Im Großraum Köln wird ein Container mit Künstlicher Intelligenz für Terrorismus-Ermittlungen aufgestellt. Das sagt NRW-Innenminister Reul dazu.
NRWKI-Container im Rhein-Erft soll Polizei bei Terrorismus-Fahndung unterstützen

NRW-Fahnder werden bei Terrorismus-Ermittlungen zukünftig von Künstlicher Intelligenz unterstützt.
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Etwa 14 Meter lang, vier Meter breit und genauso hoch. Auf dem Dach ist eine Photovoltaik-Anlage installiert, an der Längsseite hängt ein Rohrgewirr für die Wasserkühlung. Der fensterlose Container, der auf landeseigenem Gelände im Rhein-Erft-Kreis platziert wird, ist in unscheinbarem Standard-Grau gestrichen. Doch der Inhalt hat es in sich: Neueste Technik für Künstliche Intelligenz wird hier verbaut. Dutzende Server, Festplatten, Grafikkarten und hochspezielle Rechner, verbunden mit hunderten Metern Kabel. Hier entsteht ein digitales Superhirn gegen Terrorismus.
„Künstliche Intelligenz ist kein nice-to-have mehr, sondern must-have für die Polizei von heute“, erklärt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) die 15-Millionen-Euro-Investition auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Ermittlungsbehörden müssten „auf digitale Kriminalität moderne Antworten“ geben. „Und da geht kein Weg an Künstlicher Intelligenz vorbei“, so der Minister.
Reaktion auf Terroranschlag von Solingen
Das solle in NRW zukünftig auch „beim Kampf gegen Terrorismus“ der Fall sein. Mit dem bundesweit auf Länderebene bisher einzigartigem Modellprojekt mache die nordrhein-westfälische Sicherheitsstruktur „einen weiteren großen Schritt nach vorne“, sagt Reul.
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Als Reaktion auf den Terroranschlag von Solingen am 23. August 2024 hat die NRW-Landesregierung mit dem sogenannten Sicherheitspaket umfassende Maßnahmen in den drei Säulen Sicherheit, Migration und Prävention beschlossen. Das Reformpaket beinhaltet neue rechtliche Befugnisse für die Sicherheitsbehörden, fördert den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im digitalen Raum und erleichtert den Datenaustausch zwischen allen Behörden.
Daten von Geheimdiensten und Ermittlungsbehörden
Codewörter, interne Ermittlungsergebnisse, Decknamen: Bei der Suche nach Verdachtsmomenten werden die Computer in Rhein-Erft auch mit spezieller Software programmiert und jeder Menge geheimer Daten von Polizei und Geheimdiensten gefüttert. Deshalb würde sowohl „Software vom Markt, Open Source und auch Eigenentwicklungen genutzt“, erklärt eine Sprecherin des „Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste“ (LZPD) in Düsseldorf: „Sensible und geschützte polizeiliche Daten können nicht mit öffentlich zugänglichen Anwendungen verarbeitet werden, beispielsweise, sofern Vernehmungen automatisiert verschriftlicht oder übersetzt werden sollen.“
Bei der Herstellung und Nutzung einer „eigenen und abgeschotteten Infrastruktur“ spielen auch virtuelle Rechner eine Rolle. Einfach ausgedrückt, ist dies Software, die vorgibt, ein eigenständiger Rechner zu sein. Dafür verwendet sie einen vorgegebenen Teil des Speichers, der Rechenleistung und der Festplatte eines realen Computers. Dadurch erweitert sich die Leistung und Rechnerkapazität des Gesamtsystems enorm.
Programmierung in zahlreichen Sprachen
Ermittlungen im Terrorismusbereich gingen „häufig mit der Analyse großer Datenmengen einher“, sagte die LZPD-Sprecherin: „Mit Menschen alleine wird es nicht mehr möglich sein, all diese Spuren und Beweismittel auszuwerten.“ Insbesondere bei der Planung terroristischer Straftaten müssten mögliche Gefahren frühzeitig entdeckt werden, um deren Durchführung zu verhindern.

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, setzt auf Künstliche Intelligenz bei der Terrorismus-Fahndung.
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Hierbei spiele die Künstliche Intelligenz „nicht nur bei digitalen Spuren und Beweismitteln eine Rolle“, so die Sprecherin: „Bei der Analyse und Auswertung sind insbesondere im islamistischen Terrorismus schnelle Übersetzungsmöglichkeiten mittels KI relevant.“ Deshalb werde das System mit zahlreichen Sprachen trainiert und gefüttert, wobei „das Sprachportfolio“ im Laufe der Zeit „kontinuierlich erweitert werden“ solle.
KI kommt in NRW schon beim Kampf gegen Kindesmissbrauch zum Einsatz
Grundsätzlich hätte die KI-Infrastruktur auch in einem Gebäude statt in einem Container in Betrieb genommen werden können, heißt es beim Landesamt weiter. Entsprechende Kapazitäten, die den hohen Sicherheitsanforderungen genügen, seien „jedoch am Markt nicht verfügbar“ gewesen. „Herausfordernd“ bei der Suche sei „beispielsweise der hohe Energiebedarf sowie die erforderliche Flüssigkeitskühlung“ der Gerätschaften gewesen. Es seien zahlreiche Standorte geprüft worden, bis die Wahl auf das landeseigene Gelände in Rhein-Erft gefallen sei.
„Beim Thema Künstliche Intelligenz leistet die Polizei NRW Pionierarbeit“, betont Innenminister Reul. Aufgeschreckt durch Skandale wie in Lügde, Münster oder Bergisch Gladbach wird die Technik bei Ermittlungen gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie hierzulande schon seit Jahren eingesetzt. Denn es ist einer der schwersten Jobs überhaupt: unter Zeitdruck Festplatten und Handys von Verdächtigen durchkämmen, die Bilder von sexuellem Missbrauch von Kindern besitzen könnten.
Plattform im Darknet abgeschaltet
Und die Datenmengen, die die Verdächtigen besitzen, werden immer größer. Im Oktober vergangenen Jahres sorgte die NRW-Polizei beispielsweise dafür, dass eine große Darknet-Plattform abgeschaltet wurde, auf der sexueller Missbrauch von Kindern gezeigt wurde. Die Zahl der Nutzer auf der Seite sei in die Hunderttausende gegangen, kommentierte Reul damals den Ermittlungserfolg.
Der Fall sei „schwindelerregend groß“. Auf dem Rechner eines einzigen Beschuldigten sei eine Datenmenge von 13,5 Terabyte auszuwerten – das entspreche etwa 3,4 Millionen Fotos, sagte Reul. Zur Information: Ein geschulter Ermittler braucht etwa neun Monate, um ein Terabyte auszuwerten. Macht rein rechnerisch etwas mehr als zehn Dienstjahre alleine für die Rohdaten dieses einzigen Beschuldigten.
KI auch bei der Suche nach Terrorfinanzierung
Was die Terror-Ermittlungen betrifft, könnte in NRW auch noch ein weiteres Projekt richtungsweisend werden. Das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität (LBF NRW) hat im Juni 2025 eine Forschungskooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) geschlossen. Das Ziel: Die Entwicklung eines eigenen KI‑Prototypen, der digitale Asservate auf verdächtige Transaktionen hin analysiert. Damit soll sich die Steuerfahndung rasch und zielgerichtet durch große Datenmengen arbeiten und speziell die Verdachtspunkte aufdecken, die auf Transaktionen zur Terrorismusfinanzierung hinweisen.