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Hoher BesuchMichael Kretschmer in Bad Münstereifel: Gemeinsam Lehren aus der Flut ziehen

6 min
Ingo Pfennings, Michael Kretschmer, Sabine Preiser-Marian und Ronny Großer sitzen an einem Tisch.

Erfahrungsaustausch: Ingo Pfennings (v.l.), Michael Kretschmer, Sabine Preiser-Marian, Ronny Großer

Die Sachsen hatten 2002 und 2013 folgenschwere Hochwasser, die Menschen im Kreis Euskirchen 2021. In Bad Münstereifel kam es zum Erfahrungsaustausch.    

Ingo Pfennings hat die Bilder noch vor Augen: Gerhard Schröder an der Elbe. Wie rasch der damalige Kanzler damals zunächst in die Gummistiefel und dann in den Hubschrauber stieg, um den Menschen in Sachsen vor Ort schnell die Hilfe des Bundes zuzusichern – und damit wohl seine Wiederwahl 2002 rettete!

Daran erinnerte Pfennings, als am Sonntagabend der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer im Bad Münstereifeler Rathaus neben ihm saß. Man wolle sozusagen eine Brücke zwischen der Eifel und Sachsen bauen, so Pfennings.

Michael Kretschmer ging gleich mal in die Charmeoffensive

Kretschmer war schon kurz zuvor in die Charmeoffensive gegangen, als ihn die Bürgermeisterin und CDU-Landratskandidatin Sabine Preiser-Marian vor dem Rathaus empfing. Den schönsten Termin des Tages habe er sich für den Schluss aufgehoben, so Kretschmer lachend.

Der CDU-Kreisverband hatte den prominenten Gast zu einem Fachgespräch eingeladen – unter der Überschrift „Hochwasserschutz – Lernen aus der Katastrophe“. Etwa 25 Gäste, zumeist CDU-Mitglieder, waren gekommen.

Denn was es bedeutet, von Fluten heimgesucht zu werden, haben sowohl die Sachsen als auch die Kreis Euskirchener bitter erfahren müssen. Als Preiser-Marian am Sonntag Fotos aus der Kernstadt Bad Münstereifels vom 15. Juli 2021 auf die Leinwand warf, nickte der Gast aus Sachsen vielsagend.

CDU-Kreischef Pfennings kritisiert Regierung Scholz/Habeck/Lindner

Diese Fotos führten ihm wieder die Bilder von 2002 und 2013 vor Augen, als die Sachsen von Hochwassern heimgesucht worden waren, erklärte er. Aber alle Achtung, was die Münstereifeler, ihre Bürgermeisterin und deren Team in den vergangenen vier Jahren an Aufbauleistung erbracht hätten, fügte Kretschmer hinzu: „Ich bin beeindruckt.“ Nordrhein-Westfalen sei schon viel weiter als Rheinland-Pfalz.

Und das – so viel Wahlkampf darf's dann schon sein – liege auch an der schnellen und ziemlich unbürokratischen Hilfe der Landesregierung seines Amts- und Parteikollegen Hendrik Wüst. „Das ist eine Sache des Vertrauens“, so Kretschmer. Genau das habe er bei der Ampelregierung vermisst.

Ein Ball, den Ingo Pfennings gerne aufnahm: Zwar habe auch der Bund für Wiederaufbaumaßnahmen sehr viel Geld bereitgestellt, über das aber nicht das Personal abgerechnet werden könne, das diese Maßnahmen plane, genehmige und realisiere – mit der Folge, dass er als Bürgermeister von Schleiden zehn Stellen für 1312 Baumaßnahmen habe, so Pfennings. Davon seien acht Stellen derzeit besetzt.

Dass wir bei der Infrastruktur nicht vorankommen, ist demokratieschädigend.
Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen

Wie er vom Land erfahren habe, habe Finanzminister Lindner argumentiert, dass man ja nicht sicherstellen könne, dass ein solcher Mitarbeiter wirklich nur am Wiederaufbau und nicht etwa auch an Vorhaben arbeite, die mit der Flut in keinen Zusammenhang stünden. „Das hätte Angela Merkel anders gemacht“, befand Kretschmer.

Preiser-Marian lobte unterdessen die Landesregierung, zuvorderst Kommunalministerin Ina Scharrenbach. Die habe nicht nur die Millionen Euro schweren Förderbescheide vorbeigebracht, so die Bürgermeisterin: „Sie hat auch immer wieder nachgefragt, wie sie helfen kann – auch, wenn keine Presse dabei war.“

Kretschmer: Warnsysteme haben in Sachsen Flutschäden gemindert

203 Millionen Euro erhält die Kurstadt aus dem Wiederaufbaufonds für die Kernstadt und die 57 Ortschaften, die 2021 alle in Mitleidenschaft gezogen worden seien – die einen weniger, die anderen umso mehr, erläuterte Preiser-Marian.

