DiskussionHarald Welzer sprach in Vogelsang über Klimawandel und Grenzen des Wachstums

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Christoph Heup und Prof. Harald Welzer sitzen auf der Bühne nebeneinander.

Über die Folgen des Klimawandels und die Notwendigkeit von Veränderungen in der Gesellschaft sprach Christoph Heup (l.) mit Prof. Harald Welzer.

Unter dem Titel „Die fetten Jahre sind vorbei?“ diskutierte Prof. Harald Welzer in Vogelsang über den Klimawandel und Grenzen des Wachstums.

Eines ist für Prof. Dr. Harald Welzer klar: Die bisherigen Versuche, beim Kampf gegen den Klimawandel Verhaltensänderungen bei den Menschen zu erzielen, waren erfolglos. Deshalb müsse eine andere Vorgehensweise gewählt werden: „Wer Menschen zu Veränderungen motivieren will, muss einen positiven Ansatz verfolgen und aufzeigen, dass das Leben der Menschen besser wird als vorher.“

Welzer war auf Einladung der Rotkreuz-Akademie nach Vogelsang gekommen, um bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Titel „Die fetten Jahre sind vorbei?“ über den Klimawandel und die Grenzen des Wachstums zu sprechen.

Harald Welzer beklagt in Vogelsang die geringe Veränderungsbereitschaft

Der Soziologe, Sozialpsychologe und Publizist beklagte in seinem Vortrag die geringe Veränderungsbereitschaft der Menschen: „Es fehlt an Aktivitäten, um dem Klimawandel zu begegnen.“ Trotz aller Warnungen, apokalyptischer Filme und aller wissenschaftlichen Expertisen sei es nicht gelungen, den Konsum zu reduzieren. Dafür gebe es eine einfache Erklärung: „Wissen hat mit Handeln wenig zu tun.“

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Menschen würden nicht auf der Basis von Wissen agieren, sondern auf der Grundlage von Beziehungen: „Die Menschen wollen geliebt und gemocht werden. Und wenn jemand meint, dass man ihn gut findet, weil er einen SUV fährt, dann wird er das auch weiter tun.“

Maria Schmidt sitzt mit einem Mikro in der Hand auf der Bühne.

Berichtete von ihrer Arbeit mit Kindern in Vogelsang: Die Leiterin des Projekts „Erste Hilfe für das Klima": Maria Schmidt.

Seit Jahrzehnten würden Wissenschaftler wie der amerikanische Ökonom Dennis Meadows vor den Auswirkungen des grenzenlosen Wachstums warnen: „Man hätte seitdem vieles verändern müssen in Richtung Nachhaltigkeit. Stattdessen hat man aber nicht nur so weiter gemacht, sondern immer mehr produziert und Ressourcen verbraucht.“ Das erste Gebot heiße: „Du sollst kaufen.“

Harald Welzer fordert das Durchbrechen des Teufelskreises

An dieser Vorgehensweise habe sich auch aktuell nichts geändert: „Autos werden immer größer, Kreuzfahrten werden wie blöde gebucht.“ Das Problem sei nur, dass die Kosten steigen, um die Schäden dieses Wirtschaftens zu beseitigen. Unternehmen würden eine Unmenge von Daten sammeln, nur um Menschen passgenaue Werbung zu liefern und noch mehr unnötige Dinge zu verkaufen.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müsse eine „andere Geschichte erzählt“ werden. „Niemand will etwas müssen müssen“, meinte Welzer auch mit Blick auf die Politik der Grünen. Vielmehr müsse den Menschen vor Augen geführt werden, dass ihr Leben besser werde, wenn sie etwas ändern. Das sei auch der Ansatz von Futurzwei, der von Welzer ins Leben gerufenen gemeinnützigen Stiftung: „Wir besuchen Menschen und Unternehmen, die in puncto Nachhaltigkeit und Sozialstandards neue Wege gehen, und stellen sie als gute Beispiele vor.“

Rolf Zimmermann präsentiert seine Dankmedaille, Dr. Alexander Schröder-Frerkes steht neben ihm.

Rolf Zimmermann (l.) erhielt für sein außergewöhnliches Engagement für das Rote Kreuz von Dr. Alexander Schröder-Frerkes die Dankmedaille des Verbands.

Dabei müsse Nachhaltigkeit gar nicht neu erfunden, sondern nur reaktiviert werden. In früheren Zeiten sei es selbstverständlich gewesen, dass alles verwertet und nichts weggeworfen wurde. Daran müsse man nur wieder anknüpfen. Abfall sei eine Erfindung des 20. Jahrhunderts.

Moderator Christoph Heup, Redaktionsleiter der Kölnischen Rundschau und des „Kölner Stadt-Anzeiger“ im Kreis Euskirchen, hatte Bedenken: „Ich höre Ihnen zu und gebe Ihnen oft recht. Aber ist Ihr Konzept bei einer Weltbevölkerung im Milliardenbereich massentauglich?“ Wachstum habe den Menschen bislang eine Perspektive geboten. „Großflächige Veränderungen brauchen immer ziemlich lange“, hielt Welzer dagegen.

„Die Politik ist nicht kreativ und die Wissenschaft oft konservativ“

„Sie wollen den Menschen etwas wegnehmen“, warf Heup dem Soziologen vor. Die Frage sei, so Welzer, ob man den Menschen wirklich etwas wegnehme, wenn es beispielsweise keine Kreuzfahrten mehr gebe. Eine autofreie Stadt sei lebenswerter, auch wenn es keinen Klimawandel gebe. Einig waren sich Welzer und der Moderator, dass auch ordnungspolitische Maßnahmen und finanzielle Anreize nötig seien, um das Verhalten der Menschen zu ändern.

Relevante Veränderungen, so Welzer, kämen immer von unten: „Die Politik ist nicht kreativ und die Wissenschaft oft konservativ.“ Für die Umsetzung würden aber alle Akteure benötigt. Wichtig seien in dem Zusammenhang auch die Schulen: „Sie müssen Modelle des richtigen Lebens sein.“ In mehreren Wortmeldungen aus dem Publikum wurde betont, wie wichtig es ist, die Kinder bei dem Prozess mitzunehmen.

Rolf Zimmermann, Leiter des Rotkreuz-Museums: „Wir sind alle gefordert. Jeder muss mitmachen.“ Der erste Schritt sei der wichtigste. Anschließend wurde Zimmermann für sein außergewöhnliches Engagement in Vogelsang und darüber hinaus von Dr. Alexander Schröder-Frerkes, dem Präsidenten des DRK-Landesverbandes Nordrhein, mit der Dankmedaille geehrt.

Maria Schmidt, die das Projekt „Erste Hilfe für das Klima“ für Jugendliche aus Flutgebieten in Vogelsang leitet, berichtete von ihrer Arbeit, in deren Rahmen sich Kinder und Jugendliche mit dem Klimawandel beschäftigen.

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