„Hohes Risiko“Corona-Ausbruch in Flüchtlingsheim ist mahnendes Beispiel für Köln

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Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen an der Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin

Polizisten und Mitarbeiter des Ordnungsamtes in Schutzanzügen an der Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin

  • Auch in Köln ist das Risiko für einen Corona-Ausbruch in Flüchtlingsheimen hoch.
  • Claus-Ulrich Prölß, Vorsitzender des Kölner Flüchtlingsrats, erklärt, wo in Köln die Probleme liegen und wie die Unterbringung derzeit in der Stadt geregelt ist.
  • Außerdem spricht er über die Klagen von Geflüchteten wegen mangelnden Gesundheitsschutzes gegen die Stadt Köln und die Folgen des Besuchsverbots.

Köln – Der Corona-Ausbruch mit bislang 130 Infizierten in einer Flüchtlingsunterkunft in Sankt Augustin-Niederpleis lenkt den Blick auf die Gefährdung von Asylbewerbern in Massenunterkünften – und die hygienischen Zustände dort.

Die Verbreitung des Virus ist in den Heimen aufgrund von Gemeinschaftsschlafzimmern, Sammelduschen und -küchen nur schwer aufzuhalten – Kontakteinschränkungen und Hygieneregeln können oft nicht eingehalten werden.

„Das Risiko einer Infektion in den Unterkünften ist außerordentlich hoch“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Vorsitzender des Kölner Flüchtlingsrats. Das liege daran, dass für die Einrichtungen „andere Standards gelten als für den Rest der Gesellschaft“. So würden die Menschen in der Unterkunft in Bayenthal in so genannten „Kohorten aus bis zu 80 Menschen“ zusammengefasst, die sich nicht nur einen Wohnblock teilen, sondern auch Essräume, Duschen und Toiletten. „In vielen Zimmern schlafen vier bis acht Leute.“

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Für Flüchtlingsheime gelten andere Regeln

Nach im April erlassenen neuen Arbeitsschutzstandards gelten während der Corona-Krise für Erntehelfer oder Mitarbeiter aus Schlachtbetrieben neue Regeln: Die Belegungen der Wohnräume sind nach Möglichkeit zu halbieren, Bewohner müssen nachweislich genug Platz haben, um Abstand zu halten. „Für Flüchtlingsheime gilt das leider nicht“, sagt Prölß. „Das kann eigentlich nicht sein, da wird mit zweierlei Maß gemessen. Man weiß natürlich, dass die Regeln in Sammelunterkünften nicht eingehalten werden können.“

Dass Geflüchtete in Einzelfällen erfolgreich auf mangelnden Gesundheitsschutz klagen – so geschehen bei einer Asylbewerberin und ihrem Mann in einer Einrichtung in Rheine – werde hingenommen. In Köln haben bislang sieben Bewohner aus Flüchtlingsheimen geklagt – in einem Fall wurden der Stadt strengere Hygienevorschriften für die Duschen auferlegt, andere Urteile stehen noch aus. „Bei Menschen aus der Risikogruppe unterstützen wir Klagen“, sagt Prölß. „Sie dürften gar nicht erst in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden.“

Zwangsläufig geduldet bleibt in den Massenunterkünften, was im öffentlichen Raum ein Bußgeld nach sich ziehen würde: Ansammlungen von vielen Menschen.

Noch kein Kölner Flüchtlingsheim betroffen

Die Stadt Köln ist bislang von einem Covid-19-Ausbruch in Flüchtlingsheimen verschont geblieben. Seit 1. April sind sieben Bewohner und ein Mitarbeiter aus Unterkünften positiv auf das Virus getestet worden – vier davon in der Herkulesstraße in Neuehrenfeld. Dort haben die positiven Tests dazu geführt, dass die gesamte Einrichtung sich noch bis Ende Mai – und damit insgesamt für einen ganzen Monat – in Quarantäne befindet. Niemand darf rein, niemand darf raus. Die Familie mit dem Infizierten wurde verlegt. In den Essensräumen gibt es Abstandsmarkierungen, die Bewohner tragen Bändchen, um unterschieden werden zu können. Zwei Security-Bedienstete überwachen die Durchsetzung der Regelungen.

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Das Besuchsverbot gilt auch für Psychologen, Pädagogen und Sozialarbeiter. „Das ist für Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten kommen, ein besonderes Problem“, sagt Prölß. Zum schwierigen Gesundheitsschutz geselle sich das Problem, dass viele Kölner Einrichtungen nicht auf zuverlässige Internetverbindungen zugreifen könnten. „Eine kurzfristige Erhebung der Stadt hat ergeben, dass mindestens 18 Einrichtungen kein flächendeckendes Wlan haben“, sagt Prölß. „Viele Heime haben nur einen kleinen Hotspot, der lediglich über eine kurze Distanz reicht – was wiederum automatisch zu Menschenansammlungen führt. Die Kinder werden momentan alle digital beschult. Das ist in vielen Einrichtungen gar nicht möglich.“

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