Ukraine-Verhandlung nur Show?Warum Putin womöglich gar keinen Deal will

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Ist die Hoffnung auf eine Lösung des Ukraine-Kriegs durch Verhandlungen blauäugig?

Beinahe täglich verhandeln Russland und die Ukraine über einen Waffenstillstand und eine Friedenslösung. Doch die britische Außenministerin Liz Truss hat am Wochenende gewarnt, Moskau würde nur zum Schein verhandeln und die Gespräche als Ablenkungsmanöver für eine militärische Neuordnung seiner Truppen nutzen.

„Ich bin sehr skeptisch“, sagte Truss in einem Interview in der Londoner „Times“ und erklärte: „Was wir bislang gesehen haben, ist ein Versuch der Russen, Zeit für eine Reorganisation zu gewinnen.“ Ähnliche Vorwürfe hatte zuvor bereits Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian geäußert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief Russland am Wochenende zu „ehrlichen Verhandlungen und Verzögerungen“ auf.

Kiesewetter glaubt nicht an diplomatische Lösung

Dass es zu einer Lösung am Verhandlungstisch kommt, glaubt der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter inzwischen nicht mehr. „Unsere Hoffnung auf eine Lösung durch Verhandlungen ist blauäugig“, sagte Kiesewetter dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Russland wolle den Westen im Glauben lassen, es gebe etwas zu verhandeln. Doch der CDU-Politiker und Oberst a.D. stellt klar: „Es gibt mit Putin nichts zu verhandeln.“

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Denn für Kiesewetter ist längst klar, dass Russlands Ziel die Aufgabe der territorialen Integrität der Ukraine, die Einverleibung und der Verlust der Souveränität der Ukraine sind. „Putin will, dass die Ukraine zerfällt“, bringt Kiesewetter es auf den Punkt. Wenn die russischen Streitkräfte im Osten den Streifen von Charkiw bis Odessa eingenommen haben, könne Russland die Landverbindung zur Krim kontrollieren und sich die Gebiete bis Kiew einverleiben, sagte der Außenpolitiker.

Russland aus der Ukraine zurückzudrängen sei der einzige Ausweg. Alles andere würde keinen dauerhaften Frieden bringen. Einzig die Atomwaffen würden den Westen von einem Eingreifen abhalten. „Wäre Russland keine Nuklearmacht, dann wären westliche Soldaten schon längst in der Ukraine im Einsatz.“

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Diesen Eindruck hat auch der Militärexperte Gustav Gressel vom Thinktank European Council on Foreign Relations. Er sagte dem RND: „Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine sind überwiegend eine Show, denn die Kompromissangebote liegen längst auf dem Tisch.“ In Putins Rede lasse sich keine Kompromissbereitschaft erkennen. „Er will mit den Verhandlungen nur ablenken und Europa bei Laune halten, damit sie im Glauben an eine Friedenslösung nur noch wenige Waffen schicken.“

Der Russland-Experte und Politologe Gerhard Mangott von der Universität Innsbruck hat Zweifel, dass die Verhandlungen nur eine Show sind. „Ich glaube schon, dass Moskau in den Verhandlungen eine politische Lösung herbeiführen möchte“, sagte er dem RND. Die russische Position sei aber sehr verhärtet und Russland sei bisher nicht zu nennenswerten Zugeständnissen bereit gewesen. „Moskau stellt Forderungen, die die ukrainische Seite nicht oder nur teilweise bereit ist zu erfüllen.“ Bleibt es bei diesen Differenzen, sieht Mangott keine Chance auf eine friedliche Lösung. „Dann würde Russland versuchen, die Ukraine militärisch zur Kapitulation zu zwingen.“

Putin muss weiter verhandeln

Solange die ukrainischen Truppen Russland aber immer wieder zurückdrängen und aufhalten, muss Putin weiter verhandeln. Militärexperte Gressel ist der Ansicht, dass frühere Waffenlieferungen an die Ukraine den Krieg maßgeblich verändert hätten. Er teilt die Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Deutschland sei zu zaghaft gewesen. „Wenn man bedenkt, wie schlecht die russische Armee auf die Kämpfe vorbereitet ist, hätten frühere Waffenlieferungen des Westens vielleicht die Eroberung der Südküste abwehren und Luftangriffe Russlands verhindern können.“ Auch der Vormarsch auf Kiew wäre deutlich langsamer verlaufen, so der Militärexperte. „Es wäre ein anderer Krieg.“

Bereits Mitte Januar, also mehr als einen Monat vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, hatte Großbritannien der Regierung Selenskyjs Panzerabwehrwaffen in großer Stückzahl zugesichert. Deutschland versprach etwa eine Woche später, 5000 Helme zu schicken. „Die Ukraine braucht jetzt vor allem Flugabwehrraketen mit großer Reichweite, um die latente Bedrohung der russischen Bomber über ukrainischen Städten abzuwehren“, so Gressel. Er rechnet mit einer neuen Welle russischer Angriffe im April, für die das ukrainische Militär jetzt schnell mit Kampfpanzern, Schützenpanzern, Artillerie und Munition ausgestattet werden müsse.

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