BewährungsstrafeFür einen ADHS-kranken Leverkusener ersetzte Amphetamin Ritalin

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Der Eingang des Amtsgerichts in Opladen.

Ein seltener Fall beschäftigte das Schöffengericht in Opladen.

Der 24-Jährige versorgte sich mit einer Jahresration im Darknet – und fiel nicht zum ersten Mal auf.

Ein seltsamer Fall: Drogenbesitz aus Not. Ein 24 Jahre alter Opladener leidet unter einer seltenen Form von ADHS, die bei ihm erst mit 20 Jahren erkannt wurde. „Das wird auch so bleiben, bis ich sterbe“, sagt er mit Blick auf die Krankheit am Freitag vor Gericht. Dort muss er erscheinen, weil die Polizei in seiner Wohnung um die 350 Gramm Amphetamine gefunden hat. Und Marihuana. Beides „braucht er“ – denn die Kombi wirke wesentlich besser und zuverlässiger als Ritalin, berichtet er. Dieses Mittel wird normalerweise Kindern verschrieben, bei denen öfter mal die Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert wird – die sie aber auch wieder loswerden.

Ritalin, so erfahren Richter Dietmar Adam und die beiden Schöffen, verschafft dem Angeklagten nur drei Stunden lang Linderung. Dann werde es schwierig: Ticks lassen Arme und Beine zucken. Nicht gut, denn der junge Mann hat seit einem guten halben Jahr wieder einen Job: Bei einer Veranstaltungsfirma in Langenfeld muss er Kabel sortieren und Beleuchtungstraversen für die Bühne schleppen. Da ist Körperkontrolle entscheidend. Und: Der Vertrag ist befristet.

Der Job ist extrem wichtig

Auf keinen Fall will der junge Mann seine Arbeitsstelle verlieren. Der Job strukturiert seinen Alltag, in dem sonst nicht viel los sei, berichtet er: „Ich wohne alleine, ich bin allein.“ Zu den Eltern habe er nur noch losen Kontakt, ebenso zu seinen Halbgeschwistern. Er fühle sich wohl im Job, auch wenn die laute Musik seine Krankheitssyptome verschlimmert. Zum Chef gehen und den Kollegen die Musik verbieten lassen, wie Richter Adam es anregt, will er auch nicht: „Dann bin ich der Depp.“ Zumal er es selbst mit Musik hat, eigentlich: digitales DJing sei sein Hobby, Auftritte aber Stress wegen ADHS.

Sein Anwalt Gordon Christiansen versichert, die Amphetamine im Kühlschrank seien die Jahresration. Keinesfalls habe der Angeklagte irgendwelchen Handel treiben wollen. Den Stoff habe er sich im Darknet besorgt. Das wird ihm geglaubt. Trotzdem sieht Richter Adam ein Problem: „Wie kriegen wir es hin, dass Sie nicht zum besten Mittel der Wahl greifen? Dem verbotenen Mittel.“

Tagsüber Amphetamin, abends Marihuana

Die Antwort des Opladeners wirkt entwaffnend: Dann müsse er eben mit Ritalin klarkommen – „ich will mich nicht noch mal strafbar machen“. Zumal er vor zwei Jahren schon einmal mit Amphetamin und Marihuana – es dient abends dazu, wieder runterzukommen und Schlaf zu finden – aufgefallen und verurteilt worden war.

Die Vorstrafe hat am Freitag Einfluss auf das nächste Urteil: Mit 18 Monaten bleibt das Gericht vier Monate unter der Forderung des Staatsanwalts. Man erkenne, „dass Sie quasi aus medizinischen Gründen konsumiert haben und in einem Dilemma stecken“, sagt Dietmar Adam. Aber: „Sie müssen irgendwie damit klarkommen.“ Alternativen zum zweitbesten Mittel Ritalin gibt es in Deutschland bisher nicht, heißt es im Gericht. Eine leichte Amphetamin-Zubereitung werde nur Patienten bis 18 Jahre verschrieben. Ein ähnliches Präparat für Erwachsene sei nur in den USA zugelassen.

Bleibt der steinige Weg für den ADHS-kranken Mann: Ritalin. „Wir setzen die Hoffnung in Sie, dass wir Sie hier nicht mehr wiedersehen“, appelliert Richter Adam. Man wird sehen.

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