Gut zehn Prozent dieser Summe gehe in Maßnahmen für den Schutz vor kommenden Hochwassern. Wie wichtig das ist, wusste Kretschmer aus seiner Heimat zu berichten: „2003 hatten wir einen Schaden von neun Milliarden Euro, 20 Menschen kamen ums Leben.“

Als dann zehn Jahre später erneut das Wasser in ähnlicher Weise über die Ufer getreten sei, sei der Schaden nur ein Zehntel so groß gewesen: „Weil man es geschafft hat, ein Hochwasserwarnsystem aufzubauen.“ Die Menschen seien frühzeitig gewarnt worden, konnten ihr Hab und Gut sowie schließlich sich selbst in Sicherheit bringen.

Verbände: Beim Hochwasserschutz sind alle gefordert

Daran werde nun auch hierzulande intensiv gearbeitet, versicherten die eingeladenen Vorstände der Wasserverbände, Dr. Joachim Reichert (Wasserverband Eifel-Rur), und Professor Heinrich Schäfer (Erftverband). Das geschehe auf drei Ebenen, so Schäfer: technisch durch den Bau von Hochwasserspeichern, natürlich, indem den Gewässern wieder Platz eingeräumt werde und durch Vorsorge beim Bau, im Verhalten und in der Risikovorsorge. „Da sind vor allem die Bürgerinnen und Bürger gefordert“, so Schäfer. Daher leisteten seine Mitarbeiter und er auch viel Überzeugungsarbeit.

Doch wie ist es um die Bereitschaft der Menschen gestellt? Teils, teils, so die Politiker und Experten. Den einen könne es gar nicht schnell genug gehen, andere seien hingegen sehr zurückhaltend – vor allem, wenn ihre Flächen für Schutzbauten infrage kämen.

Andererseits, so Reichelt, hätten die Ereignisse vom Juli 2021 auch Augen geöffnet. Wäre er vor der Flut etwa mit Plänen für eine Talsperre im Platißbachtal in Hellenthal vorstellig geworden, „wäre mir das politisch zerschossen worden“, so Reichert.

Ohne Talsperren wären die Folgen der Flut noch viel schlimmer gewesen

Inzwischen mag sich aber niemand mehr ausmalen, wie viel gravierender die Folgen noch gewesen wären, hätten die Talsperren in der Region  2021 nicht 39 Millionen Kubikmeter Wasser in 24 Stunden zurückgehalten hätten. Da sieht man den Bau nicht mehr ganz so kritisch.

Auch, wenn die Hürden für derartige Maßnahmen immer noch sehr hoch seien: hier eine seltene Wiesenart, dort eine Fläche, die der Eigentümer partout nicht verkaufen möchte. Dass mit dem zeitlichen Abstand zur Flut auch die Kompromissbereitschaft Einzelner sinke, habe man auch in Sachsen erkennen müssen, pflichtete Kretschmer bei. Dagegen helfe nur, mit den Menschen zu reden.

Ich spreche da mal mit dem Hendrik drüber.
Michael Kretschmer möchte mehr Zusammenarbeit zwischen Sachsen und NRW

Es sei ein Webfehler der Politik, so Reichelt, dass unter den drei Kategorien Umwelt, Eigentum und öffentliches Interesse letzteres im Abwägungsprozess nicht vorrangig behandelt werde.

Da müsse die Politik Pflöcke einschlagen, die es unteren Entscheidungsebenen leichter mache, Genehmigungen zu erteilen, ohne Angst vor drohenden Prozessen zu haben. Auch hier stimmte Kretschmer zu: „Dass wir bei der Infrastruktur nicht vorankommen, ist demokratieschädigend.“

Und nun? Kretschmer wartete gegen Ende des Gesprächs mit einer Idee auf. Einen solchen Austausch wie in Bad Münstereifel könne er sich auch auf der Länderebene zwischen NRW und Sachsen vorstellen: „Ich spreche da mal mit dem Hendrik drüber.“ Zwar passt nicht alles eins zu eins, wie der für die Stadt Bad Münstereifel tätige Wiederaufbau-Projektplaner Ronny Großer, ein Landsmann von Kretschmer, erklärte: etwa unterschiedliche, geografische Strukturen und seit 2003 veränderte Auftragsverfahren sowie rasant gestiegene Baupreise.

Dennoch könne man auch viel voneinander lernen, befand Kretschmer, der in diesem Zusammenhang Georg Milbrand, einen seiner Vorgänger, zitierte: „Wissen erlangt man durch Erkenntnis oder Erfahrung, aber die Erfahrung ist immer teurer.“

Man müsse aber aus den Erfahrungen lernen.