Rhein-BergBergbau in der Region ist Jahrhunderte älter als bisher bekannt

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Neue Erkenntnisse datieren gefundene Bergbau-Utensilien im Kreis älter als bisher angenommen.

Rhein-Berg – Schon die Nachricht, dass bereits römische Legionäre kurz nach Christi Geburt auf dem Lüderich Blei- und Silbererz abbauten, war vor einigen Jahren eine Sensation. Nun steht fest, dass die Geschichte des Bergbaus in der Region noch mehrere Jahrhunderte älter ist. Das beweisen Bergbauwerkzeuge, die bereits seit Jahrzehnten im Bergischen Museum für Bergbau, Handwerk und Gewerbe in Bensberg liegen, über deren Alter man bislang allerdings nur wenig wusste.

Zwei Spaten, jeweils am Stück aus Eichenholz gearbeitet, haben den Beweis geliefert, dass bereits in vorchristlicher Zeit Bergbau am Lüderich betrieben wurde. Sie gehören zu einer Sammlung von insgesamt 24 historischen Bergbauwerkzeugen (Gezähe), die im Zuge des um 1850 auf dem Lüderich aufgenommenen industriellen Bergbau aus früheren Bergbauepochen gefunden wurden.

Erkenntnisse für Bergbaugeschichte in der ganzen Region

Eine Datierung im Rahmen eines vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) geförderten Projekts habe eine Entstehung der beiden Spaten zwischen 350 und 50 vor Christus, in der Eisenzeit, ergeben, sagt der Leiter der Overather Außenstelle des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege, Dr. Jens Berthold. Bislang nahm man an, die Werkzeuge stammten aus dem 9. bis 12. Jahrhundert nach Christus.

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Ein mit Metall beschlagener Holztrog aus der Zeit nach 1500.

Berthold konnte die Ergebnisse der Untersuchung zunächst kaum glauben, doch Vergleichsanalysen bestätigten die Werte: „Diese Datierungen »verlängern« die Bergbaugeschichte am Lüderich ein weiteres Mal um mehrere Jahrhunderte, was weder abzusehen noch zu erhoffen war“, verdeutlicht der Archäologe die Bedeutung der neuen Erkenntnisse für die Bergbaugeschichte nicht nur im Bensberger Erzrevier, sondern im gesamten Rheinland. „Damit kann das Bergische Museum für Bergbau, Handwerk und Gewerbe wirklich prahlen“, sagt Berthold. „Köln hat so etwas nicht.“

Neuuntersuchungen datieren Werkzeuge älter

Und auch im Deutschen Bergbaumuseum in Bochum schaue man wohl nicht ohne Neid auf die Sammlung der historischen Werkzeuge, von denen nun 14 neu untersucht worden sind, vermutet Peter Schönfeld. Der Archäologe hatte bereits Ende der 90er Jahre durch einen Fund im Wurzelballen eines umgestürzten Baums unweit von Bleifeld die archäologischen Grabungen ausgelöst, durch die der römische Bergbau auf dem Lüderich unweit des früheren Südschachts nachgewiesen wurde.

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Bereits um 350 bis 50 vor Christus wurde mit diesen Spaten Bergbau am Lüderich betrieben. Über die völlig überraschende Datierung freuen sich (v.l.) Museumsleiterin Sandra Brauer und die Archäologen  Dr. Jens Berthold (Außenstelle LVR-Amt für Bodendenkmalpflege) und Peter Schönfeld. 

Und er verfolgte genau, dass der Förderverein des Bergischen Museums vor einigen Jahren auf Initiative des jüngst verstorbenen Bergbauexperten Herbert Ommer zunächst vier Werkzeuge aus der Sammlung untersuchen ließ. Damals stellte sich heraus, dass ein lederner Transportsack, eine sogenannte Bulge, Jahrhunderte älter war als bis dahin angenommen und bereits aus der Zeit der Karolinger im frühen Mittelalter stammte.

C14-Datierung bestimmt Alter der Materialien

„Ein einmalig gut erhaltenes Stück, das hier im Museum zu sehen ist und sicher zu den Top 100 in Deutschland gehört“, so Berthold. An die Ergebnisse knüpfte dann das Projekt des LVR-Amts für Bodendenkmalpflege an, bei dem die Archäologen Berthold und Schönfeld zusammen mit der auf Holzfunde spezialisierten Ursula Tegtmeier von der Universität Köln sowie dem Lederfund-Experten Christian Schumacher nun 14 Werkzeuge neu untersuchten.

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Einmalig: Aus dem Frühmittelalter datiert der Ledertransportsack.

Mit Hilfe einer radiologischen Analyse, bei der anhand des Zerfalls von Atomen, die in abgestorbenen organischen Stoffen wie Holz oder Leder eingelagert sind, das Alter der Materialien bestimmt wird (C14-Datierung), wurden neben den eisenzeitlichen Spaten andere Werkzeuge auf das Frühmittelalter und das Hochmittelalter datiert, die man bisher ebenfalls für deutlich jünger gehalten hatte.

