Leverkusener KarnevalWie aus dem „Fastelabends-Spiel“ das heutige Rambazamba wurde

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Ein Karnevalswagen in Opladen, 1904 oder 1906

Das älteste Bild eines Zuges im heutigen Leverkusen: Opladen, 1904 oder 1906. Mitte rechts vor dem Wagen: der Ääzebär.

Die erste schriftliche Erwähnung des Karnevals im heutigen Leverkusen ist 366 Jahre alt.

Köln feiert 200 Jahre organisierten Karneval, aber was ist mit Leverkusen? Seit wann feiert man das mehrtägige Fest, um sich den Beginn der 40-tägigen Fastenzeit zu versüßen?

In Köln wie in den Gemeinden des heutigen Leverkusen ist das Fest viel älter als 200 Jahre. Die vermutlich älteste Erwähnung im heutigen Leverkusen stammt aus Lützenkirchen. Sie wurde vor 366 Jahren aufgeschrieben. 1657 weist das örtliche Schöffengericht die Schöffen und die Kirchmeister an, besonders auf das „Fastelabends-Spiel“ zu achten.

Unberechenbares „Fastelabendsspiel“

Von dem Karneval, wie wir ihn heute kennen, ist dieses nicht näher bezeichnete Spiel aber vermutlich weit entfernt. Der „Fastelabend“ scheint aber seiner Natur nach immerhin unberechenbar genug gewesen zu sein, dass er der Obrigkeit eine offizielle Warnung wert war.

Mit der Frühgeschichte des Karnevals hatte sich Gabriele John, die ehemalige Leiterin des Leverkusener Stadtarchivs beschäftigt, die folgenden Fakten stammen aus ihrer Arbeit: 1828 verbot der Preußische König Friedrich Wilhelm III. kleineren Städten und Dörfern Maskenzüge im Straßenkarneval, den er für eine „anomalische, in polizeilicher Hinsicht bedenkliche Volkslustbarkeit“ hielt. Maskenumzüge blieben nur großen Städten erlaubt wie Köln. Bälle und private Feiern waren weiterhin erlaubt. Das königliche Verbot passte vermutlich vielen nicht.

Der Opladener Landrat schrieb nach dem Verbot einen Bericht an die Vorgesetzten. In seinem Kreis, Opladen und Solingen, schreibt er, sei „Karneval von jeher üblich“ gewesen. Während der Fastnachtstage seien Maskierte auf allen Dörfern und in den Straßen anzutreffen, aber es soll kein Massenphänomen gewesen sein. Von einem allgemeinen Verbot riet der Landrat ab, da „die Sache zu sehr mit dem Volksleben und der Sitte desselben verwachsen“ sei.

Zeitungsanzeigen zum Karneval 1909 im Generalanzeiger Wiesdorf

Zeitungsanzeigen zum Karneval im Jahr 1909 aus dem Generalanzeiger Wiesdorf

Wie es im noch unbedeutenden Wiesdorf damals zuging, ist unklar. Einen Hinweis auf Karneval gibt es im Polizeibericht: Von einem Wiesdorfer Maurer, der – offenbar betrunken – an Karneval 1830 aus dem Gasthaus Pohl geschmissen wurde und die Kneipe mit Steinen beworfen haben soll. Alkoholkonsum an Karneval scheint also auch seit jeher üblich gewesen zu sein.

Vom uralten jecken Erbe Schlebuschs zeugen die Erinnerungen Anton Wilhelm von Zuccalmaglios: Um 1840 habe er dazu beigetragen, dass Schlebusch das Fest wieder „in alter Weise mit Mummenschanz“ feiere und „Schwelgerei und Trunkenheit“ zurückgedrängt wurde, schreibt er. Heutige Probleme sind demnach offenbar zeitlos: Schlebuscher Karneval ohne Alkoholexzesse hat man in den letzten Jahren nicht erlebt.

