Hochwasser, Starkregen, Brände nach Dürreperioden - der Klimawandel stellt auch NRW vor große Herausforderungen. Jetzt soll der Katastrophenschutz neu aufgestellt werden.
Nach Pannen bei der JahrhundertflutNRW richtet Landesstelle für Katastrophenschutz ein

NRW-Innenminister Reul sieht trotz der neuen Landesstelle Katastrophenschutz als Gemeinschaftsaufgabe von Staat, Kommunen, Hilfsorganisationen und Ehrenamt.
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Die Befragung von Jörg Kachelmann dauerte zwei Stunden. Der Wetterexperte war als Zeuge in dem Untersuchungsausschuss vorgeladen, der die Behörden-Pannen im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe aufarbeiten sollte, bei der im Sommer 2021 in Nordrhein-Westfalen 49 Menschen ums Leben kamen. Kachelmann war damals fassungslos. Seiner Einschätzung nach hätte die Tragödie verhindert werden können. „Die Informationen waren alle da“, sagte der Meteorologe. Bei einer drohenden Extremwetterlage dürfe keiner schlafen gehen.

In Erftstadt war das Ausmaß der Zerstörung nach dem Unwetter in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 zu sehen.
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Das Hochwasser im 14. und 15. Juli 2021 gehört zu den schwersten Katastrophen der Landesgeschichte. Das unvorstellbare Leid der Betroffenen und das fürchterliche Ausmaß der Zerstörungen warfen auch ein Schlaglicht auf die Defizite im Katastrophenschutz von NRW. Denn trotz des mitunter heldenhaften Einsatzes der Rettungskräfte wurde deutlich, dass das Frühwarnsystem und die Meldeketten nicht optimal oder gar nicht funktionierten.
Neue Landesstelle soll rund um die Uhr erreichbar sein
Das soll sich jetzt ändern. NRW-Innenminister Herbert Reul wird am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags ein Konzept zum Aufbau einer Landesstelle für Katastrophenschutz vorstellen. „Die Menschen in unserem Land erwarten zu Recht, dass der Staat in Krisen handlungsfähig ist“, sagte der CDU-Politiker unserer Zeitung. Die Landesstelle für den Katastrophenschutz sei „ein wichtiger Baustein für einen modernen Bevölkerungsschutz“ in NRW. „Sie wird unsere Fähigkeit verbessern, bei Großschadenslagen schnell, koordiniert und wirksam zu handeln“, so Reul.
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In dem Strategiepapier, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt, werden zunächst die Ursachen für die bisherigen Mängel im System aufgezeigt. „In der Regel erzeugen die bei den Bezirksregierungen eingehenden Meldungen zu außergewöhnlichen Ereignissen über die reine Kenntnisnahme und erste fachliche Bewertung hinaus keine unmittelbaren Handlungsnotwendigkeiten“, heißt es. Um die Meldeköpfe und Rufbereitschaften der Mittelbehörden außerhalb der Geschäftszeiten zu entlasten, soll die Landesstelle rund um die Uhr an jedem Tag im Jahr erreichbar sein. Dazu werden die Experten in die Räumlichkeiten einziehen, die für den Krisenstab der Landesregierung vorgehalten werden. Um Einsatzkräfte in Krisengebieten von Düsseldorf aus zentral führen zu können, soll die technische Ausstattung erweitert werden. Ziel ist es, einen Kommandostand mit modernster EDV, Monitorverbünden und Videokonferenzsystemen einzurichten.
Land stärkt die eigene Führungsfähigkeit
Bereits nach der Jahrhundertflut waren zahlreichen Pannen und Versäumnissen in der Krisenkommunikation der Landesregierung bekannt geworden. Interne Vermerke und E-Mails aus jenen Tagen hatten belegt, dass wichtige Informationen zwischen Behörden nicht weitergeleitet worden waren. So hatte das damalige Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) zwar 48 Stunden vor der Katastrophe begonnen, „Hydrologische Lageberichte“ zu versenden – diese gingen jedoch nicht an das für Katastrophenschutz zuständige Innenministerium. Nun soll die Führungsfähigkeit des Landes gestärkt werden. Wachsende Herausforderungen werde es auch künftig durch den Klimawandel geben.
Auch die später vom Hochwasser betroffenen Städte und Kreise bekamen demnach diese Warnungen nie zu sehen. Innerhalb der Bezirksregierung Köln hatten die Wasserexperten die Lageberichte nicht an den Bereich Katastrophenschutz weitergeleitet. Die zentrale Struktur soll künftig verhindern, dass Einsatzkräfte unnötig „blind“ in die Bewältigung schwerster Problemlagen geschickt werden. Die digitale Transformation und verwaltungsübergreifende Kooperationen seien zentrale Erfolgsfaktoren, hieß es im NRW-Innenministerium. Der Vollbetrieb der neuen Landesstelle mit 36 Planstellen soll bis Ende 2026 möglich sein.
NRW-Innenminister Reul betonte, trotz des neuen Führungszuschnitts bleibe Katastrophenschutz eine Gemeinschaftsaufgabe von Staat, Kommunen, Hilfsorganisationen und Ehrenamt. „Diesen Weg der Zusammenarbeit werden wir weitergehen“, sagte Reul.