Mit KI Stromkosten senken, Netze entlasten und CO₂ sparen: Das Euskirchener Start-up „Fluxonos“ macht die Energiewende greifbar.
Dank KISo hilft das Euskirchener Start-up „Fluxonos“ Mietern, beim Strom Geld zu sparen

Im Wohnquartier „Südstadtgärten“ an der Pappelallee soll dank Künstlicher Intelligenz Geld gespart werden.
Copyright: Tom Steinicke
Stromkosten um 30 Prozent senken, Netze entlasten und gleichzeitig den CO₂-Ausstoß reduzieren – was nach politischem Wunschdenken klingt, haben drei Unternehmer aus Euskirchen zur Realität gemacht. Mit „Fluxonos“ haben Jörg Wiskirchen, Dr. Thomas Kesseler und Paul Schmitz ein intelligentes Energiemanagementsystem entwickelt, das Wohnungswirtschaft und Mittelstand effizienter, günstiger und klimafreundlicher mit Strom und Wärme versorgt.
Die Ausgangslage ist ernüchternd: steigende Stromkosten, schlecht ausgenutzte Photovoltaikanlagen, unflexible Wärmepumpen. Doch genau da setzt Fluxonos an. Das System vernetzt Photovoltaik, Wärmepumpen, Batteriespeicher und Verbraucher über eine KI-Steuerung, die Börsenstrompreise, Wetterdaten und Verbrauchsprofile berücksichtigt. „In einem Studentenwohnheim wird eher nicht morgens geduscht, sondern am Mittag“, sagt Wiskirchen mit einem Augenzwinkern. Entsprechend müsse die Wärmepumpe nicht schon um 6 Uhr warmes Wasser herstellen, wenn der Strom auch noch recht teuer im Einkauf sei.
Durch moderne Technik: Strom wird für Mieter günstiger
Stattdessen könne ein verbauter Pufferspeicher dann erhitzt werden, wenn die Sonne scheint oder die Strompreise niedrig sind. Die Batterie lädt in Zeiten günstiger Tarife und gibt Energie wieder ab, wenn der Preis hoch ist. Das Ergebnis: Der Stromverbrauch werde in kostengünstige und netzdienliche Zeiten verschoben, der Eigenverbrauch von PV-Strom steige auf bis zu 100 Prozent, erklärt Wiskirchen.
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Getestet wurde die Technologie erstmals im Neubaugebiet Südstadtgärten in Euskirchen unter Realbedingungen. Dort versorgen ein kaltes Nahwärmenetz, fünf Heizzentralen mit Wärmepumpen und Aufdach-PV-Anlagen 104 Wohneinheiten.
Nutzung des Stroms aus PV-Anlage auf fast 100 Prozent gesteigert
Vor der Einführung von Fluxonos wurde laut dem Unternehmen Wiskirchen nur rund 30 Prozent des Solarstroms selbst genutzt – der Rest teuer aus dem Netz eingekauft.
Nach Integration der KI-Steuerung liege die Eigenstromnutzung bei nahezu 100 Prozent. Die Eigenverbrauchsquote sei deutlich erhöht worden und damit der Strombezug für die Heizung um bis zu 30 Prozent gesenkt werden könne, so die Start-up-Chefs.
Wir konnten im Pilotprojekt die Kosten des Stromeinkaufs um rund ein Drittel senken. Das reduziert die Wohnnebenkosten deutlich und dauerhaft.
„Wir konnten im Pilotprojekt die Kosten des Stromeinkaufs um rund ein Drittel senken. Das reduziert die Wohnnebenkosten grundsätzlich deutlich und dauerhaft – und bringt die Energiewende auf ein neues Level“, erklärt Mitgründer Dr. Thomas Kesseler.
Dass die Idee Potenzial hat, hat sich schnell herumgesprochen: Während im Januar dieses Jahres die Gedanken noch frei waren und es lediglich ein Hirngespinst gab, besuchte nun – knapp sieben Monate später – NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) das junge Unternehmen im Rahmen ihrer „Gigawatttour“.
Gemeinsam mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft informierte sie sich über die Lösung, die bereits jetzt für große Aufmerksamkeit in der Wohnungs- und Energiewirtschaft sorgt. Unter anderem waren Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt und Landrat Markus Ramers dabei. Das junge Unternehmen Fluxonos ist inzwischen Mitglied im Gigawattpakt Rheinisches Revier – und positioniert sich damit als innovativer Treiber für die regionale Energiewende.