Rätselhafte Anzeige im „Versündiger“

Man feierte Bälle. Die erste Zeitungsanzeige für einen Ball ist die Einladung zur Gründungsversammlung der „Carnevals-Gesellschaft in Opladen“. Die Zeitung „Verkünder für die Niederwupper“ hatte sie abgedruckt. Der Text ist etwas geheimniskrämerisch, denn das Lokal wurde nicht genannt, aber es sei geheizt und klein. Man könne den Ort im Anzeigenbüro (Expedition) des „Versündigers“ erfahren. Schon damals gab das Volk den Zeitungen offenbar Spitznamen.

Am 5. Februar 1851 erschien diese Annonce in einer Opladener Zeitung.

5. Februar 1851: Die älteste bisher gefundene Zeitungsanzeige, die einen Bezug zum Karneval hat, erschien im „Verkündiger“ für Opladen.

Die erste Erwähnung eines Karnevalszuges stammt auch aus Schlebusch. Es sei ein heiterer Nachmittag in Schlebusch gewesen, vermeldet der „Verkündiger“ nach Karneval 1857. „Nicht die geringste Unordnung fiel vor“, schreibt der Reporter, und nur harmlose Anspielungen soll es gegeben haben.

Frühere Umzüge waren lokale Dorf-Feste, wahrscheinlich zog man zum “Fastelabends-Spiel“ eher zu Fuß „um die Häuser“. Aus allen kleinen Gemeinden des heutigen Leverkusen gibt es dazu Berichte.

Der erste Rosenmontagszug in Opladen rollte wohl 1903, vor 120 Jahren. Über den ist wenig bekannt, aber 1905 hatten die Opladener drei Wagen im Zug. Damals immer dabei: der Ääzebär, ein furchteinflößender, mit Stroh verkleideter „Erbsenbär“. Die älteste Leverkusener Gesellschaft sind die Opladener Altstadtfunken von 1902.

1912 war Heinrich Esser Prinz Heinrich I. von Wiesdorf.

1912 war Heinrich Esser Prinz Heinrich I. von Wiesdorf.

Die Wiesdorfer brauchten noch ein paar Jahre, der erste Zug rollte 1911 über den Schießberg und die Hauptstraße, Veranstalter waren die Roten Funken, die sich als „Wiesdorfer Karnevals-Gesellschaft 1910“ gründeten. Der erste Prinz hieß Peter Menrath, ein Gastwirt mit Brauerei. Vereine hatten Wagen, das Blasorchester der Farbenfabriken war damals dabei, so wie heute. Zwei Weltkriege und die Nazis konnten den Karneval zwar unterbrechen, letztlich aber nicht kleinkriegen. 

Toni Blankerts, Lützenkirchen, mit eingerahmter Prinzenmütze

Toni Blankerts aus Lützenkirchen mit der Prinzenmütze, mit der er vor 50 Jahren durch die Säle zog.

Zumindest der offizielle Karneval lief von da ab in geordneten Bahnen, aber er hat sich immer verändert.

Nur einen tiefen Einschnitt gab es für den organisierten Karneval in der Nachkriegszeit in dieser Stadt: Seit 1976 gibt es keinen Opladener Prinzen mehr, nur noch einen gesamtstädtischen. Dienstältester lebender Opladener Prinz ist Toni Blankerts (85), der vor 50 Jahren Opladener Narrenkönig war. Das jecke Gen hat er von der Mutter, und er kennt den Opladener Karneval seit Kindertagen, als er sich nach Kamelle gebückt hat. Die erste Büttenrede hielt er als Lehrling bei Agfa. Er feierte 1973 seine Opladener Prinzen-Session. Später wurde er als Büttenredner „Nachtwächter“ bekannt. Und der Träger des höchsten Karnevalsordens überhaupt (in Gold mit Brillanten) besitzt eine historische Karnevalssammlung.

Toni Blankerts sagt, der Karneval habe sich immer verändert: „Die Leute wollen heute mehr Rambazamba.“ Und die Obrigkeit hat bis heute ihre Probleme in der Zeit des „Fastelabends-Spiels“.

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