsse intern wie extern sichergestellt werden, dass selbst beim Energie-Gau die Kommunikationswege funktionierten, so Maatz.

„Auch sollten wir weiterhin die Digitalisierung in den Behörden vorantreiben.“ Hier sei zwar schon viel geschehen, „aber da muss man am Ball bleiben“. Insgesamt, resümiert der NRW-GdP-Vize, habe das Innenministerium in der Krisenvorsorge einen guten Job gemacht. Seltene Lobesworte aus dem Munde der sonst durchaus kritischen Polizeigewerkschaft im Lande.

Arbeitsgruppe spielt großflächigen Stromausfall durch

Seit Mai spielt eine eigens im NRW-Innenministerium angesiedelte Landesarbeitsgruppe (LAG KRITIS Polizei) beispielsweise die Folgen eines großflächigen Stromausfalls durch. Ein solcher kann genauso gut durch Hackerangriffe auf kritische Knotenpunkte, als auch auf Energieversorger ausgelöst werden.

Hieraus ergeben sich laut den Notfallplänen sogenannte Lagefelder für Alarmierung, Digitalfunkt, Kriminalitätsbekämpfung und zentrale IT. Dabei kommen spezielle Alarmierungspläne zum Tragen. Bereits jetzt wurden 123 Satellitentelefone angeschafft. 40 mobile Tanks mit insgesamt 400.000 Litern Sprit hat das Land bestellt. Im Herbst sollen die Benzin- und Dieseldepots auf die Polizeistationen verteilt werden. Notstromaggregate sollen mindestens 72 Stunden lang den weiteren Wachbetrieb gewährleisten, bis Hilfe eintrifft.

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Angesichts der Versäumnisse aus der Flutkatastrophe verbessert die Landesregierung zudem ihr Warnsystem. Hier geht es insbesondere darum, die Bevölkerung zu informieren, wenn etwa allenthalben kein Strom mehr durchläuft. Nach Angaben des Innenministeriums steht ein Mix aus unterschiedlichen Alarmsystemen auf der Agenda, zu denen Warnapps, Soziale Medien, regionale und überregionale Medien sowie Lautsprecherdurchsagen durch Warnfahrzeuge zählen. Zugleich sollen Zeitungsverlage nebst ihren Online-Plattformen und Rundfunkanstalten entsprechende Warnmeldungen umgehend veröffentlichen.

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