BraunkohleRWE will Lützerath noch in diesem Winter abbaggern

Lesezeit 4 Minuten
Nordrhein-Westfalen, Jüchen: Ein Schaufelradbagger arbeitet im Braunkohletagebau Garzweiler. Im Hintergrund ist die Ortschaft Lützerath zu sehen.

Ein Braunkohlebagger frisst sich ein paar hundert Meter vor der Ortschaft Lützerath durch den Tagebau Garzweiler II.

Das Ende des Dorfes Lützerath am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler II steht offenbar unmittelbar bevor. Laut RWE-Finanzvorstand sei die Räumung des besetzten Dorfs in diesem Winter erforderlich. 

Der vorgezogene Kohleausstieg im Jahr 2030 wird von der NRW-Landesregierung in einer neuen Leitentscheidung festgeschrieben, die noch vor der Sommerpause 2023 beschlossen werden soll. Darüber hat Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) den Wirtschaftsausschuss des Landtags informiert.

Das Ende des Tagebaus Garzweiler wird um acht Jahre vorgezogen, die noch zu gewinnende Kohlemenge im Vergleich zur Leitentscheidung vom März 2021 deutlich verringert.

Fünf gerettete Dörfer zu neuem Leben erwecken

Bis zum Sommer müssten die Grundlagen für eine Rekultivierung der Region erarbeitet werden. Gleichzeitig gehe es darum, die fünf geretteten Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich und Berverath mit neuem Leben zu erfüllen. Das gelte auch für den Ort Morschenich, dessen Erhalt schon länger feststeht.

Alles zum Thema RWE

„Das vorgezogene Ende des Braunkohleabbaus muss geordnet ablaufen und im Interesse der Menschen gestaltet werden“, sagt Neubaur. „Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass aus den Tagebaulöchern, zerschnittenen Landschaften und Dörfern eine Modellregion für die Zukunft entwickelt werden kann. Zusammen mit dem massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Anstrengungen im Strukturwandel wird uns die Transformation des Rheinischen Reviers zu einer nachhaltigen Energie- und Wirtschaftsregion gelingen.“

Neue Leitentscheidung zur Kohle kommt im Sommer 2023

CDU und Grüne hätten im Koalitionsvertrag zeitnah eine neue Leitentscheidung angekündigt. Der Fahrplan auf dem Weg dorthin stehe jetzt fest.

Der Prozess soll mit Fachgesprächen über die Frage starten, welche räumlichen Konsequenzen der beschleunigte Kohleausstieg hat. Gleichzeitig will die Landesregierung mit den Kommunen in den Dialog treten, die an den Tagebau grenzen. Das gelte auch für die Menschen aus den fünf Dörfern, die bestehen bleiben, unabhängig von der Frage, ob sie noch in ihrer alten Heimat leben oder sie schon verlassen haben.

Im Oktober hatten sich das NRW-Wirtschaftsministerium mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der RWE AG auf das Vorziehen des Kohleausstiegs um acht Jahre auf 2030 verständigt. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, die noch zur Verstromung verfügbare Braunkohlemenge im Tagebau Garzweiler II auf rund 280 Millionen Tonnen zu halbieren und bislang von Umsiedlungen bedrohte Dörfer zu erhalten. Der Braunkohleabbau in den Tagebauen Inden und Hambach endet im Jahr 2029.

Eine neue Leitentscheidung ist erforderlich, um die Eckpunkte dieser Vereinbarung mit RWE in Vorgaben umzusetzen, an denen sich die nachfolgenden Verfahren in der Region orientieren können.

Dorfgemeinschaft stellt ihre Zukunftsvision vor

Eine Gruppe von Bewohnern der fünf geretteten Dörfer, die sich zur Dörfergemeinschaft „KulturEnergie“ zusammengeschlossen haben, wollen am kommenden Donnerstag in Wanlo ihre Visionen für die Zukunft der Ortschaften vorstellen.

Das Ende der Ortschaft Lützerath, die nach der Aufgabe des letzten Hofs und einer letztinstanzlichen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster abgebaggert werden kann, könnte in den nächsten Wochen besiegelt werden.

RWE-Finanzvorstand Michael Müller sagte am Donnerstag bei der Vorlage der Quartalszahlen in Essen, die Räumung des von Klimaaktivisten besetzten Dorfs sei noch in diesem Winter erforderlich.

RWE will Rodungsperiode im Winter zur Räumung nutzen

Es gehe darum, die aus der Sicherheitsbereitschaft zurückgeholten Braunkohleblöcke sowie die beiden jetzt länger laufenden Blöcke mit Braunkohle zu versorgen, sagte Müller am Donnerstag in Essen. Dazu sei es erforderlich, dass der Tagebau wie geplant fortschreite. „Insofern muss auch im Rahmen der Rodungsperiode im Winter eine Räumung von Lützerath erfolgen“, sagte Müller. Wann die Rodung beginnen solle, wisse er nicht.

Klimaaktivisten und Umweltschützer, die in Lützerath ausharren, haben für den kommenden Samstag, 12. November, 12 Uhr, zu einer weiteren Demonstration in der Ortschaft aufgerufen. Zeitgleich zur 27. UN-Klimakonferenz in Ägypten fordern sie einen Kohleausstieg in Deutschland, der mit der Einhaltung der im Pariser Klimaabkommen festgelegten 1,5 Grad-Grenze vereinbar ist.

RWE mit glänzenden Quartalszahlen

Der RWE-Konzern hat am Donnerstag glänzende Quartalszahlen vorgelegt. Das um Sondereffekte bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) kletterte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gut 70 Prozent auf 4,1 Milliarden Euro. Als Gründe gab das Unternehmen eine hohe Stromnachfrage, mehr Grünstrom-Produktion und ein „äußerst starkes“ Handelsgeschäft an.

Während die Gewinne bei den erneuerbaren Energien und im Handel stark zulegten, gingen sie im Segment Kohle und Kernenergie, das RWE nicht mehr zum Kerngeschäft zählt, zurück. Grund seien unter anderem Kraftwerksschließungen. Auch sei die Stromproduktion der deutschen Braunkohlekraftwerke und des RWE-Kernkraftwerks bereits langfristig vor der aktuellen Energiekrise verkauft worden.

Das Unternehmen bestätigte seinen Ausblick für das Gesamtjahr. Demnach peilt es 2022 beim operativen Ergebnis weiterhin einen Wert zwischen 5 Milliarden und 5,5 Milliarden Euro an. Das bereinigte Nettoergebnis soll zwischen 2,1 und 2,6 Milliarden Euro liegen. Das Dividendenziel liege unverändert bei 90 Cent je Aktie. (mit dpa)

KStA abonnieren