Exit-PlanWarum Armin Laschet die nächste Phase in der Corona-Krise einläuten will

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Laschet Merkel Spahn Söder

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (m.) im Gespräch mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Bundeskanzlerin Merkel. Die Bewältigung der Krise ist auch eine Bewährungsprobe für die Politik. (Archivbild)

  • Am 15. April will Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit den Ministerpräsidenten darüber entscheiden, ob und inwiefern die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gelockert werden können.
  • An der Spitze einer Bewegung, die eine „Rückkehr zur verantwortungsvollen Normalität“ betreibt, steht NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.
  • Warum positioniert sich Laschet nach anfänglich zögerlichem Krisenmanagement nun so kraftvoll und exponiert? Diese Frage lässt sich in drei Punkten beantworten.

Köln – Der kommende Mittwoch könnte in der Bekämpfung der Corona-Epidemie eine neue Phase einleiten: Angela Merkel wird am 15. April in einer Schaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten darüber entscheiden, ob Teile der Beschränkungen aufgehoben oder verändert werden können.

Von einem Wendepunkt in der Corona-Krise zu sprechen, wäre sicherlich verfrüht und nicht nur in den Augen der Kanzlerin ein völlig falsches Signal. Wohl aber wären erste Lockerungen ein von vielen Menschen ersehntes Zeichen der Hoffnung und der Zuversicht. 

Laschet an der Spitze der „Exit-Plan“-Bewegung

Wie kein anderer Politiker hat sich Armin Laschet in den letzten Tagen an die Spitze einer Bewegung gestellt, die eine „Rückkehr zur verantwortungsvollen Normalität“ betreibt. Zunächst hatte der NRW-Ministerpräsident eine umfassende wissenschaftliche Studie im besonders von der Corona-Epidemie betroffenen Landkreis Heinsberg in Auftrag gegeben – mit dem Ziel, die Infektionsketten und Verbreitungswege des Virus offen zu legen.

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Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ legte Laschet dann nach und kündigte an, nach den Osterferien müsse das Land den Lock-Down schrittweise zurückfahren. Als Beispiele, in welchen Bereichen Lockerungen möglich seien, nannte der CDU-Politiker kleinere Geschäfte, die Autoindustrie, die Gastronomie und die Öffnung spezieller Regionen. 

Corona-Expertenrat veröffentlicht Zwischenbericht

Um dieses Exit-Szenario auf eine fachliche Grundlage zu stützen, hat Laschet einen Corona-Expertenrat einberufen. Diesem gehören unter anderem der Bonner Virologe Hendrik Streeck (42), der frühere Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio (66) und der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther (57), an.

In einem 15-seitigen Zwischenbericht des interdisziplinären Gremiums heißt es nun, über Lockerungen könne nachgedacht werden, wenn klar sei, dass das Gesundheitssystem „absehbar nicht überfordert ist“. Es müssten die Voraussetzungen für ein besseres „Monitoring“ der Krise geschaffen sein. Dann aber könne die Rückkehr zur Normalität „schrittweise forciert werden“. 

Laschet als Antreiber

Und weiter: Ein möglicher Weg könne darin bestehen, „einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens nach und nach wieder zuzulassen“. Dazu gehörten Schulen, Universitäten und der Einzelhandel. In Schulen könne es zeitversetzten Unterricht und Unterschiede je nach Alter geben. In Kitas und im „Präsenzunterricht“ sollten zuerst vor allem Lehrkräfte arbeiten, die nicht zu Risikogruppen gehören.

Vor der Schaltkonferenz am Mittwoch gibt Laschet wie kein anderer Spitzenpolitiker den Antreiber für einen Stufenplan aus der Krise – durchaus zum Missfallen der Kanzlerin und seines derzeit wichtigsten unionsinternen Gegenspielers, des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). 

Laschet für Transparenz in der Debatte

Der Kanzlerin, die eine verfrühte Exit-Debatte um jeden Preis verhindern will, hält Laschet entgegen, man brauche eine offene, transparente Diskussion darüber, wie die Einschränkungen des öffentlichen Lebens und zahlreicher Grundrechte wieder aufgehoben werden könnten.

Warum positioniert sich Laschet nach anfänglich zögerlichem Krisenmanagement nun so kraftvoll und exponiert? Diese Frage lässt sich in drei Punkten beantworten:

1. Stillstand als die größere Katastrophe

Laschet treibt tatsächlich eine große Sorge vor den wirtschaftlichen, aber auch gesellschaftlichen und sozialen Folgen des Corona-„Lockdowns“ um. Er ist fest davon überzeugt, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten in NRW und im Bund so schnell wie möglich wieder zugelassen werden müssen, um eine vielleicht noch größere Katastrophe mit Unternehmenspleiten und hohen Arbeitslosenzahlen zu vermeiden. 

Milliardenpakete, Schutzschirme und Verstaatlichungen sieht der NRW-Landeschef nur als akute Hilfen, hält sie über einen längeren Zeitraum jedoch für fatal. Als überzeugter Verfechter der Sozialen Marktwirtschaft setzt er auf schnelle Hilfe zur Selbsthilfe. Der Zustand des anhaltenden Stillstands ist für ihn als Ministerpräsident des größten und von Industrie geprägten Bundeslandes das schlimmste aller Szenarien. 

