„Die Gewaltbereitschaft ist enorm“LKA sieht 20,3 Prozent mehr Clan-Straftaten in NRW

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Innenminister von Nordrhein-Westfalen spricht während einer Pressekonferenz.

Mehr Straftaten, mehr Straftäter: NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat das Lagebild Clankriminalität vorgestellt. (Archivbild)

Das Landeskriminalamt (LKA) hat erneut ein Lagebild Clankriminalität zusammengestellt. Mit mehr Straftaten und mehr Tätern.

Menschen werden bedroht, angegriffen, entführt und verletzt. Es gibt Mord- und Totschlag und es wird betrogen, gestohlen oder gefälscht. Und die Spirale der Gewalt dreht sich weiter. Immer häufiger werden Revierkämpfe vor aller Augen auf offener Straße ausgetragen. Im Juni prügelten hunderte Männer aus Syrien und dem Libanon aufeinander ein. Erst in Castrop-Rauxel, dann in Essen. Ein 23-Jähriger wurde mit einem Messer lebensgefährlich verletzt, die Polizei beschlagnahmte sogar eine Maschinenpistole bei den Tobenden.

Auch wenn vor allem in NRW die Gegenmaßnahmen in den vergangenen Jahren enorm erhöht wurden, scheint das Problem aus dem Ruder zu laufen. Die nordrhein-westfälische Polizei hat im vergangenen Jahr 20,3 Prozent mehr Straftaten mit Clanbezug als 2021 gezählt. Das geht aus dem neuen Lagebild Clankriminalität des Landeskriminalamts (LKA) hervor. Der grüne Koalitionspartner der CDU hadert mit der Statistik, die sich an den konkreten Namen von verdächtigen Großfamlien orientiert.

Clan-Kriminalität in NRW: „Die Gewaltbereitschaft ist enorm“

„Die Gewaltbereitschaft ist enorm“, betonte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag bei der Vorstellung des Papiers: „Deshalb gilt null Toleranz – heute wie morgen.“ Niemand könne jedoch einen Marathon in einer Stunde laufen. „Unseren Dauerlauf im Kampf gegen Clankriminelle setzen wir fort, die Kondition dafür haben wir“, versicherte der Minister.

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Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit (2.031) haben 2022 im Vergleich zum Vorjahr (1.529) ium 32,8 Prozent zugenommen, während diese Delikte insgesamt – ähnlich wie im Vorjahr – ein knappes Drittel ausmachen. 14,9 Prozent der registrierten Straftaten waren Vermögens- und Fälschungsdelikte (981). 14,6 Prozent der Straftaten waren Diebstähle (958). Hier ist mit einem Plus von 78,4 Prozent eine große Fallzahlensteigerung zu verzeichnen (2021: 537). Die Statistik zählt auch 24 „Straftaten gegen das Leben“, darunter Mord und Totschlag - wobei Versuche mit dazu zählen. Wie viele Tote es tatsächlich gab, geht aus dem Lagepapier nicht hervor.

53,4 Prozent der Verdächtigen hatten die deutsche Staatsangehörigkeit

Das LKA NRW hat zudem einen Anstieg bei der Anzahl der Tatverdächtigen registriert. Insgesamt wurden 4.035 Personen mit Clanbezug gezählt. Das ist ein Anstieg um 11,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2021: 3.629). Die Tatverdächtigen sind überwiegend männlich und zwischen 26 und 30 Jahre alt. Im Jahr 2022 hatten insgesamt 2.156 (53,4 Prozent) der Verdächtigen die deutsche Staatsangehörigkeit, 672 (16,7 Prozent) waren Syrer und 550 (13,6 Prozent) kamen aus dem Libanon

Die Polizei hat laut LKA im vergangenen Jahr bei 615 Razzien über 1570 Objekte kontrolliert, darunter mehr als 220 Shisha-Bars, 60 Restaurants, 30 Spielhallen und 90 Wettbüros: „23,2 Prozent der Objekte wurden unmittelbar durch die Behörden geschlossen, unter anderem wegen fehlender Konzessionen, aufgrund von Hygienemängeln oder wegen baurechtlicher Mängel“, heißt es im Bericht.

Lagebild wird zukünftig wohl noch durch weitere Großfamilien ergänzt

Das LKA hat für seine „namensbasierte Recherche“ im aktuellen Lagebild 116 Clan-Namen aus dem türkisch-arabischstämmigen Milieu identifiziert. Angesicht der Vorkommnisse in Castrop-Rauxel und Essen prüfen die Ermittler jetzt aber, ob der Bericht zukünftig „um kriminelle Angehörige anderer bisher nicht erfasster“ Großfamilien erweitert werden muss. „Die Struktur der Tatverdächtigen, der Straftaten und der regionalen Schwerpunkte verändert sich von Jahr zu Jahr - wer das Phänomen erfolgreich bekämpfen will, muss dranbleiben und Neuerungen im Blick behalten“, betonte Reul.

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