Gesetze und InformationenDie wichtigsten Fakten zum „Tag der Organspende“

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Der Organspendeausweis: Deutsche Bürger müssen sich weiterhin aktiv für die Organspende aussprechen.

Köln – Viele Menschen äußern sich zu Lebzeiten nicht dazu, auch fehlt es bisher vielen an Informationen. Ein Überblick über die wichtigsten Fakten zum „Tag der Organspende“

Entscheidungslösung

In Deutschland gilt beim Thema Organspende die so genannte Entscheidungslösung, das beschloss der Bundestag Anfang 2020. Wer zu Lebzeiten aber selbst keine bewusste Entscheidung dokumentiert hat, kann bei einem Hirntod, und nur dann, dennoch Organspender werden – wenn seine nächsten Angehörigen oder Bevollmächtigten zustimmen. Da dies eine große Belastung in einem Moment tiefer Trauer ist, raten Experten jedem, den eigenen Willen zum Thema zu hinterlassen, am besten in einem Organspenderausweis.

Rückläufige Spenderzahlen

In Deutschland klafft seit Jahren eine große Lücke zwischen Organspendern und Menschen, die auf ein Spenderorgan warten. Im ersten Quartal 2022 hat sich die Situation noch einmal verschärft: Die Organspendezahlen gingen im Vergleich zum Vorjahr sowohl deutschlandweit (26,2 Prozent weniger) als auch in Nordrhein-Westfalen (37,1 Prozent weniger) deutlich zurück. Das teilte zuletzt das NRW-Gesundheitsministerium mit. Ende des vergangenen Jahres warteten demnach 8738 Menschen in Deutschland auf ein Organ. Dem gegenüber standen 933 Spenderinnen und Spender im Jahr 2021, davon 206 in Nordrhein-Westfalen.

Widerspruchslösung

In fast allen Ländern Europas ist die Organspende anders als in Deutschland über die so genannte Widerspruchslösung geregelt. Das bedeutet: Wer einer Organspende zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat, dem können im Fall der Fälle Organe zur Transplantation entnommen werden. Wer im Ausland verunglückt, für den gelten die dortigen Regelungen. Auch deshalb ist es also sinnvoll, für sich selbst eine Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren.

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Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am Eingang eines OP-Saales vorbeigetragen. (Archivbild)

Kontaktaufnahme

In Deutschland dürfen Empfänger von Organspenden und die Familien der Spender keinen direkten Kontakt zueinander aufnehmen. Nähere Informationen über beide Seiten darf die Deutsche Stiftung Organspende (DSO) nicht offenlegen, das dient vor allem dem Schutz aller Beteiligten vor einer gegenseitigen Antipathie oder unangemessenen Ansprüchen aneinander. Es ist aber möglich, anonymisierte Briefe zu schreiben und über die DSO zu verschicken. Viele Spendenempfänger nutzen das, um sich für die geschenkte Lebenszeit zu bedanken.

Hirntod

Für eine Organspende ist entscheidend, dass der unumkehrbare Ausfall der gesamten Hirnfunktionen (Hirntod) eingetreten, die betreffende Person also verstorben ist. Gleichzeitig muss das Herz-Kreislauf-System künstlich aufrechterhalten werden, damit die Organe weiterhin mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Die Feststellung des Hirntods ist ein komplexes Verfahren, das einige Stunden bis Tage in Anspruch nimmt. Die Diagnose muss von mindestens zwei besonders qualifizierten Fachärztinnen oder -ärzten unabhängig voneinander bestätigt werden.

Neues Gesetz im Wartestand

Als sich der Bundestag Anfang 2020 gegen die Widerspruchslösung entschied, beschloss er das „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“. Denn nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) liege bei lediglich 15 Prozent der Hirntod-Fälle eine Willensbekundung des potenziellen Spenders vor. Das Gesetz trat am 1. März in Kraft und sieht unter anderem die Einrichtung eines Online-Registers sowie die Intensivierung von Beratungen bei Bürgerämtern und Hausärzten vor. Doch die Einrichtung des Registers verzögert sich. Viele Ärzte beklagen, für die zusätzlichen Beratungen weder Zeit noch genügend Fachwissen zu haben.

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Informationen

Unabhängige Informationen zum Thema Organspende und die Möglichkeit, kostenlos einen Organspendeausweis zu bestellen, bieten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Stiftung Überleben:

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ist für die Koordination der postmortalen Organspenden in Deutschland zuständig, sie führt auch die Wartelisten. Den rechtlichen Rahmen bildet das Transplantationsgesetz (TPG).

Drei Fragen an ...

... Franziska Liebhardt (40), ehemalige Para-Sportlerin beim TSV Bayer 04 Leverkusen.

Franziska Liebhardt war dem Tod schon mehrmals sehr nahe.

Franziska Liebhardt war dem Tod schon mehrmals sehr nahe.

Frau Liebhardt, Sie leiden an einer schweren Autoimmunerkrankung, haben vor 13 und vor zwei Jahren eine Spenderlunge implantiert bekommen, außerdem vor zehn Jahren eine Niere. Wie haben Sie das Warten auf eine Lunge erlebt?

Liebhart: Das ist wie ein Tanz auf dem Vulkan. In Deutschland gibt es so wenige Organe für eine Transplantation, dass du weder zu gesund noch zu krank sein darfst, um ganz oben auf der Warteliste zu landen. Bist du noch zu fit, sind andere vor dir dran. Bist du wiederum so krank, dass die Ärzte kaum eine Chance sehen, dass du die Wartezeit auf ein Organ oder die Operation überlebst, kommst du gar nicht erst auf die Liste. Ich hatte zweimal sehr großes Glück.

Welche Rolle spielen für Sie die Menschen, deren Organen Sie Ihr Leben verdanken?

Ich trage sie in meinem Herzen. Wenn ich ein schönes Erlebnis habe, dann denke ich an sie. Das können sehr einfache Dinge sein: Ich gehe eine Treppe ohne Atemnot hoch oder renne dem Bus hinterher. Ich empfinde dann eine große Dankbarkeit. Diese Menschen haben mir Lebenszeit geschenkt, die ihnen selbst nicht mehr vergönnt war. Das ist mir sehr bewusst.

Was sagen Sie jenen, die sich nicht sicher sind, ob sie ihre Organe spenden würden?

Ich rate immer, darüber nachzudenken, ob man für sich, seine Kinder oder nahe Verwandte ein Spenderorgan annehmen würde, wenn man betroffen wäre. Wer diese Frage mit Ja beantwortet, sollte auch bereit sein, seine Organe zu spenden.

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