Laschet kann sich in diesem Punkt auf seine Expertenkommission stützen, die erste Lockerungen in kleineren Unternehmen als möglich ansieht, wenn Schutzmaßnahmen ergriffen werden wie Masken, Abstand oder Trennwände. So heißt es im Zwischenbericht, Einzelhandelsgeschäfte beispielsweise könnten „sicher früher wieder öffnen als Diskotheken, in der Gastronomie sind ggf. strikte Vorgaben denkbar (Tischabstand, begrenzte Personenzahl)“

Aber nicht nur die Not der Unternehmen, sondern auch die schwerwiegenden sozialen und möglichen psychischen Folgen des Kontaktverbots treiben den gläubigen Katholiken Laschet an. Für ihn ist etwa die Vorstellung nur schwer erträglich, „dass Eheleute, die 60 Jahre zusammengelebt haben, sich nicht sehen dürfen, wenn einer von beiden im Sterben liegt. Wir müssen in Ruhe überlegen, wie wir die Regelungen für den Besuch in Alten- und Pflegeheimen anpassen. Klar ist aber: Die schweren Risikogruppen müssen länger geschützt werden. Das ist hart, aber notwendig“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

2. Starker Rückhalt in der Bevölkerung

Der Ministerpräsident kann sich bislang auf den Rückhalt der Bevölkerung in NRW stützen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bewerteten 77 Prozent der Befragten die Arbeit der CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf als gut. Nur 15 Prozent kamen zu dem Urteil „weniger gut bzw. schlecht“. Die positive Einschätzung geht quer durch die Anhängerschaft der verschiedenen Parteien. Am besten fällt sie bei den CDU-Anhängern aus, die der Regierung zu 90 Prozent eine gute Arbeit in der Corona-Krise attestieren. Es folgt die Grünen-Klientel mit 80 Prozent. Einzig die AfD-Anhänger reagieren mehrheitlich ablehnend: Sie bewerten die Arbeit der NRW-Regierung zu 51 Prozent als weniger gut/schlecht und nur zu 37 Prozent als gut.

Auch die persönlichen Zustimmungswerte für Laschet sind in der Krise enorm. Im Schnitt der Bevölkerung halten 74 Prozent seine Arbeit derzeit für gut, 20 Prozent für weniger gut oder schlecht. Unter den Anhängern seiner Partei kommt Laschet auf einen Zustimmungswert von 92 Prozent, es folgen die Anhänger der FDP (77 Prozent), der Grünen (72), der SPD (69) und der Linkspartei (58).  Forsa-Chef Manfred Güllner spricht zwar von einem typischen „Regierungsbonus in Krisenzeiten“. Dennoch seien in NRW „die von uns gemessenen Werte auch unter Berücksichtigung dieses Effekts extrem gut“.

3. Führungskraft beweisen und Chance aufs Kanzleramt wahren

Auch wenn Laschet es empört von sich weist, so wird bei seiner Strategie auch die Positionierung als möglicher Kanzlerkandidat der Union eine Rolle spielen. Gar nicht so sehr als allererster Impuls - das nimmt man ihm als oberstem Corona-Krisenbekämpfer in NRW durchaus ab. Unterschwellig aber eben doch.

In der ersten Phase der Corona-Krise sah sich Laschet vom bayrischen Ministerpräsidenten Söder vor sich her getrieben. Der CSU-Chef gab den „Corona-Kanzler“, so, als wollte er Angela Merkel den Rang ablaufen. In der Bevölkerung entstand der Eindruck: Bayern ist vorne, die restlichen Länder hecheln hinterher. Söder ist der Macher – und Laschet als Chef des größten und am stärksten betroffenen Bundeslands der Zauderer.

Was auch immer Söder antreibt, der in den letzten Monaten ja eigentlich mehrfach betont hatte, er sehe seinen Platz perspektivisch nicht in Berlin - Laschet musste sich von dem Bayern herausgefordert fühlen. Der Mann aus Aachen, der für das Abwägen und Moderieren, fürs Miteinander und Mitnehmen in der Politik steht, musste beweisen, dass er in der Krise führungsfähig ist – und damit auch Kanzler kann.

Eine erste Antwort gab Laschet, indem er es schaffte, bei der großen Mehrheit der Länder für eine einheitliche Linie in der Corona-Bekämpfung zu sorgen. Die nächste Antwort will er nun geben, in dem er sich als Vordenker und Treiber der „Rückkehr in eine verantwortungsvolle Normalität“ positioniert.

Laschet verlässt seinen Weg des „kalkulierbaren Risikos“

Dabei dürfte ihm durchaus bewusst sein, dass er ein Stück weit seinen Weg des „kalkulierbaren Risikos“ verlässt: Sollten sich die Lockerungen, die er anstrebt, am Ende als verfrüht herausstellen und zu schweren Rückschlägen in der Bekämpfung des Corona-Ausbruchs führen, hätte das auch maximal negative Auswirkungen auf seine Ambitionen, Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Bundesvorsitzender zu werden. Das Kanzleramt in Berlin wäre dann erst Recht unerreichbar.

Was man Laschet in der Corona-Krise jedoch abnimmt: Den besten Weg, wieder herauszufinden, und dabei für seine Überzeugungen und seinen Politikansatz zu kämpfen, das ist ihm derzeit wichtiger als der Blick aufs Konrad-Adenauer-Haus und auf die Merkel-Nachfolge.

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