Offenes System, das möglichst einfach gehalten werden soll
Die Gründer sehen die Zukunft nicht nur im Neubau, sondern auch im Altbestand und im Mittelstand. „Bestehende Heizungsanlagen können durch die smarte Steuerung effizienter betrieben, Lastspitzen geglättet und Energiekosten nachhaltig gesenkt werden“, erklärt Paul Schmitz: „Unsere Lösung ist systemoffen und funktioniert mit Anlagen verschiedener Hersteller. Sie ist so ausgelegt, dass sie jeder Elektriker oder Heizungsbauer unkompliziert installieren kann – quasi Plug and Play.“ Einzige Voraussetzung sei, dass als Energielieferant Strom eingesetzt werde und nicht Gas oder Öl – zumindest nicht ausschließlich.
Fluxonos zeige, wie praxisnah Energiewende sein könne, betont Thomas Kesseler: „Keine theoretischen Szenarien, sondern konkrete Einsparungen, die Mieter und Unternehmen sofort spüren.“ Mit einer Amortisationsdauer von nur ein bis zwei Jahren für die Steuerung rechne sich das System schnell – und bringe dabei ökologische wie ökonomische Vorteile. „Am Ende geht es darum, Energie dann zu verbrauchen, wenn sie günstig und klimafreundlich verfügbar ist“, fasst Kesseler zusammen: „Genau das ermöglicht Fluxonos – und zwar heute schon.“
Das Unternehmen solle, so die Gründer, langsam, aber stetig wachsen. Dabei liege der Fokus nicht auf dem Besitzer eines Einfamilienhauses, sondern auf Objekten mit sechs oder mehr Parteien – oder eben auf dem Mittelstand-Handwerkerbetrieb. Zudem biete das Konzept auch Einsparmöglichkeiten bei Klimaanlagen und Co.
Die wohl erste PVT-Anlage auf einem größeren Bauvorhaben
Im Kreis Euskirchen wird zurzeit erstmals eine PVT-Anlage auf einem größeren Bauvorhaben installiert – ein weiterer Baustein auf dem Weg zu energieautarken Quartieren. PVT steht für Photovoltaik-Thermie und bezeichnet Module, die gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen. Auf der Vorderseite wandeln sie Sonnenlicht in elektrische Energie um, auf der Rückseite wird die dabei entstehende Abwärme genutzt, um Wasser zu erwärmen oder Heizsysteme zu unterstützen.
Das Besondere daran: Durch die Abfuhr der Wärme bleiben die Solarzellen kühler und liefern mehr Strom als herkömmliche PV-Module. Installiert werden die Elemente laut Jörg Wiskirchen, Geschäftsführer der Baugesellschaft G&S, auf dem Bauprojekt „Wohnen am Stadtpark“ am Jülicher Ring. Dort entstehen 38 Wohnungen und eine Tagespflegeeinrichtung der Caritas. Die Wohnungen haben eine Fläche von 40 bis 71 Quadratmetern. Das Gebäude wird laut Wiskirchen mit energieeffizienter Erdwärme versorgt.
NRW-Ministerin Mona Neubaur zeigt sich von Projekt begeistert
Das Rheinische Revier macht Ernst mit der Energiewende. Bei ihrer „Gigawattpakt“-Tour besuchte NRW-Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur nun mit Bodo Middeldorf, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Rheinisches Revier, auch Euskirchen. Der Grund: Auch in der Kreisstadt wird mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien die Energiewende vorangetrieben.
In Euskirchen war Neubaur in den sogenannten Südstadtgärten, einem Wohnquartier in der Südstadt. „Energiewende heißt Zukunft sichern – bezahlbar und unabhängig. Das Rheinische Revier zeigt, was das bedeutet: Bewohnerinnen und Bewohner nutzen nachhaltig vor Ort erzeugten Strom und Wärme, Betriebe beziehen saubere Energie direkt vom Windrad nebenan – und all das günstig und planbar“, so die Ministerin.

Mona Neubaur, NRW-Wirtschaftsministerin, war in Euskirchen und schaute sich das Start-up Fluxonos in Euskirchen an. Dabei wurde sie von zahlreichen politischen Vertretern begleitet.
Copyright: Tomaz Rodriguez
Projekte wie das in Euskirchen verbinden laut der Ministerin „Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit und schaffen so die Voraussetzungen für eine lebenswerte Region mit zukunftssicheren Jobs und attraktiven Bedingungen für Investitionen.“ Doch was ist eigentlich der Gigawattpakt? Rund 60 Landkreise, Kommunen, energiewirtschaftliche Unternehmen, Projektierer und die Landesregierung NRW, vertreten durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE), haben sich im März 2022 zum Bündnis Gigawattpakt zusammengeschlossen.
Gemeinsames Ziel ist es, den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Rheinischen Revier voranzutreiben. Konkret: Die installierte Stromerzeugungsleistung der Erneuerbaren soll bis zum Jahr 2028 auf mindestens fünf Gigawatt ausgebaut werden. Der Gigawattpakt wird dabei als gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt betrachtet, bei dem jeder Akteur dazu aufgerufen ist, seinen Beitrag zu leisten.