Mit Wetter in EchtzeitIm Flugsimulator über den Kölner Dom kreisen – so geht das

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Köln im Sunnesching 

Köln – Klemmen Sie sich doch einfach mal hinter das Steuerhorn und drehen Sie eine Runde über Ihre Heimatstadt. Schauen Sie sich den Dom von allen Seiten an. Wenn Sie etwas Zeit haben, folgen Sie dem Flusslauf und schauen mal in Amsterdam vorbei oder ändern Sie Ihren Kurs in nordöstliche Richtung, um sich die Hamburger Speicherstadt aus der Nähe anzuschauen. Ab heute ist das alles so einfach und preisgünstig möglich wie noch nie.

Beim sechsten „World Update“ des „Microsoft Flight Simulator“ wurde das digitale Abbild unserer Erde nämlich um zahlreiche regionale Details und aktuelles Material aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erweitert: das Riesenrad im Wiener Prater, das Großmünster in Zürich, die Kathedrale Notre-Dame in Lausanne und viele weitere Gebäude und Regionen. Um all diese Sehenswürdigkeiten zu besuchen, braucht man nur einen halbwegs aktuellen PC oder eine Xbox Serie X/S.

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Viele regionale Details werden sichtbar, wenn sich die Spieler in den Himmel über Köln begeben.   

Auch alle, die es etwas weiter hinauszieht, werden fündig: 37.000 Flughäfen, zwei Millionen Städte und 1,5 Milliarden Gebäude sind inzwischen Teil des interaktiven Globus, inklusive Bergen, Straßen, Gewässern und unzähligen Bäumen. Licht und Schatten verändern sich mit den Tageszeiten, es gibt sogar Live-Wetter samt exakter Temperatur, Windgeschwindigkeit und -richtung und Luftfeuchtigkeit. Wer will, kann also auch mal eben nach Neuseeland fliegen, um zu schauen, wie das Wetter dort ist.

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Weltreise statt Netflix – die Cloud macht’s möglich

All das wird von künstlicher Intelligenz auf der Grundlage einer gigantischen Datenbasis berechnet. Zwei Petabyte kommen da zusammen, wer sie auf DVD brennen wollte, bräuchte dafür rund 400.000 Rohlinge. Da niemand eine so große Festplatte hat, werden die Daten in Echtzeit aus der Microsoft-Cloud Azure in die Häuser der Bildschirmpiloten gestreamt. Ohne die heute fast flächendeckend verfügbaren schnellen Internetzugänge wäre das nicht möglich.

Und ebenso wie die Welt ist auch die Simulation nicht statisch, sondern einem ständigen Wandel unterworfen. So arbeitet das rund 250-köpfige Entwicklerteam an der Erweiterung und Aktualisierung der Parallelwelt.

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Der Kölner Dom von oben

Bei den regelmäßigen „World-Updates“ erfahren einzelne Länder und Regionen eine Überarbeitung. „Um die 100 Sehenswürdigkeiten kommen da jedes Mal dazu“, erklärt „Flight Simulator“-Chef Jörg Neumann. „Wir verbessern Regionen auf der Grundlage neuer Satellitendaten, Luftaufnahmen und vieler weiterer digitaler Informationen über unsere Erde. „Ich spreche mit allen möglichen geografischen Instituten und sage denen: Die Daten werden mit Steuergeldern erhoben, warum sind die nicht öffentlich zugänglich?“ In der Regel seien die Befragten sehr kooperativ, zumindest im europäischen Raum. „Für Nordkorea haben wir weit weniger detailliertes Material“, lacht Neumann. Außerdem kann das im Hause Microsoft beheimatete Projekt auf das von Hunderten von Mitarbeitern zusammengetragene Material des Kartendienstes Bing Maps zurückgreifen.

Die Welt in Echtzeit

All das wird von dem „Flight Simulator“-Team und dem in Bordeaux ansässigen Asobo Studio überarbeitet und für die hochauflösende 3D-Darstellung im Simulator aufbereitet. Grundlage sind Luftaufnahmen von speziellen Kameras, die jede Sekunde ein Bild machen, so wie Infrarotaufnahmen. „Die Kameras können durch den Baumbestand hindurchmessen und so feststellen, wie hoch das Gelände an einem bestimmten Punkt ist. Darauf setzen wir dann unsere eigenen Bäume. Wir haben rund 500 Baumarten erstellt und wissen genau, wo was wächst, sodass wir ein ziemlich exaktes Abbild der Realität bekommen.“

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Oder auf nach Paris? Aussicht mit Eiffelturm zum Greifen nah.

Wer im Cockpit Platz nimmt und sucht, findet vielleicht sogar sein eigenes Wohnhaus. „Wir sehen auf den Luftbildern, dass an einem bestimmten Ort ein Haus steht“, beschreibt Jörg Neumann den Entstehungsprozess. „Anhand des Daches können wir Rückschlüsse ziehen, was für eine Art von Haus das ist, und bauen das dann nach.“ Dabei hört der Perfektionismus noch lange nicht auf. So werden für authentische Wetterbedingungen die Daten von 80.000 Wettermessstellen ausgewertet. Um künftig zum Beispiel den Weg von Elefanten- und Walherden nachzuvollziehen, arbeitet man bereits mit einem Fraunhofer-Institut zusammen.

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Wer will, kann von oben dem Flusslauf folgen.

Digitales Technikmuseum

Und dann sind da auch noch die Flugzeuge. Die werden im Schulterschluss mit den Herstellern in Form detaillierter 3D-Modelle reproduziert und sollen sich auch in der Simulation so fliegen lassen wie in der Realität. „Der Aspekt, ein digitales Technikmuseum zu errichten, ist mir extrem wichtig“, so Neumann. Auch die Zukunft wird nicht ausgeblendet. So werden in der Simulation nach dem aktuellen Update Landeplätze für die sogenannten Volocopter zu finden sein, die elektrischen Flugtaxis des gleichnamigen deutschen Start-ups. Richtige Helikopter sollen bald folgen.

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Derzeit ist man im „Flight Simulator“ meistens allein unterwegs. Die Entwicklung gehe aber klar Richtung Multiplayer, so „Flight Simulator“-Chef Neumann. Bereits im Herbst wird es das „Reno Air Race“ geben, das schnellste Flugzeugrennen der Welt, bei dem man sich mit 500 Meilen pro Stunde, 50 Fuß über dem Boden gegenseitig jagen kann.

Microsoft ist ein Wirtschaftsunternehmen. Und solche Neuerungen tragen der Tatsache Rechnung, dass man schon etwas Spektakel braucht, um dauerhaft erfolgreich zu sein. Es ist zu hoffen, dass die Entwickler es damit nicht übertreiben und der „Flight Simulator“ bleibt, was er für die meisten Fans ist: eine wunderbare Möglichkeit, dem tristen Alltag einfach mal in höhere Sphären zu entschweben.

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