Interview zur Hochwasserforschung"Man muss den Klimawandel künftig mit einplanen"
Lesezeit 4 Minuten
Zahlreiche Häuser in Schuld im Kreis Ahrweiler sind zerstört.
Copyright: dpa
ANZEIGE
ANZEIGE
Köln/Potsdam – Kai Schröter (45), arbeitet in Potsdam am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ, Sektion Hydrologie. Schröter ist tätig in der Hochwasserrisikoforschung und untersucht die Dynamik und die Interaktionen von hydrologischen Mensch-Umwelt-Systemen. Er kümmert sich um Modellierung und Simulation, Vorhersage und Analyse von hydrologischen Extremen, der Charakterisierung der damit verbundenen Risiken und der Abschätzung der Auswirkungen des Klimawandels. Im Interview spricht er über die Ursachen für unnatürliche Hochwasser und warum diese in Zukunft häufiger auftreten könnten.
Herr Schröter, sind Sie überrascht vom Ausmaß des Hochwassers im Rheinland – oder muss man mit solchen Ereignissen rechnen ?
Kai Schröter: Hochwasser sind Extreme im natürlichen Wasserkreislauf. Im aktuellen Fall ist das ein sehr großes Hochwasser – in einer immer noch dynamischen Lage. Grundsätzlich ist mit so etwas schon zu rechnen, nicht jedes Jahr natürlich, aber das kann schon vorkommen.
Wir sind hier im Themenbereich Klimaerwärmung, Flächenversiegelung, Sturz- und Starkregenereignisse, starke Verdunstung...Ja, das sind wichtige Punkte. Es ist nicht nur der Regen, der zum Hochwasser führt, sondern auch der Boden: Wie viel Wasser kann der Boden aufnehmen? Wohin fließt das Wasser ab? Und wie schnell fließt das Wasser ab? Da ist man direkt beim Thema Flächenversiegelung, Klimawandel...
Was sind die Erkenntnisse aus solch einem Extremereignis? Wie kann man sich schützen?Nicht alle Hochwasser sind gleich, das sind individuelle Ereignisse. Dennoch kann man Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Das betrifft zum Beispiel die Gefahrenabwehr während des Ereignisses: Die Frühwarnsysteme müssen funktionieren, die Informationen müssen ankommen und verstanden werden von den Betroffenen; Leib und Leben müssen gesichert und gerettet werden. In einem größeren Zusammenhang kann man die Muster der Ereignisse untersuchen: Welche Wetterlagen lösen welche Ereignisse aus? Woran erkennt man, wie extrem sich eine Wetterlage entwickelt? Dazu kann man Szenarien entwickeln und womöglich schützende Maßnahmen ergreifen.
Die Corona-Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass zum Beispiel das Gesundheits- und das Bildungssystem auf recht tönernen Füßen stehen. Was ist die Lehre aus den aktuellen Extremwetterereignissen? Ist unsere Infrastruktur katastrophentauglich?Das ist eine Abwägungsfrage. Solche Ereignisse sind natürlich sehr selten. Man berechnet also ein statistisches Mittel, wie häufig mit solchen Ereignissen zu rechnen ist. Wenn so etwas alle zehn Jahre oder seltener vorkommt, ist es eine Sache der Abwägung, wie viel man da in den Schutz investieren will. Die nächste Frage ist: Was wollen wir eigentlich schützen? Welche Schäden können wir durch Investitionen vermeiden? Und ist das Verhältnis ausgewogen? Geht es um Menschenleben? Das lässt sich schwer vorhersagen. Aber einen absoluten Schutz kann man nicht bezahlen – das ist ökonomisch und technisch nicht umsetzbar.
Teile von Ehrenfeld standen bereits früh am Mittwoch unter Wasser.
Copyright: Lioba Lepping
Muss man davon ausgehen, dass sich solche Ereignisse häufen? Das liegt in der Natur der Sache. Das sind Naturvorgänge, die da stattfinden. Da sind wir wieder bei den steigenden Temperaturen und den warmen Luftmassen – die Erderwärmung führt dazu, dass der hydrologische Kreislauf intensiver wird: Mehr Luftfeuchtigkeit, höhere Niederschlagspotenziale und natürlich eine höhere Häufigkeit solcher Ereignisse. Ja, das ist der Punkt.
Wie reagiert man darauf? Wie ist der Stand der Diskussion um eine Anpassung der städtischen und ländlichen Infrastrukturen – Deiche, Talsperren, Kanalisation und Entwässerung? Darüber denkt die Wasserwirtschaft schon lange intensiv nach. Aber, um das Beispiel der Kanalisation zu nehmen: Ein Ausbau der Kanalisation ist sehr teuer. Man sucht also nach Möglichkeiten, das Wasser erst gar nicht in die Kanalisation einlaufen zu lassen. Das könnte gehen über kleinere dezentrale Maßnahmen wie Gründächer, Rückhalteflächen und mehr Möglichkeiten zur Versickerung. Da gibt’s viele Ideen. Ein Problem ist aber auch hier: Man bewegt sich im unsicheren Raum, weil man nicht genau weiß, was auf einen zukommt.
Bereits am Dienstag waren die untersten Stufen des Rheinboulevards in Deutz überflutet.
Copyright: Martina Goyert
Was ist mit den Straßen, Autobahnen und dem Schienennetz?Die Entwässerung von Autobahnanlagen oder Stadtentwässerung allgemein verlangen Investitionen, die die nächsten 50 Jahre betreffen. Da stellt sich die Frage, ob die Annahmen, die wir heute zugrunde legen, in 50 Jahren noch Gültigkeit haben können. Also müsste man den Klimawandel in die Planungen schon miteinbeziehen – technisch und ökonomisch.. (khw)