„Jugend ohne Gott“Leverkusener Schüler präsentieren Theaterstück aus der NS-Zeit

Lesezeit 4 Minuten
Jugendliche auf einer Theaterbühne.

Die Oberstufen-Theater-AG des Schlebuscher Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums führt „Jugend ohne Gott“ auf.

Das Stück, an dem die Leverkusener Schüler ein Jahr probten, hat starke aktuelle Bezüge.

Schülerinnen und Schüler des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums wuseln durch das Gemeindehaus von St. Andreas in Schlebusch. Sie arbeiten mit einem Bohrer, um das Bühnenbild zu errichten, verlegen Kabel, um sicherzugehen, dass die Technik funktioniert. „Hoffentlich klappt alles“, murmelt Lehrerin Edith Englich – es ist eben Generalprobenstimmung. 

Ein Jahr lang probte die Oberstufen-Theater-AG der Schule an dem Stück „Jugend ohne Gott“ oder auch „Das Zeitalter der Fische“. Ödön von Horváths Tragödie spielt zur Zeit des Nationalsozialismus und beschäftigt sich mit den Themen Rassismus, Manipulation, Wahrheit und Gerechtigkeit. Zwei Klassenkameraden, Felix und Anna, geraten aneinander, weil Anna Felix´ Tagebuch aufgebrochen und gelesen haben soll. Kurz nach der Auseinandersetzung ist Anna tot. Felix stellt sich, scheint aber für jemanden anders geradezustehen. Schließlich findet die Lehrerin der beiden heraus, wer Annas Mörder ist. 

Minimalistisches, aber aufwendiges Bühnenbild

Für die Aufführung von „Jugend ohne Gott“ hatte sich die Theater-AG Unterstützung von zwei anderen Arbeitsgruppen ihrer Schule geholt, die sich um Technik und Bühnenbild kümmern. Letzteres ist Grund dafür, dass die Generalprobe am Montagabend erst 20 Minuten verspätet beginnen kann, denn die Schülerinnen und Schüler müssen Holzbretter verschrauben und Wände aufrichten. Das Bühnenbild ist zwar minimalistisch gehalten. Aufwendig aufzubauen ist es trotzdem.

Die Bühne ist umrahmt von schwarzen Wänden, im Fokus der Zuschauer stehen als Bühnenbild lediglich sechs weiße Holzquadrate. Konträr zum minimalistischen Bühnenbild bieten die Arbeitsgruppen des Gymnasiums ihren Zuschauern eine realistische Geräuschkulisse als Ausgleich an. Befinden sich die Schüler in der Natur, ist Vogelgezwitscher zu hören, sitzt die Lehrerin in einer Bar, nimmt man leise Musik im Hintergrund wahr. 

Auch die Requisiten sind wirklichkeitsnah. Die Schülerinnen und Schüler essen Kuchen oder trinken Traubensaft aus einer Weinflasche, tragen Roben bei einer Szene im Gerichtssaal, der Pfarrer trägt das klassische Kollar und die Schüler eine Uniform, um den derzeitigen Einheitsgedanken zu transportieren. Die Kostüme leiht die Theater-AG laut Edith Englich bei Bekannten, manche Kleidungsstücke kaufen sie auch oder die Jugendlichen bringen sie von Zuhause mit. 

Als sich die Arbeitsgruppe ein neues Stück aussuchen sollte, wollten die Oberstufenschüler zunächst eine Komödie präsentieren, Edith Englich schlug den Krimi vor. „Bei einer Komödie bringt man das Publikum zum Lachen, man bekommt schneller Bestätigung“, erklärt die Zwölftklässlerin Sarah ihre damalige Sichtweise. Nun sind die Schülerinnen und Schüler allerdings doch zufrieden mit ihrer Wahl. „Das Stück hat uns gezeigt, dass wir ein Auge auf unsere Gesellschaft und die Nachrichten, die verbreitet werden, richten sollten, denn auch heutzutage kann sich eine manipulative Struktur entwickeln und es kann zur Beeinflussung kommen“, sagt Schülerin Janice.

Auch Edith Englich ist von der Relevanz und Aktualität der Tragödie überzeugt. „In der heutigen Zeit sind ‚fake news‘ ein Thema, man kommt schnell an falsche Informationen, im Theaterstück heißt es Manipulation. Außerdem gibt es im Theaterstück, ebenso wie heute, Themen, für die sich die Leute stark machen. Damals war es Gerechtigekeit, heute ist es beispielsweise Klimaschutz“, so die Kunstlehrerin. 

Jugendliche auf einer Theaterbühne.

Ein Jahr probten die Jugendlichen an dem Stück.

Die Themen und ihre Umsetzung in der Tragödie hatte die AG laut Englich in den Proben vorab ausführlich besprochen. „Wir tauschen uns aus, diskutieren und reflektieren“, sagt Englich. Anders als im Original verwendet die Gruppe so zum Beispiel auch die vollständigen Namen der Charaktere und nicht nur Abkürzungen durch die Nennung der ersten Buchstaben. 

„Der Autor hat damit beabsichtigt, den Einheitsgedanken zu verdeutlichen, indem er, durch Weglassen des vollständigen Namens, den Figuren ihre Identität und Eigenständigkeit abspricht. Wir wollten schon noch, dass die einzelnen Charaktere für sich stehen und auch, dass es etwas natürlicher klingt. Den Einheitsgedanken transportieren wir durch die Uniformen“, so Englich. 

Wer sich den gesellschaaftskritischen Krimi nicht engehen lassen möchte, ist herzlich zur Aufführung am 15. oder 18. September eingeladen. Die Veranstaltungen beginnen jeweils um 19.30 Uhr im Pfarrsaal von St. Andreas in Schlebusch, Bergische Landstraße 8. Der Eintritt kostet acht Euro, ermäßigt fünf Euro.

KStA abonnieren