Rätselhafte Geldvergabe nach der FlutWie eine Rösratherin nun doch Förderung für Hochwasserschutz bekam

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Margret Barth an einem ihrer Fenster mit Hochwasserschutz.
Sie war Opfer der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021.

Margret Barth aus Rösrath-Hoffnungsthal vor ihrem Schottsystem gegen Hochwasser – ihr Förderantrag wurde zunächst abgelehnt und nach Intervention der Zeitung doch bewilligt.

Wer bekommt Fördergelder vom Land, wenn er oder sie in Hochwasserschutz investiert, wer nicht? Das ist nur vage geregelt. Für Margret Barth ging eine Nachfrage gut aus.

In NRW haben vermutlich mehr Betroffene der Flutkatastrophe vom 14. Juli 2021 die Möglichkeit, Zuschüsse für zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen zu erhalten als bekannt ist. Nach Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ beim Landesministerium ergeben sich Ungereimtheiten - abgelehnte Anträge werden plötzlich doch bewilligt.

Aber die Aussagen der Service-Hotline führen zunächst manchen in die Irre: 

„Natürlich. Im Zuge des Wiederaufbaus werden auch zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen bezuschusst.“ – „Da stehen die Chancen gut. Sie sollten ihrem Antrag ein Gutachten zufügen, dann steht dem nichts im Wege.“ – „Hochwasserdichte Fenster und Türen werden ebenfalls gefördert – wenn sie einem besseren Hochwasserschutz dienen.“  Diese oder ähnlich lautende Antworten der Fluthilfe-Hotline in Nordrhein-Westfalen erhielten viele Betroffene des Hochwassers vom 14. Juli 2022.

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Uns wurde über die Hotline mehrfach mitgeteilt, dass auch zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen gefördert werden
Oliver Lambertz, betroffen vom Hochwasser am 14. Juli 2021

„Uns wurde über die Hotline mehrfach mitgeteilt, dass auch zusätzliche Hochwasserschutzmaßnahmen gefördert werden“, erinnern sich Oliver und Mareike Lambertz aus Rösrath-Hoffnungsthal. „Entsprechend zuversichtlich waren wir, als wir den Antrag dafür gestellt haben.“

Die hoffnungsvoll stimmenden Antworten der Service-Mitarbeitenden entsprachen einer etwas vage formulierten Richtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen, in der es heißt: „Ist wahrscheinlich, dass ein zukünftiges Hochwasser wiederkehrend erhebliche Schäden verursacht, werden auch Maßnahmen zum Wiederaufbau an anderen Stellen gefördert.“

Familie Lambertz, deren Erdgeschoss von der Flut stark beschädigt wurde, gab nach einer Beratung mit einem Hochwasserschutzexperten ein so genanntes Schott-System aus schnell montierbaren Aluminiumplatten, Betonierungen und Profilen in Auftrag. Kosten: rund 20.000 Euro. Vor einigen Wochen dann die Nachricht: Der Antrag auf Förderung werde abgelehnt.

Hochwasserschutz für 25.000 Euro in Auftrag gegeben

Auch Margret Barth aus Rösrath-Hoffnungsthal vertraute auf die mündliche Aussage der Service-Hotline. Wie empfohlen, ließ sie ein Gutachten erstellen, das den Sinn der schnell montierbaren Schotts bestätigte. Und gab die Arbeiten, die knapp 25.000 Euro kosten sollten, umgehend in Auftrag – „weil ich große Sorge davor hatte, dass das Wasser wiederkommt und ich bestmöglich geschützt sein wollte“.

Die 71-Jährige erhielt ebenfalls einen ablehnenden Förderbescheid. Neue „bauliche Anlagen“ seien „grundsätzlich nicht förderfähig“, heißt es in dem Antwortschreiben. Und, in schwer verständlichem Beamtendeutsch: „Die Anbringung von Flutschotts kann nicht als temporäre Maßnahme betrachtet werden, da sie dauerhaften und langfristigen Bestand haben soll. Zudem ist erforderlich, dass ohne die Durchführung der temporären Maßnahme ein Schaden bei unverändertem Geschehensablauf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen würde. Die generelle Gefahr, dass ein erneutes Hochwasser auftritt, erfüllt diese engen Grenzen nicht.“

Werden also nur zeitlich befristete Schutzmaßnahmen gefördert, wie die Antwort an Margret Barth nahelegt? Werden nur Schutzmaßnahmen bezuschusst, wenn das Hochwasser mit hundertprozentiger Sicherheit wieder auftritt? Widerspricht diese Aussage nicht den Förderrichtlinien, die das Land selbst aufgestellt hat? Und: Warum wurde offenbar vielen Betroffenen am Telefon Hoffnung gemacht, dass auch zusätzlicher Hochwasserschutz gefördert wird, wenn das gar nicht stimmt?

