Hausärztin erklärtMilder Verlauf bei einer Omikron-Infektion – was heißt das?

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Kranke Frau im Bett

Auch ein milder Corona-Verlauf kann Infizierte stark beeinträchtigen.

Köln – Die Omikron-Variante sorgt nach aktuellen Erkenntnissen vermehrt für sogenannte „milde Krankheitsverläufe“. Für viele Menschen eine gute und hoffnungsvolle Nachricht, nimmt sie der Corona-Pandemie doch einen Teil ihres Schreckens. Doch was heißt „mild“ eigentlich genau? Steckt man Covid-19 dann mit ein bisschen Kopfschmerzen und Husten einfach so weg? Eher nicht, erklärt uns eine Hausärztin.

Grundsätzlich ist kein milder, sondern ein asymptomatischer Verlauf die beste Option für die infizierte Person selbst, also eine Infektion ohne Symptome. Treten Symptome auf, gilt eine Erkrankung laut Robert-Koch-Institut (RKI) so lange als mild, bis Anzeichen einer Lungenentzündung oder Probleme mit der Sauerstoffsättigung auftreten. So erklärt es auch Dr. Gwen Rabe, Hausärztin in Sankt Augustin. Bei einer milden Erkrankung bestehe „keine Atemnot und kein Hinweis für eine Lungeninfektion. Außerdem ist keine Krankenhausbehandlung notwendig.“ Alles, was harmloser als Atemnot oder eine Lungenentzündung ist, zählt als mild.

Mild ist nicht gleich mild

Dazu gehören zum Beispiel alle Infektsymptome wie Schnupfen, Husten, Halsschmerzen, Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, Fieber oder Geruchs- und Geschmacksverlust. Diese können bei einigen Infizierten schwächer ausgeprägt sein, bei anderen stärker – und nicht unbedingt als mild empfunden werden, obwohl der Krankheitsverlauf so eingeordnet wird. Symptome, die bei Covid-19 in die Kategorie mild fallen, können bei anderen Erkrankungen auch als Anzeichen für einen stärkeren Verlauf sein.

Rabe erklärt das so: „Die Einteilung der Schweregrade einer Erkrankung muss sich daran messen, wie groß das Spektrum der möglichen Symptome ist. Und da gibt es bei Covid-19-Erkrankungen bei schweren Verläufen eben deutlich mehr als nur Fieber und Abgeschlagenheit.“ So empfinde man Symptome wie Abgeschlagenheit oder Fieber bei einem grippalen Infekt „meistens als Hinweis für einen etwas schwereren Verlauf des Infekts.“ Milde Covid-19-Symptome sind also etwas anderes als die allgemeine Einschätzung milder Krankheitssymptome. Und keineswegs immer harmlos. Was als mild zählt, hängt hauptsächlich von den Folgen ab, die eine Erkrankung im schlimmsten Fall verursachen kann.

Milder Corona-Verlauf hat viele verschiedene Symptome

Doch wie fühlt sich eine milde Erkrankung nun bei Covid-19 an? Erfahrungen einer problemlosen Corona-Infektion folgen Berichte von Menschen, denen ein milder Verlauf über Wochen oder Monate Probleme bereitet haben. Auch in Sozialen Netzwerken berichten Menschen immer wieder über als mild definierte Verläufe, die sich für sie eher als sehr krank angefühlt haben. 

Diese Berichte bieten Einblicke, sind aber natürlich nicht repräsentativ. Dr. Gwen Rabe kann dies „zum Glück nicht aus eigener Erfahrung sagen, da ich mich bisher nicht infiziert habe.“ Aber sie kann einen Überblick darüber geben, wie es den Covid-19-Patientinnen und -Patienten ihrer Praxis ergeht. „Einige Patienten merken tatsächlich kaum etwas von ihrer Infektion, öfter wird über Geruchs- und/oder Geschmacksverlust berichtet, der teilweise auch über Wochen bis Monate bestehen bleibt. Viele haben Infektsymptome mit Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit, manche auch eher Magen-Darm-Symptome mit Durchfall.“ Allerdings gebe es so viele verschiedene Symptome und Verläufe, „dass man das auch nicht generell sagen kann.“ Die Palette, die Covid-19 auch bei milden Erkrankungen anbietet, ist breit.

