Schule und PandemieKölner Lehrerin berichtet vom Chaos der „präsenzfreien“ Woche

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Die Kölner Lehrerin, die ausführlich über ihren Schulalltag berichtet, möchte anonym bleiben. (Symbolfoto)

  • ​Eine Lehrerin aus Köln, die anonym bleiben möchte, berichtet, wie Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern die letzte Unterrichtswoche im Coronajahr 2020 überstehen.
  • Ein Gastbeitrag.

Köln – Montagmorgen in NRW: Chaos. Anfang letzter Woche beteuerte Kultusministerin Gebauer (empört über die Vorschläge der Leopoldina) noch, dass es mit ihr ein Aussetzen der Schulpflicht nicht geben werde. Aller (RKI-)Empfehlungen zum Trotz wurde auch der Hybridunterricht bis zuletzt sogar so vehement abgelehnt, dass – wie in Solingen – nicht davor zurückgeschreckt wurde, Verbote und Mahnungen bei Missachtung dieser Regelung auszusprechen.

Dann kam aber (mal wieder) alles anders, als gedacht: Eine Mixtur aus Schulpflicht bei gleichzeitiger Aufhebung der Präsenzpflicht auf Wunsch bei den unteren Jahrgängen, gemischt mit Digitalunterricht für die älteren Jahrgänge – allerdings nur, sofern keine Klausuren oder (wichtigen) Klassenarbeiten geschrieben werden. Und sofern kein besonderer (Förder-)Bedarf besteht. Konkret bedeutet(e) das: Chaos.

Hintergrund

Sicher ist Ihnen aufgefallen, dass wir unsere Artikel zum Thema Schule zumeist mit Symbolfotos bebildern. Der Grund dafür sind die streng geschützten Persönlichkeitsrechte von Kindern. Unsere Fotografen dürfen Schüler und Schülerinnen nicht ohne weiteres fotografieren, dafür bedarf es der eindeutigen Zustimmung der Eltern.

Auch Lehrern und Lehrerinnen steht nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu, selber darüber zu entscheiden, welche Informationen über ihre Person an die Öffentlichkeit gelangen. Daher steht den Lehrkräften, die bei uns über ihre Situation an den Schulen berichten zu, das anonym zu tun.

Nachdem Laschet, Gebauer und Co. – anders als in anderen Bundesländern – Gott sei Dank frühzeitig am Freitagmittag (übrigens am Freitag derselben Woche, in der Frau Gebauer montags noch empört über solcherlei Vorschläge gewesen ist) kurz nach der sechsten Stunde (also etwa genau zu der Zeit, zu der die allermeisten SchülerInnen schon ins Wochenende gestartet sind und zahlreiche KollegInnen bereits an die heimischen Schreibtische zurückgekehrt waren) verkündet hatten, dass ab Montag nun (doch) alles anders werde, standen weder Telefon, noch Teams-Messenger, noch Email-Account mehr still: Panische Eltern wollten u.a. wissen, unter welchen Bedingungen ihr Kind ab Montag noch kommen darf, inwiefern für die Kinder Nachteile entstehen, wenn keine Teilnahme am Präsenzunterricht mehr gewünscht ist, ob es Live-Schaltungen in den Präsenzunterricht gäbe, wie ihr Kind nun an die Klassenarbeit kommen solle, die ja eigentlich nächste Woche hätte zurückgegeben werden sollen und – nach den Beschlüssen der Konferenz von Bund und Ländern – ob dann ab Mittwoch alles wieder anders laufen würde.

Woche vor Weihnachten für Hausputz nutzen

Große Fragezeichen also. Und die allermeisten davon nachvollziehbar. Wir LehrerInnen fragten uns allerdings vor allem, für wen und was für eine Art Unterricht wir denn nun eigentlich vorbereiten sollten, ohne zu wissen, welche und wie viele Kinder am Montag überhaupt in der Schule bzw. online erscheinen würden, und wie wir – nachdem der Hybridunterricht ja monatelang so vehement abgeblockt wurde, dass auf dessen Zukunft keiner mehr zu hoffen gewagt hatte – übers Wochenende an die ganzen Datenschutzerklärungen zur Live-Übertragung des Präsenzunterrichts kommen sollten, die per Gesetz Voraussetzung für ebendiese sind. (Seit der jüngsten Überarbeitung der Datenschutzrichtlinien in NRW nimmt man es – abgesehen davon, dass wir LehrerInnen nach wie vor alles über unsere privaten Endgeräte machen müssen, was wir rein theoretisch gar nicht dürften – nämlich sehr genau). Meine Schulleitung fragte sich vermutlich, ob man sie auf den Arm nehmen wolle. 