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Museumsleiterin Sandra Brauer freut sich über die nochmals gestiegene Bedeutung der Sammlung, die im Zuge der bereits geplanten Neuaufstellung des Museums auch komplett neu präsentiert werden soll. Eine spannende Herausforderung. Denn wer hat beispielsweise den Bergbau in der Eisenzeit am Lüderich betrieben?

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Solche Schaufelblätter wurden vor 1000 Jahren verwendet.

„Es war in jedem Fall eine Gesellschaft, die vornehmlich auf Ackerbau und Viehzucht aus war, die aber auch schon größere Siedlungen hatte und gegebenenfalls saisonal, wenn in der Landwirtschaft nicht so viel zu tun war, Metallerz abgebaut und daraus Metall gewonnen hat“, sagt Berthold. „Ob es Kelten oder Germanen waren, die mit den Spaten gearbeitet haben, sieht man den Werkzeugen natürlich nicht an“, so der Archäologe. Allerdings gebe es auf dem Lüderich ja auch einen eisenzeitlichen Ringwall sowie Hügelgräber.

Geräte wurden wohl zurückgelassen

Mit den Spaten könnte Abraum geschaufelt worden sein oder bereits gebrochenes Eisenerz, etwa in Transportbehälter, so die Archäologen.

Chronologie des Bergbaus am Lüderich

Bergbaugeschichte

Nach den jüngsten Untersuchungen der historischen Bergmanns-Werkzeuge (Gezähe) aus der Sammlung des Bergischen Museums für Bergbau, Handwerk und Gewerbe in Bensberg begann die Bergbaugeschichte der Region mehrere Jahrhunderte früher als bisher angenommen.

350 bis 50 v. Chr.: Am Lüderich wird Bergbau betrieben, davon zeugen zwei Holzspaten aus dieser Zeit. Möglicherweise bauten die Bewohner der Region, Kelten oder Germanen, das auch in weniger großen Tiefen vorkommende Eisenerz ab. Auch eine Verbindung zu dem auf dem Gipfel des Lüderichs nachgewiesenen Ringwall aus der Eisenzeit sowie zu Hügelgräbern ist denkbar.

Um 10 n. Chr.: Römer bauen Blei- und Silbererze am Lüderich (unweit des heutigen Bleifeld) ab.

2. Jh. n. Chr.: Germanen gewinnen Kupfererze am Heidenkeller bei Hoffnungsthal-Lehmbach.

Ende 7. Jh.: Ältester mittelalterlicher Bergbau. Aus der Karolingerzeit stammt jüngeren Datierungen zufolge auch ein exzellent erhaltener Transportsack aus Leder im Bergischen Museum.

1518: Erste Urkunde zum Bergbau am Lüderich: Herzog Johann von Jülich erteilt die Erlaubnis, in einem „Berchwerk in unserem berge, der Loederich genannt . . . allerlei Erze zu finden“.

1618: Zu Beginn des 30-jährigen Kriegs kommt der Bergbau am Lüderich zeitweise zum Erliegen.

19. Jh.: Mit der Förderung von Zink wird der Bergbau am Lüderich wieder aufgenommen. Beim Auffahren dieses industriellen Bergbaus werden vermutlich die historischen Bergwerkzeuge im Altbergbau („Alter Mann“) gefunden, zunächst bei der Bergwerksgesellschaft aufbewahrt und 1935 ans Bensberger Heimatmuseum übergeben.

1852: Der planmäßige Abbau der Zinkerze beginnt. 1880 arbeiten etwa 3000 Bergleute in 28 Gruben am Lüderich und Umgebung.

1978: Weil die Erzpreise auf dem Weltmarkt immer weiter sinken und sich noch vorhandene Erzvorkommen immer schwieriger erschließen lassen, wird die Grube Lüderich geschlossen. Schächte und Stollen werden größtenteils mit Beton verpfropft, viele oberirdische Förder- und Aufbereitungsanlagen abgebrochen.

1997: Erste Hinweise auf römischen Bergbau werden entdeckt.

2021: Zwei Holzspaten aus dem Bergischen Museum werden auf vorchristliche Zeit datiert. (wg)

Warum die Werkzeuge so gut erhalten sind? Die Geräte müssen, als sie nicht mehr genutzt wurden, luftdicht abgeschlossen und in feuchter Umgebung verschüttet oder in aufgegebenen Abbaugruben zurückgelassen worden sein. Als dann im 19. Jahrhundert der Bergbau auf dem Lüderich industriell ganz neu ausgeweitet wurde, sammelte man die in älteren Bergwerksgruben gefundenen Werkzeuge bei der Bergwerksgesellschaft Vieille Montagne.

Der Markscheider (Vermesser) Wilhelm Mangold übergab die Sammlung schließlich 1935 ans Bensberger Heimatmuseum. Aus diesem wurde später das heute von der Stadt getragene Bergische Museum, dem die neuen Erkenntnisse zu den mehr als 2000 Jahre alten Werkzeugen einmal mehr eine Bedeutung bescheinigen, die weit über die Region hinausgeht.

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