Ministerium antwortet nur vage auf Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“

Das zuständige Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung bittet für die Beantwortung eines Fragenkatalogs immer wieder um Aufschub. Nach zwei Wochen werden die meisten Fragen schließlich eher vage beantwortet. So heißt es auf die Frage, ob es eine klar definierte Handhabe gebe, welche zusätzlichen Hochwasserschutzmaßnahmen vom Land NRW gefördert werden und welche nicht: „Vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der Schäden sind verallgemeinernde Antworten kaum möglich. Bei geschädigten Gebäuden sind schadensmindernde Maßnahmen möglich.“

Auf die Frage, warum den Betroffenen von den Mitarbeitenden der Service-Hotline stets Hoffnung auf Zuschüsse für zusätzlichen Hochwasserschutz gemacht worden sei, die Anträge aber dann oft abgelehnt werden, antwortet das Ministerium: Das „Servicetelefon Wiederaufbau“ habe die Aufgabe, allgemeine Fragen zum Ablauf des Antragsverfahrens zu beantworten sowie Grundlagen aus der Förderrichtlinie zu erläutern.

„Sie kann am Telefon keine vollumfängliche Auskunft zum Einzelfall geben und verweist hierzu in der Regel auf die Bewilligungsbehörden, die den Antrag sowie die vorgelegten Unterlagen prüft und nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles entscheidet.“ Was  „Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls“ bedeutet, wird nicht erläutert.

Kriterien für Förderleistungen nicht klar benannt

Im Zuge des Hochwassers vom Sommer 2021 konnten auch Hausbesitzer, die nicht versichert waren, bis zu 80, in Härtefällen bis zu 100 Prozent ihres Schadens erstattet bekommen. Die großzügigen Hilfen waren kurz vor der Bundestagswahl beschlossen worden. Die Flut beherrschte seinerzeit die Schlagzeilen und bestimmte auch das politische Geschehen mit, ein Lächeln während einer Solidaritätsveranstaltung im Ahrtal könnte dem damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet den Sieg gekostet haben. 30 Milliarden Euro stellte das Bundeskabinett für einen Fluthilfe-Fonds zur Verfügung. Besonders profitierten davon Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, die nicht oder nicht ausreichend versichert waren.

So froh die meisten von der Katastrophe Betroffenen waren, einen Großteil des Wiederaufbaus bezahlt zu bekommen, so seltsam mutet es an, wenn die Kriterien für die Förderleistungen nicht klar benannt werden – und einige Menschen, wie ebenfalls in Rösrath geschehen, Zuschüsse für Schottsysteme zum Hochwasserschutz erhalten – und andere nicht.

Was es bedeutet, dass „nach den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalles“ entschieden wird, haben viele Betroffene erlebt – mit unterschiedlichem und nicht nachvollziehbarem Ausgang. Statt die Kriterien für Förderzuschüsse klar zu benennen, bat das Ministerium den „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Anträge von Margret Barth und Familie Lambertz zur erneuten Prüfung zuzusenden.  Mit überraschendem Ausgang: beide Anträge auf zusätzlichen Hochwasserschutz würden nun „positiv entschieden“, teilte das Ministerium mit.

Warum der Sinneswandel nach der Anfrage der Zeitung? In einem Fall sei der Antrag auf Hochwasserschutz getrennt gestellt worden, teilt das Ministerium mit. „Jetzt ist aber klar, dass die Maßnahmen mit der Schadensbeseitigung an Bauteilen auch direkt verbunden sind. Mit diesen Veränderungen konnte für beide Anträge ein Weg gefunden werden.“ Die Wege der Fluthilfeförderung bleiben unergründlich. 

Abgelehnte Anträge werden plötzlich doch bewilligt

Die Kehrtwende des Landes NRW lässt darauf schließen, dass viele Betroffene, die zusätzlichen Hochwasserschutz installieren lassen, ebenfalls Anspruch auf Zuschüsse haben. Nicht rechtlich, weil es sich um sogenannte Billigkeitsleistungen handelt – aber verhältnismäßig – die Einzelfälle vergleichend.

Hoffnung können sich nach der erneuten Prüfung der zwei Rösrather Fälle auch Betroffene machen, die zunächst einen ablehnenden Bescheid für die Förderung von zusätzlichem Hochwasserschutz erhalten haben. Zudem Hausbesitzer, die voll versichert waren, aber ihre Immobilien vor künftigen Hochwassern besser schützen wollen. Auch diese könnten Förderungen beantragen, heißt es aus Düsseldorf. „Die Maßnahmen müssen aber Bestandteil eines Antrages zur Schadensbeseitigung sein.“

In Rheinland-Pfalz lassen die zuständigen Behörden wissen, dass „hochwasserangepasstes Bauen förderfähig ist“. Eine „hochwasserangepasste Bauweise soll dafür sorgen, dass bei einem Starkregen- und Hochwasserereignis Todesfälle sowie Verletzungen der körperlichen Unversehrtheit vermieden werden“, informiert eine Sprecherin der Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz.

Die Fördermöglichkeiten für zusätzlichen Hochwasserschutz werden im insgesamt noch stärker betroffenen Rheinland-Pfalz in allen Förderrichtlinien deutlich benannt. Beschwerden über nicht gezahlte Zuschüsse für zusätzlichen Hochwasserschutz seien bislang nicht bekannt, sagt eine Sprecherin des Helferstabs Hochwasser Ahr.

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