Steuer-ProzessLeverkusener Bauunternehmer soll Scheinfirmen-System genutzt haben

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Kadri A. mit Anwältin und Anwalt im Landgericht Köln

Kadri A. mit Anwältin und Anwalt vor dem Landgericht in Köln

Ein Mann aus Erkrath hat ein ganzes Geflecht von Firmen errichtet, um Abgaben zu vermeiden. Auch der Opladener Firmenchef gehörte offenbar zu seinen Kunden. 

Seit mindestens fünf Jahren befasst sich Michaela Franke mit dem „System H.“. Die Wuppertaler Staatsanwältin weiß also, wie das gelaufen ist mit den fingierten Jobs auf dem Bau, dem Schwarzgeld und den hinterzogenen Steuern und Sozialabgaben. Auch der Leverkusener Kadri A. (Name geändert) soll sich des Systems H. bedient haben.

Es funktionierte so: H. stellte für andere Unternehmen Leute in Scheinfirmen ein. Die wurden offiziell als Minijobber geführt, sodass keine Steuern und Sozialabgaben fällig wurden. In Wahrheit arbeiteten die Leute viel mehr – und zwar in den Unternehmen, die Kunden von H. waren. Die Scheinfirmen stellten den Kunden überdies fingierte Rechnungen aus, die dann ganz offiziell bezahlt wurden – also als Betriebsausgaben in die Bücher gingen. In Wahrheit sei das Geld in bar an die Kunden zurück geflossen, nach Abzug von fünf bis acht Prozent Provision für H., heißt es am Donnerstag im Kölner Landgericht.

Geld floss bei Kaffee oder Red Bull

Diese Rückzahlungen bei H. in Erkrath bei Düsseldorf seien so beschrieben worden: „Komm Kaffee trinken.“ Oder: „Komm Red Bull trinken.“ Das haben die Ermittler auf zwei Wegen dokumentiert: Die Telefone von H. wurden überwacht; außerdem wurden zwei Kameras installiert. Eine auf dem Parkplatz des Gebäudes, wo die aus nur aus einem Büro bestehende Firma ihren Sitz hatte, eine andere auf dem Flur vor der Eingangstür. Dafür hatte die Staatsanwaltschaft Wuppertal eigens ein leerstehendes Büro gegenüber angemietet. „Wir brauchten ja Strom“, sagt Michaela Franke.

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Die Beweislage ist also gut. Das könnte Kadri A. in Bedrängnis bringen. Ihm wird vorgeworfen, insgesamt gut viereinhalb Millionen Euro Steuern, Sozialabgaben sowie Beiträge zur Krankenversicherung und zur Sozialkasse Bau nicht abgeführt zu haben. Nimmt man die Aussage von Staatsanwältin Franke als Maßstab, hat so etwas Methode in der Branche. „Das halbe Ruhrgebiet“ habe sich des Systems H. bedient. Und auch ein Opladener Kollege von Kadri A. hatte mit fingierten Abrechnungen gearbeitet, um Steuern und Sozialabgaben zu sparen. Da ging es ursprünglich allerdings nur um ein Drittel der Summe.

Ein Geldabholer als Geschäftsführer

Im System H. spielten Strohleute eine wichtige Rolle. Einer von ihnen sollte ursprünglich auch in Köln aussagen. Doch der Zeuge hat sich vorerst abgemeldet: Er ist heim nach Israel. Umso wichtiger findet es die 19. Große Strafkammer des Landgerichts, mithilfe des Umwegs über Staatsanwältin Franke etwas zu erfahren. Sie hatte den Israeli vernommen und kann sich am Donnerstag auch noch recht gut an die Aussage erinnern.

Danach fungierte er zwar kurze Zeit als Geschäftsführer einer der Scheinfirmen von H. – aber sein Job habe sich darin erschöpft, bei der Postbank Geld abzuholen und zu H. zu bringen. Nahezu täglich. Dass die Scheinfirmen ihre Geschäfte über Konten bei der Postbank abwickelten, sei auch kein Zufall gewesen, so die Ermittlungsergebnisse der Wuppertaler Staatsanwaltschaft: Dort habe ein Vertrauter von H. gearbeitet. Das dürfte auch nötig gewesen sein: Von den Firmenkonten „sind Beträge abgehoben worden, die waren jenseits von gut und böse“, so Franke. Deshalb habe der Israeli immer einen „Aufpasser“ dabei gehabt. Den habe er aber nicht als solchen empfunden. Vielmehr sei das eine Vertrauensperson gewesen, so die Aussage.

Nichtsahnende Leute aus Litauen

In der Regel habe H. die Geschäftsführer seiner Scheinfirmen aus Litauen geholt. Die hätten nicht gewusst, was sie da taten, so die Erkenntnis der Staatsanwältin. „Die wurden nach Deutschland geholt und fuhren nach zwei Wochen wieder nach Hause“, so Franke. Mit der Geschäftsführung hätten sie nichts zu tun gehabt. Entscheidend sei gewesen, dass sie „eine saubere Schufa-Auskunft“ hatten. Die braucht man für eine Firmengründung.

Damit auch bei etwaigen Kontrollen des Zolls auf den Baustellen alles glatt läuft, seien die Beschäftigten mit Visitenkarten der Firma ausgestattet worden, für die sie angeblich, aber nicht tatsächlich arbeiteten. So hatte scheinbar alles seine Richtigkeit. „Das System war clever aufgezogen“, sagt die Wuppertaler Staatsanwältin. Und Kadri A. hat nach Überzeugung der Kölner Staatsanwalt kräftig davon profitiert.

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