Drei Familien mit Kindern mit Behinderungen haben einen Verein gegründet, der jetzt den Grundstein für ein inklusives Wohnhaus in Rheindorf gelegt hat.
RheindorfTom, Finn und Moses sollen in Leverkusen selbstbestimmt wohnen

Finn, Moses und Tom (v.l.) legen gemeinsam mit Britta Engelhardt den Grundstein und schwören auf die Werte, die das Haus füllen sollen.
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Wo und mit wem soll Tom alt werden? Welche Lebensqualität wird der heute 22 Jahre junge Mann mit Behinderungen haben, wenn seine Eltern nicht mehr da sind? Dass diese Fragen Britta und Thorsten Engelhardt einmal auf ein Baugrundstück im Rheindorfer Süden führen würde, auf dem in ihrem Auftrag ein inklusives Wohnprojekt gebaut wird, hätten die beiden sich vor sechs Jahren noch kaum vorstellen können.
Natürlich gebe es Angebote für betreutes Wohnen in Leverkusen, auch wirklich schöne, wie Britta Engelhardt betont. „Aber dafür gibt es lange Wartelisten und wenn dann ein Platz frei wird, kommt der junge Mensch in eine Gruppe, die er wahrscheinlich gar nicht kennt.“ Eine selbstbestimmte Entscheidung ist das nicht. „Menschen mit Behinderungen haben laut Gesetz das Recht, selbstbestimmt zu wählen, wie sie leben wollen. In der Praxis sieht das aber meist anders aus.“

Moses (4.v.l) liest seinen Wunsch vor, der schließlich in der von Tom (v.) gehaltenen Box landet.
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Tom soll ein möglichst eigenständiges Leben führen, dafür aber nicht aus seinem gewohnten Umfeld gerissen und von seinen Freunden getrennt werden. Und für diese gilt das Gleiche: Mit Moses ist Tom schon zur Schule gegangen, Finn kam später in den Freundeskreis hinzu. Und schließlich haben die Eltern sich zusammengeschlossen. „Wir dachten zuerst, wir gründen eine WG“, sagt Engelhardt lachend – denn das, was in Rheindorf entsteht, ist weit von einer gewöhnlichen WG entfernt.
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Auf rund 500 Quadratmetern Wohnfläche sollen nach geplanten zwölf bis 14 Monaten Bauzeit insgesamt zehn Menschen zusammen leben, darunter sechs bis sieben mit Einschränkungen. Im Erdgeschoss und Obergeschoss entstehen zwei Gruppenwohnungen für insgesamt sechs Bewohner mit Privat- und Gemeinschaftsräumen. Im Dachgeschoss sind zwei Doppel-Wohneinheiten mit jeweils zwei Schlafzimmern, einem Bad und einem Raum für Küche, Essen und Wohnen geplant. Außerdem wird es einen Büro- und Schlafraum für Mitarbeitende eines Betreuungsdienstes geben, der noch gefunden werden muss.

Der von Finn formulierte Wunsch für das künftige Zusammenleben.
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„Wenn man eine 24-Stunden-Betreuung braucht, muss die Wohneinheit eine bestimmte Größe haben, damit sich das finanzieren lässt“, erklärt Britta Engelhardt. Für eine private Dreier-WG der drei jungen Männer wäre das kaum zu realisieren. Also haben die drei Familien den Förderverein „Unter einem Dach“ gegründet und bauen nun gemeinsam das Wohnhaus. Familie Engelhardt tritt dabei als Investor auf, hat das Grundstück erworben und wird später als Vermieter fungieren. Finanziell unterstützt wird das 2,5-Millionen-Euro-Projekt vom Landschaftsverband Rheinland, der 384.000 Euro für das inklusive Wohnprojekt zur Verfügung stellt, der Förderung für sozialen Wohnungsbau und Spendengeld.
Quartiersarbeit im Garten
Das Haus soll auch ein Ort der Vielfalt und der gegenseitigen Unterstützung sein, in dem sich Menschen mit und ohne Behinderung respektieren, wertschätzen, gegenseitig helfen und voneinander profitieren. Auch Quartiersarbeit im großen Garten in Kooperation mit der Stadt könnten die Initiatoren sich künftig vorstellen. „Eine tolle Idee“, findet Bezirksbürgermeisterin Michaela die Padova. „Ich freue mich besonders, dass wir so ein tolles Projekt hier in Rheindorf kriegen.“
Viele Eltern von Kindern mit Behinderung wollen die Kinder so lange es geht bei sich behalten und behüten.
Selbstbestimmt leben, dieser Wunsch wird von den Eltern immer wieder genannt. Dafür arbeiten verschiedene pädagogische Kräfte schon seit langen mit den jungen Männern an dem Projekt. „Auszuziehen war für die drei erst einmal unvorstellbar“, erklärt Monika Schlaeger, die früher die Lehrerin von Moses und Tom war. Als sie von dem Projekt hörte, sei sie direkt bereit gewesen, sich einzubringen. „Wir sind dann erst einmal in ein Möbelhaus gefahren und haben eine große Liste erstellt, was es alles braucht, um auszuziehen.“ Ein Jahr lang haben sie diese Mindmap abgearbeitet. Gemeinsam haben sie überlegt, wie man die künftigen Mitbewohner aussucht, die Entscheidung sollen die jungen Männer – pädagogisch begleitet – selbst treffen. Eine Warteliste ist bereits eröffnet.
Schlaeger ist begeistert vom Engagement und der Weitsichtigkeit der Eltern. „Viele Eltern von Kindern mit Behinderung wollen die Kinder so lange es geht bei sich behalten und behüten“, weiß sie aus ihrer Lehrtätigkeit. „Wenn sie dann krank werden oder sterben, müssen die Kinder plötzlich schnell irgendwo hin.“ Das ist kein schöner Start in einen neuen Lebensabschnitt und oft traumatisierend.
Ich wünsche mir, dass hier nette, liebe und hilfsbereite Menschen einziehen und ich Liebe, Familie und Freunde finde.
Die drei jungen Männer freuen sich jetzt auf ihr Haus. Zur Grundsteinlegung am Dienstag haben alle Wünsche formuliert, die in einer selbstgebastelten Kiste in den Grundstein eingelassen wurden. „Ich wünsche mir, dass wir viele schöne Sachen miteinander erleben und freundlich zueinander sind“, sagt der 19-jährige Finn. Tom freut sich vor allem auf Grillfeste im Garten. „Ich wünsche mir, dass hier nette, liebe und hilfsbereite Menschen einziehen und ich Liebe, Familie und Freunde finde“, sagt Moses unter emotionalen Tränen der Rührung.
Auch Britta Engelhardt hat Tränen in den Augen, als sie von den Werten spricht, die dieses Haus, ihr absolutes Herzensprojekt, einmal füllen sollen. Moses spürt das und ergreift ihre Hand, drückt sie so lange, bis sie die Rede über die Bühne gebracht hat. Schöner kann man Zusammenhalt nicht zeigen.
Weitere Informationen zum Verein, dem Wohnprojekt und Beteiligungsmöglichkeiten im Internet unter www.inklusiv-untereinemdach.de