Fortschritt durch Rücktritt?Der Fall Woelki könnte eine echte Reform auslösen

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Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln

Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln

Köln – Selbstzitate sind eigentlich verpönt. Aber in Frankfurt passte es einfach zu gut, als dass Rolf Steinhäuser sich die Gelegenheit entgehen lassen konnte. „Aufgrund meiner Kölner Erfahrung kann ich sagen: Es braucht keine Form von aufgeklärtem oder unaufgeklärtem Absolutismus mehr in der Kirche.“

Das hatte Steinhäuser, während der Beurlaubung von Kardinal Rainer Woelki vom Papst bestellter Bistumsverwalter, so ähnlich schon Ende November im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Zukunft im Erzbistum formuliert. Aber jetzt, wenige Wochen vor der geplanten Rückkehr Woelkis aus seiner „geistlichen Auszeit“, wird es damit ernst. Schon am 2. März soll die Bistumsleitung von Steinhäuser als „Apostolischem Administrator“ wieder zurückfallen an den Erzbischof.

Luxemburger Kardinal rät Woelki zum Rücktritt

An diesem Wochenende griff der Kölner Stadtdechant Robert Kleine Steinhäusers Diktum vom Ende eines selbstherrlichen Regimes auf. Der Bischof müsse die ihm übertragene Macht zum Wohl der anderen einsetzen und dürfe sie nicht ausnutzen, sagte Kleine dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Der Bischof steht in der Verantwortung für sein Bistum. Es muss besser kontrolliert werden können, ob er seiner Hirtenaufgabe gerecht wird.“ Zudem brauche es Beratungsgremien, deren Rat der Bischof „auch hören muss und folgen sollte“.

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Das klingt nun sehr allgemein. Ob Kleine auch wirklich Woelki meinte, als er „der Bischof“ sagte? Zweifel daran räumte Kleine mit einem weiteren Zitat aus. Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich bekam kürzlich in einem Interview der „Katholischen Nachrichten-Agentur“ die Frage gestellt, was er seinem Kölner Mitbruder rate. Er kenne und schätze Woelki, antwortete Hollerich. „Aber es scheint ja so zu sein, dass er in seinem Bistum bei einer großen Mehrheit nicht mehr willkommen ist. Ich kann nicht sagen, was er tun soll. Aber wenn es mir so ergehen würde, würde ich meinen Rücktritt einreichen.“

„Woelki ist ein guter Christ“

Vieles in Köln stimme nicht, fuhr Hollerich fort. „Aber Kardinal Woelki ist ein guter Christ, und er wird sicher für sich den richtigen Weg finden.“ Das, so Robert Kleine, hoffe er für Woelki und das Erzbistum auch. „Und auf die vielen Voten des Synodalen Wegs zur Macht zu hören gehört für mich auf jeden Fall zum richtigen Weg.“

Die Botschaft des Stadtdechanten, der als stellvertretender Dompropst auch dem Domkapitel angehört und an der Bischofswahl beteiligt ist, ist eine doppelte: Er sieht in den Reformbeschlüssen Instrumente für mehr Partizipation, und er verschafft der Stimme des Luxemburger Kardinals Gehör. Der ist nicht nur Chef eines Nachbarbistums, sondern bekleidet auch – ohne damit bislang in einer breiten Öffentlichkeit besonderes Aufsehen erregt zu haben – einen der einflussreichsten Posten auf der Ebene der Weltkirche: Als „Generalrelator“ der von Papst Franziskus angestoßenen Weltsynode zur Synodalität der Kirche bereitet der 63-Jährige den Arbeitstext vor. Hollerich genießt das Vertrauen des Papstes, mit dem ihn überdies die Zugehörigkeit zum Jesuitenorden verbindet. Wenn dieser Mann nun sagt, er träte an Woelkis Stelle zurück – hat das dann womöglich ein Echo in Rom, beim Papst? Oder ist es gar schon ein Echo aus Rom? Darüber wird in Kölner Kirchenkreisen seit Tagen intensiv gerätselt.

Co-Präsidentin des Synodalen Wegs: Weiteren Schaden vorbeugen

Rücktritte als Teil eines Konfliktmanagements sind auch Gegenstand der Reformbeschlüsse auf dem „Synodalen Weg.“ Geregelte Verfahren „stärken die Akzeptanz“ eines Amtsträgers, heißt es da. Dazu gehöre, dass bei einem Fehlverhalten oder Fehlentwicklungen, die in seiner Verantwortung liegen, „im Ausnahmefall eines eklatanten Amtsversagen ein geordneter Rücktritt erfolgt“. Das liest sich, als wäre es auf eine Situation wie in Köln zugeschrieben. Aber noch steht das alles nur im Grundsatz auf dem Papier. Ausführungsbestimmungen müssen noch folgen und erst recht der Praxistest.

Einen weiteren Ansatz für Kölner Konkretionen der Frankfurter Reformen sieht Irme Stetter-Karp, Co-Präsidentin des Synodalen Wegs, in einer geplanten Rahmenordnung für die Rechenschaftslegung von Bischöfen und anderen Amtsträgern. „Die außerordentliche Lage im Erzbistum Köln könnte ein erster Lackmustest sein“, sagte Stetter-Karp, auch Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Rahmenordnung sehe ein außerplanmäßiges Verfahren vor, wenn das Vertrauen in den Leitungsdienst nachhaltig gestört sein sollte. „Meine Erwartung an die Bistumsleitung ist, dass sie mit dem Diözesanrat zu dieser Frage aktiv das Gespräch sucht, um weiterem Schaden vorzubeugen.“

Verweis auf Austrittszahlen

Die umtriebige, stets quirlige Reforminitiative Maria 2.0 hat fürs Erste noch eine andere Idee: „Wir fordern Rolf Steinhäuser auf, den Lagebericht offenzulegen, den er für die Bischofskongregation verfasst hat. Ebenso die Abstimmungsergebnisse des Diözesanpastoralrats.“ Tatsächlich gaben die rund 70 Mitglieder im wichtigsten Beratungsgremium des Erzbistums Mitte Januar ein geheimes Votum ab, ob sie sich eine Zukunft mit Woelki vorstellen können. Der Chef des Diözesanrats, Tim O. Kurzbach, hatte darauf gedrungen (siehe Interview). Den Zaudernden sagte Steinhäuser damals zu, das Ergebnis des Stimmungstests geheim zu halten.

Die Dringlichkeit von Transparenz verdeutlichte Maria Mesrian, Sprecherin von Maria 2.0, mit Verweis auf die Kirchenaustrittszahlen, die „in keinem deutschen Bistum höher“ seien als in Köln. Mesrian warf Woelki und seinem Generalvikar Markus Hofmann einen autoritären Leitungsstil vor, der über Jahre viele kirchliche Mitarbeiter in Angst versetzt habe. „Dass sich an diesem Auftreten des Kardinals und seinem oft verletzenden Umgang mit Mitarbeitern etwas ändern wird, darf bezweifelt werden.“ Demgegenüber sei der „respektvolle Umgang“ Steinhäusers und sein partizipativer Ansatz „eine spürbare Entlastung gewesen“.

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Woelkis Rückkehr ließe das Erzbistum „in Agonie versinken“, warnte Mesrian. „Nur durch Transparenz kann der »Sinn der Gläubigen« offengelegt und weiterer Schaden abgewendet werden.“ Es gehe in Köln „um alles“.

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