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Am zweiten Schultag nach der Kehrtwende wird klar: Von Lockdown kann (leider) nicht so richtig die Rede sein. Da Frau Gebauer ihrem Wort treu geblieben ist und es kein (richtiges) Aussetzen der Schulpflicht gibt, ist der Präsenzunterricht theoretisch immer noch die Regel und – anders als im Frühjahr – nur auf Antrag ausgesetzt. Dadurch sind vor allem die untersten Jahrgänge noch immer sehr gut gefüllt, u.a. weil – Kinder plaudern gerne – Mama die Woche vor Weihnachten nochmal nutzen möchte, um das Haus so richtig auf Vordermann zu bringen. Parallel zum Präsenzunterricht gibt es jetzt also Live-Nachhilfe via Teams-Chat oder auch telefonische Beratung; da, wo es möglich ist, erfolgen Live-Schaltungen und natürlich Videokonferenzen mit den älteren Jahrgängen.

Viele Beschwerden von Eltern

Diese allerdings gestalten sich, bedingt durch die Tatsache, dass das Schulinternet theoretisch nicht dafür ausgelegt ist, dass sich eine Vielzahl von KollegInnen gleichzeitig in die Heime der SchülerInnen beamt, nicht ganz einfach bzw. störungsfrei. Zwischen Präsenzunterricht vorher und nachher bleibt aber leider auch keine Zeit, das Ganze von zu Hause aus und mit sicherem Internet zu veranstalten. Auch die elterlichen Beschwerden setzen in guter alter Manier nicht aus: Während sich (nachvollziehbarerweise) darüber beschwert wird, dass trotz längerer Weihnachtsferien und weniger Präsenzunterricht laut Landesregierung an der Anzahl der Klassenarbeiten und Klausuren grundsätzlich festzuhalten ist, sind an Tag zwei (!!) auch die Arbeitsblätter schon wieder zu umfangreich. Und die Videokonferenzen zu selten. Oder umgekehrt.

An ihrer Schule läuft es gut – oder etwas gewaltig schief? Schreiben Sie uns!

Sie unterrichten an einer Schule und wollen, dass wir über Missstände oder ein besonders gut laufendes Projekt berichten? An der Schule ihres Kindes passiert seit einer Ewigkeit nichts in Sachen Fortschritt?

Für alle Fragen, Themenanregungen und Kritik rund um das Thema Schule jeglicher Schulform haben wir ein offenes Ohr! Schreiben Sie uns an schule@dumont.de und wir prüfen, ob und wie wir darüber berichten. Auf Wunsch selbstverständlich anonym. 

Zumindest eines scheint aber bis jetzt festzustehen und würde einem beinahe das Gefühl von Planungssicherheit vermitteln, wenn es denn vernünftig kommuniziert worden wäre: Eine Änderung mitten in der Woche ist nicht geplant. Die allgemeinen Lockdown-Maßnahmen greifen für die Schulen in NRW nur (sehr) bedingt. Anstelle von Präsenz- oder Hybrid- oder Digitalunterricht gibt es jetzt irgendwas dazwischen. Aber das zumindest mit Sicherheit.

Bis Freitag. Blöd nur, dass es fast im ganzen Land anders läuft und diese Info offensichtlich so schlecht verbreitet wurde, dass es z.B. im Radio heißt, ab heute seien alle Schulen geschlossen und die LehrerInnen schon wieder in den Corona-Ferien. Stimmt nicht. Hat aber den Effekt, dass die Schule heute morgen unerwartet leer war und wir zahlreiche überraschte Eltern aus dem Bett klingeln mussten, um ihnen mitzuteilen, dass ihre Kinder (theoretisch) unentschuldigt fehlen, wenn man sie nicht noch nachträglich vom Präsenzunterricht befreit… Ein Spaß. 

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