Langzeitfolgen trotz leichter Corona-Erkrankung

Die Freude darüber, dass die Omikron-Variante häufiger mildere Covid-19-Verläufe verursacht, sollte also nicht allzu euphorisch ausfallen. „Die Symptome eines milden Verlaufs und auch die potentiellen Folgen werden schon teilweise nicht so ernst genommen“, findet Rabe. Für sie bedeute ein milder Verlauf zunächst einmal nur, dass kein Aufenthalt im Krankenhaus nötig ist. Auch ohne stationäre Behandlung können Symptome schwerwiegend ausfallen und das Leben der Infizierten über Wochen oder Monate im Griff haben, Stichwort Long Covid. „Ich glaube, dass viele Menschen, die Covid-19 durchgemacht haben und sich danach lange Zeit nicht mehr so belastbar fühlen wie vorher – oder auch über Wochen bis Monate nicht mehr schmecken können – dadurch deutlich beeinträchtigt sind.“

Von Long Covid betroffene Menschen brauchen oft eine lange Zeit, bis sie sich ähnlich unbeschwert bewegen können wie vor der Infektion. Zu den häufigsten Symptomen zählen sehr starke Fatigue (Müdigkeit), Konzentrationsschwäche und Atemprobleme. Aufgrund des jungen Alters dieser Krankheit ist das Wissen über Long Covid noch ebenso beschränkt wie die Möglichkeiten zur Behandlung. „Solange man Long Covid noch nicht wirklich verstanden hat, kann man die Krankheit nur schwer behandeln“, sagte die Kölner Infektiologin Clara Lehmann, Leiterin der Post-Covid-Ambulanz der Kölner Uniklinik, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Ein Long-Covid-Medikament gibt es nicht, weshalb sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome beschränkt.

Long Covid: Auch milde Verläufe verursachen Probleme

Laut einer Studie der Kölner Uniklinik hatten rund 13 Prozent der Patientinnen und Patienten mit überwiegend mildem Covid-19-Verlauf Long-Covid-Symptome. Die Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, die ebenfalls an den Langzeitfolgen von Covid-19 forscht, kommt zu höheren Ergebnissen. Laut den Forschenden gaben 40 Prozent der Sars-CoV-2-Infizierten Long-Covid-artige Symptome, die über mindestens sechs Monate andauern, an. Betroffen seien „nicht nur Personen mit schwereren Verläufen der akuten Infektion, sondern auch die weitaus größere Zahl der Infizierten mit milden oder asymptomatischen Verläufen und ohne medizinische Behandlung in der akuten Erkrankungsphase.“

Darauf weist auch Dr. Gwen Rabe hin. Dass Infizierte Probleme mit Langzeitfolgen bekommen, könne auch passieren, „wenn der eigentliche Verlauf als mild bezeichnet wird“, sagt Rabe. Dazu passen die Ergebnisse einer Studie aus den USA, nach denen sich auch eine milde Infektion nachhaltig auf das Gehirn auswirken kann. Mit der ursprünglichen Definition des Begriffs „mild“ hat das dann nur noch wenig zu tun.

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Bei all den Problemen, die auch ein milder Covid-19-Verlauf verursachen kann, soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass es ja auch viele asymptomatische Verläufe gebe, wie Rabe betont. „Man weiß nur vorher und auch während der Infektion nicht sicher, wie es bei einem selbst wird.“ Die Omikron-Variante sorgt hier für etwas Licht im Dunkeln. So könnten Infizierte darauf hoffen, „dass sie keine oder nicht so starke Symptome entwickeln und sich wie bei einem grippalen Infekt fühlen.“ Die Wahrscheinlichkeit für einen leichteren Verlauf mit weniger kurz- und langfristigen Auswirkungen sei höher, „aber eben nicht 100 Prozent. Aus meiner Sicht ist die Impfung gegen Covid-19 die einzige Möglichkeit, sich gegen schwere Verläufe zu schützen.“

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