Prozess19-jährige Leverkusenerin steht binnen vier Monaten dreimal vor Gericht

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Blick auf den neuen Teil des Opladener Amtsgerichts.

Vor dem Amtsgericht musste sich am Montag eine 19 Jahre alte Manforterin verantworten.

Am Rand des Karnevalszuges und des Schützen- und Volksfestes in Schlebusch gab es Stress. Und die junge Frau war mittendrin.

An Karneval gab es Ärger in Schlebusch, auf dem Schützen- und Volksfest auch. Zum Glück für Selma N. (Name geändert) war das alles schon 2022. Inzwischen hatte die heute 19-Jährige anscheinend Zeit, in sich zu gehen und ihr Leben zu ändern. „Ich habe mich komplett gewendet“, so drückt sie das am Montag in Saal 5 des Opladener Amtsgerichts aus. Inzwischen hat sie den Hauptschulabschluss, den Führerschein und eine Ausbildungsstelle: Am 1. November fängt sie im Krankenhaus an.

Dort wird man nicht ahnen, dass die junge Frau aus der Weiherstraße schon einiges angestellt hat. Und am Montag auch nicht das erste Mal vor Gericht stand: Mitte Juni ging es darum, dass sie sich in einem Studio auf der Kölner Straße die Nägel machen ließ und dann ohne zu bezahlen mit einer Freundin entschwand. 36 Euro blieb sie dem Betreiber schuldig. Und nächste Woche muss Selma das nächste Mal vor Gericht erscheinen. Danach nie wieder, hoffen alle.

„Scheiß Nazis“ brüllte sie Polizisten an. Eine Beamtin ist Jüdin

Diesmal ging es um gefährliche Körperverletzung und Beleidigung von Polizisten. Als „Rassisten“ soll die junge Frau die Beamten laut Anklage bezeichnet haben. Das traf es offenbar nicht ganz: „Scheiß Nazis“ habe sie den Ordnungshütern entgegen geschleudert, nachdem diese sie „angepöbelt“ hätten, sagte Selma am Montag. Das ist vor allem deshalb schlimm, weil eine Beamtin jüdischer Herkunft ist, stellte sich heraus. „Ich schreibe auf jeden Fall eine Entschuldigung“, war die Reaktion der Angeklagten.

Die erschien am Montag zwischendurch etwas zerknirscht. Einen Anwalt hatte sie nicht, ihre Mutter leistete seelischen Beistand vor Gericht. Und nicht nur das: Sie hilft, wo sie kann, stellte sich heraus. Der Nagelstudio-Betrug war vom Gericht mit einer Geldbuße von 100 Euro belegt worden. Die hat aber nicht Selma bezahlt, sondern ihre Mutter: „Ich will, dass sie jetzt unbelastet ihre Ausbildung anfängt. Ich liebe dieses Kind.“

Das Mädchen soll die Strafe zahlen – nicht die Mutter

Für den Staatsanwalt ist das aber der falsche Ansatz. Die Strafe gelte der Angeklagten – wenn die junge Frau sich darauf verlassen könne, dass die Mutter schon einspringt, sei das Ziel verfehlt. Zumal man ihr auch keine Verfahrenskosten aufbürde, trotz Verurteilung. Die erfolgt auch am Montag: Es ist auch ohne die Vernehmung von Zeugen klar, dass Selma am Karnevalssamstag vorigen Jahres Ohrfeigen verteilt und einer Kontrahentin ins Gesicht gespuckt hatte.

Knapp vier Monate später war Selma bei einer großen Schlägerei dabei. Da protokollierte die Polizei einen Kopfstoß und einen Faustschlag ins Gesicht eines männlichen Kontrahenten. Als „Abwehrreflex“ beschrieb die Angeklagte das am Montag. Kurz nach Mitternacht, also am 18. Juni vorigen Jahres, beteiligte sich Selma an einer Massenkeilerei auf dem Hof der Thomas-Morus-Schule. Dass sie einer Gegnerin eine Bierflasche an den Kopf geschlagen und mit Pfefferspray hantiert haben soll, räumte die Manforterin nicht im Detail ein.

Bierflasche als Mittel, Streit zu schlichten

Ihre Darstellung: Die andere sei die Ex-Partnerin eines Jugendlichen gewesen, der inzwischen mit ihrer besten Freundin zusammen sei. Als es zu harten Provokationen gekommen sei, „habe ich nur versucht, die auseinander zu halten“. Ohne Gewalt ging das dann aber auch nicht.

„Das ist kein Mittel der Kommunikation“, redete ihr der Staatsanwalt ins Gewissen. Es geht ihm darum, Selma in der von ihr behaupteten Wende zu bestärken. Umso mehr, als vor Gericht bekannt wird, dass die junge Frau früher eine Menge Drogen und täglich Alkohol konsumiert hat. Auch die Diagnose auf Epilepsie könnte damit zusammenhängen. Höchste Zeit also für eine Umkehr.

Die will das Gericht am Montag möglichst fördern. Selma wird deshalb dazu verurteilt, nochmals drei Gespräche mit ihrer Jugendgerichtshelferin zu führen, die sie schon ganz gut kennt. Auch mindestens einen Termin mit der Leverkusener Drogenberatung muss sie dem Gericht nachweisen. Und die 36 Euro fürs Nägel machen soll sie selbst bezahlen, binnen zwei Monaten: „Dafür wird Dein Taschengeld sicher reichen“, sagt Richterin Anika Menger.

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