Corona-AnalyseWarum gibt es weniger Neuinfektionen, aber mehr Tote?

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Corona test symbol

Ein Mitarbeiter zeigt in der Corona-Abstrichstelle auf dem Festplatz einen Abstrich für einen Corona-Test.

Das Robert-Koch-Institut meldet 487 Corona-Todesfälle, so viele wie noch nie seit Beginn des Ausbruchs. Momentan gibt es mehr tödliche Verläufe als noch während der ersten Welle im Frühjahr. So starben laut Statistischem Bundesamt Anfang April 1739 Menschen pro Woche an einer Covid-19 Erkrankung (KW 15), in den vergangenen sieben Tagen wurden 2352 Todesfälle erfasst. Warum scheinen immer mehr Menschen zu sterben, obwohl die Zahl der Neuinfektionen stagniert oder sogar abnimmt?

Zunächst einmal steht die Zahl der tödlichen Verläufe nicht direkt im Zusammenhang mit der Zahl der gemeldeten Neuinfektionen. Wenn sich vor allem jüngere Menschen neu infizieren, steigt die Todesrate nicht an, weil diese nur sehr selten schwer oder gar tödlich erkranken. Todesfälle treten vor allem bei älteren Menschen auf: 87 Prozent der bisher Verstorbenen waren mindestens 70 Jahre alt, das Durchschnittsalter der Todesopfer liegt bei 83 Jahren. Daher kommt es immer dann zu einer höheren Sterblichkeit, wenn mehr Menschen aus dieser Altersgruppe sich anstecken.

Neuinfektionen in der Hauptrisikogruppe der Älteren

In den vergangenen Wochen scheint nun genau das der Fall gewesen zu sein. Laut RKI hatten die Neuinfektionen in den Altersgruppen der 20- bis 29-Jährigen zuletzt abgenommen. Dafür wurden erneut Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen registriert: Bei den über 85-Jährigen stieg die Zahl der Neuinfektionen entsprechend an.

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Ein Anstieg der Todeszahlen war daher bereits erwartet worden. Zu beobachten ist eine höhere Sterblichkeit aber immer erst zeitverzögert: So können mehrere Wochen vergehen, ehe jemand an den Folgen einer Covid-19-Infektion verstirbt. Wenn ein Patient schwer erkrankt, verstreichen laut RKI im Schnitt vier Tage, bis er ins Krankenhaus eingeliefert wird. Weitere zwölf Tage vergehen durchschnittlich, bis ein Patienten mit einem tödlichen Verlauf seinen Symptomen erliegt. Zwischen Symptombeginn und dem Tod können also 16 Tage liegen oder sogar mehr. Die aktuell erhöhten Todeszahlen sind daher die Folge von Ansteckungen, die vor zwei bis drei Wochen stattgefunden haben.

Sterblichkeit steigt erst zeitverzögert an

Das bedeutet – selbst wenn die Zahl der Neuinfektionen in den Risikogruppen wieder abnimmt oder stagniert, kann die Zahl der Todesfälle vorübergehend noch steigen. Sie wird zeitverzögert erst dann abnehmen, wenn sich wieder weniger ältere Menschen anstecken.

Am ehesten lassen sich neue Todesfälle anhand der Zahlen des DIVI-Intensivregisters vorhersagen. Darin wird erfasst, wie viele Patienten mit Covid-19 täglich neu auf deutsche Intensivstationen eingeliefert werden. Etwa jeder fünfte dieser Patienten stirbt, die anderen werden als genesen entlassen. Nach Schwankungen in den vergangene Wochen scheint die Zahl der Neueinlieferungen momentan zu stagnieren oder sogar wieder leicht abzunehmen. In der letzten Woche wurden im Schnitt täglich weniger als 400 neue Covid-19-Patienten auf deutsche Intensivstationen aufgenommen. Weil gleichzeitig viele entlassen wurden, war die Gesamtzahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen zuletzt sogar wieder gesunken. Falls sich die Entwicklung fortsetzt, könnten in den nächsten Wochen auch wieder weniger Todesfälle zu beobachten sein.

Weniger Tote nur wenn es gelingt, Risikogruppen zu schützen

Es wird aber auch davon abhängen, wie sich die Sieben-Tage-Inzidenz in der Gruppe der über 60-Jährigen entwickelt. Diese war in den vergangen Tagen auf 117 neue Fälle pro 100.000 Einwohner gestiegen, während sich die Inzidenz in der Gesamtbevölkerung mit 137 Fällen pro 100.000 Einwohner kaum verändert hatte.

Grundsätzlich gilt: Wenn die Zahl der Neuinfektionen in der Gesamtbevölkerung weiter stagniert oder sinkt, gibt es zwar weniger Infektionen. Das eigentliche Ziel der Anti-Corona Maßnahmen – also schwere Verläufe und Todesfälle zu verhindern – wird aber nur dann erreicht, wenn es gelingt, Risikogruppen besser zu schützen.

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