Wahl-Talk bei Anne WillThomas de Maizière mit der undankbarsten Aufgabe

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Die Gäste von Anne Will: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Ursula Münch (Politikwissenschaftlerin), Olaf Scholz (SPD) und Anne Will.

  • Ganz egal, wie das Wahlergebnis ausschaut: In der Talkshow am Wahlabend gilt es für jeden Politiker, das Ergebnis für die eigene Partei so günstig wie möglich zu interpretieren.
  • Das gelingt nicht allen Gästen am späten Sonntagabend.

Berlin – Im Deutschaufsatz leiden Schülerinnen und Schüler gelegentlich darunter, dass es Lehrer gibt, die meinen, die einzig richtige Interpretation eines Gedichts zu kennen. Wahlergebnisse werden – obwohl sie eigentlich weniger rätselhaft sind als Lyrik –, je nach eigenem Interesse, stets sehr unterschiedlich interpretiert. Das hat sich einmal mehr bei der „Anne Will“-Sendung am Abend der Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gezeigt.

Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz interpretiert das Ergebnis vor allem dahingehend, „dass es eine Mehrheit ohne die Union geben kann“. Scholz – der trotz schlechter Umfragewerte seiner Partei im Bund Kanzler werden will – betont: „Ein Ergebnis für die Union unter 30 Prozent ist möglich – und das strebe ich auch an.“ In welcher Konstellation er im Zweifel regieren möchte – ob eher mit einer Ampel oder mit Rot-Rot-Grün – möchte Scholz aber nicht beantworten.

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck antwortet auf Scholz‘ Vortrag mit folgendem Dreiklang: „Die CDU hat verloren. Die SPD hat stagniert. Wir haben gewonnen.“

Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière übernimmt die undankbare Aufgabe, an diesem Wahlabend für die CDU in der Runde zu sitzen. Er spricht von einer „bitteren Enttäuschung, nicht ganz ohne Überraschung“. Er verweist auf die starke Rolle, die beliebte Ministerpräsidenten – also Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz und Winfried Kretschmann – bei der Wahl gespielt haben.

Die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch drückt es sehr treffend so aus: „Der Abend ist aus der Sicht derer, die nicht in der Union sind, vielversprechend und interpretationsfähig.“ Eine große Bedeutung der Persönlichkeit habe es bei der Wahl allerdings auch gegeben. Im Übrigen habe sich gezeigt, dass Wahlen in der Mitte gewonnen würden, sagt Münch. Und ermuntert Scholz, sich in dieser Hinsicht in der eigenen Partei durchzusetzen.

Die „Spiegel“-Journalistin Christiane Hoffmann gibt allerdings auch zu bedenken, mit dem Verweis auf die Persönlichkeitswahl mache man es der Union an diesem Wahlabend zu einfach. Es gebe auch eine große Unzufriedenheit mit der Corona-Regierungspolitik, zum Beispiel in Sachen Impfen. Auch das habe auf die Ergebnisse der Union durchgeschlagen.

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Als sicher dürfte mit Blick auf die Bundestagswahl aktuell tatsächlich nur gelten, dass niemand das Ergebnis vorab kennen kann. Und das es am Wahlabend in Talkrunden so interpretiert werden wird wie jedes Wahlergebnis: durch die Brille des Einzelnen.

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