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Russischer Geheimdienst bedroht NRWMoskaus neue Billig-Agenten haben mit 007 wenig gemeinsam

Lesezeit 3 Minuten
Der„ Low-Level-Agent“ Dieter S. (l) im Mai 2025 beim Prozessauftakt in München.  Der Deutsch-Russe soll militärische Infrastruktur für Russland ausgespäht haben.

Der„ Low-Level-Agent“ Dieter S. (l) im Mai 2025 beim Prozessauftakt in München.  Der Deutsch-Russe soll militärische Infrastruktur für Russland ausgespäht haben.  

Auch NRW ist im Visier mutmaßlich russischer Sabotageakte. Sind kritische Einrichtungen im bevölkerungsreichsten Bundesland ausreichend geschützt?

Vladyslav T. hat mit einem Doppel-Null-Agenten aus dem James-Bond-Kosmos wenig gemeinsam. Der gebürtige Ukrainer war in Köln zeitweilig bei seiner Mutter Olga untergekommen - und führte ein unauffälliges Leben. Wäre er ein Profi gewesen, hätte er sicher bemerkt, dass ihm über Tage ein Observationsteam an den Fersen hing.  NRW-Innenminister Herbert Reul bezeichnet Vladyslav T. als „Hobby-Agenten“. Ein Amateur, der kurz davor war, großen Schaden anzurichten.

Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat Russland seine Strategie beim Einsatz von Agenten verändert. Da viele nachrichtendienstlich ausgebildete Diplomaten ausgewiesen wurden, heuert der Geheimdienst jetzt Billig-Spione an, die sich durch finanzielle Prämien ein Zubrot verdienen möchten. Vladyslav T. erhielt den Auftrag, Pakete mit hochgefährlichen Brandsätzen auf den Weg zu bringen. Dazu hatte er Testsendungen mit einem GPS-Tracker ausgerüstet. Die verdächtigen Signale brachten die Sicherheitsbehörden auf die Spur des Mannes. Nach einer Festnahme verriet der 24-Jährige bei der Vernehmung seine Auftraggeber.

Diplomaten wurden ausgewiesen, der Geheimdienst heuert nun Billig-Spione an

Anschläge auf die kritische Infrastruktur sollen die deutsche Bevölkerung verunsichern und die Zustimmung für die Unterstützung der Ukraine untergraben. Die russischen Dienste stehen unter hohem Erfolgsdruck, gehen daher immer robuster vor. Die Aktionen seien offenbar dem „Lehrbuch des KGB aus dem kalten Krieg“ entnommen, sagte Gregor Golland, Sicherheitsexperte der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag. Das Landesparlament debattierte in einer Aktuellen Stunde über die derzeitige Bedrohungslage.

Alles zum Thema Herbert Reul

In NRW wurden im Jahr 2022 lediglich drei Straftaten im Spionage- und Sabotagebereich gezählt, 2024 waren es bereits elf Fälle. „Das wird nur die Spitze des Eisbergs sein“, sagte Reul. Vor allem Ausspähungen bleiben oft unentdeckt.

Boeing, Microsoft oder Samsung haben eigene Drohnenabwehrsysteme

Während Technologiekonzerne wie Boeing, Microsoft oder Samsung eigene Drohnenabwehrsysteme unterhalten, ist die Infrastruktur von Wasserwerken, Stromerzeugern oder Rechenzentren oft ungeschützt. „Das ist fahrlässig und muss sich ändern“, kritisierte Julia Höller, innenpolitische Sprecherin der Grünen. NRW brauche klare gesetzliche Zuständigkeiten und verbindliche Mindeststandards für den Schutz wichtiger Knotenpunkte.

An moderner Sicherheitstechnik fehlt es dabei nicht. Mit seinem Sensibilisierungs- und Präventionsprogramm zeige der Verfassungsschutz den Betroffenen Möglichkeiten auf, um „Eigenschutzmechanismen zu aktivieren“, so Reul. Eine Firma aus Rheinland-Pfalz bietet ein hocheffektives Drohnenabwehrsystem an, das im vergangenen Jahr bei G-20-Gipfel in Rio erfolgreich zum Einsatz kam. „Wir haben das Knowhow hier - wir müssen es nur entschlossen einsetzen“, forderte Marc Lürbke, Innenexperte der FDP.

Kampmann weist auf Kreml-Nähe von AfD-Akteuren hin

Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, warf der schwarz-grünen Landesregierung vor, nur punktuell vorzugehen, aber kein schlüssiges Gesamtkonzept zum Umgang mit der hybriden Bedrohung zu besitzen. Zur Wahrheit gehöre auch, dass die Feinde der Demokratie nicht nur im Kreml, sondern auch in den deutschen Parlamenten sitzen würden. Akteure der AfD würden „immer wieder Gelder direkt aus dem Kreml beziehen“ und sich damit immer als „trojanisches Pferd“ vor den Karren anderer Länder spannen lassen. Die Partei sei „ein Sicherheitsrisiko“ und keine „Alternative für Deutschland“, sondern eine „Alternative für Russland“.

Die AfD konterte, deutsche Sicherheitsbehörden seien offensichtlich nicht in der Lage, Anschläge von Extremisten zu verhindern. Wichtige Ressourcen würden darauf verschwendet, die AfD unter Beobachtung zu stellen.

Vladyslav T. war zusammen mit zwei anderen ukrainischen Staatsbürgern festgenommen worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen „Agententätigkeit zu Sabotagezwecken“ vor. Die Spreng- und Brandvorrichtungen, die in die Ukraine geschickt wurden, sollten sich unterwegs entzünden.

Der Fall erinnert an einen Vorgang, der sich im Juli 2024 ereignete. Damals war am Leipziger Flughafen ein Luftfrachtpaket in Flammen aufgegangen. Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der Anschlag von russischen Hintermännern geplant worden war. Laut Bundesnachrichtendienst war es nur ein glücklicher Zufall, dass das Paket im DHL-Logistikzentrum am Boden in Brand geriet - und nicht während des Fluges. Sonst hätte ein Absturz der Maschine mit Todesopfern gedroht.