„Ich schrie um Hilfe“Schwarzbuch offenbart neue Missstände an der Kölner Uniklinik

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Streikende protestieren vor der Agneskirche.

Köln – Auch nach zehn Wochen Streik geht das Kräftemessen zwischen den sechs Unikliniken und den Beschäftigten weiter. Die Mitarbeitenden haben am Montag zu einer Veranstaltung in die Kölner Agneskirche eingeladen, um das sogenannte Schwarzbuch vorzustellen. Darin beschreiben Pflegende, aber auch Personal aus anderen Bereichen in den Kliniken ihren Arbeitsalltag. Es sind Geschichten von Überforderung und Überlastung, zum Nachteil des Personals und der Patienten. Es sind Geschichten, die betroffen machen.

Etwa die von Herrn Klein, der anders heißt und von dem Schwester Leyla von der Uniklinik Aachen berichtet. Der 80-Jährige sei nach einer Magen-Operation auf ihre Station - mit 65 Betten und nur fünf examinierten Mitarbeitenden - verlegt worden, auf der es mal wieder drunter und drüber ging. Zeit, um nach dem Patienten zu schauen, blieb nicht. Und so fanden die Pflegenden den Mann am Abend im Zimmer, als sich sein Gesundheitszustand stark verschlechtert hatte. Herr Klein musste reanimiert werden und starb schließlich. „Ich mache mir bis heute Vorwürfe. Wenn ich früher ins Zimmer gegangen wäre, hätte ich ein Leben gerettet.“

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Pflegerin Steffani Schumacher berichtet von der Überlastung im Pflegealltag.

Auch Andreas, der in der Radiologie der Uniklinik Bonn arbeitet, berichtet von einem Tag, der ihn völlig überforderte. Er hatte alleine Dienst in der Röntgenabteilung, als ein Epilepsie-Patient mitten in einer CT-Aufnahme einen Anfall erlitt. Weil er den Mann festhalten musste und er allein war, konnte er das Telefon nicht erreichen, um Unterstützung anzufordern. „Ich schrie um Hilfe, aber keiner hörte mich.“ Schließlich musste er den Mann loslassen, um einen Arzt zu erreichen. Während des Vorfalls sei ihm fast schwarz vor Augen geworden.

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Zahlreiche Zuschauer verfolgte die Veranstaltung in der Agneskirche.

Steffen (Patiententransport Uniklinik Bonn) erinnert sich an einen Patienten, der erstickt sei, weil er stundenlang auf einen Transport warten musste und niemand bei ihm war, der bemerkt hätte, dass die mitgegebene Sauerstoffflasche leer war. Stefanie Börgener von Uniklinik Köln berichtet von einer Auszubildenden, die keine Zeit hatte, einen sterbenden 92-jährigen Patienten zu betreuen. Und Stefani Schumacher von der Kölner Uniklinik erzählt, wie ein Verstorbener nicht zeitnah versorgt werden konnte. Um ihn schließlich in einem Leichensack unterzubringen, habe man ihm einen durch die Leichenstarre abstehenden Arm brechen müssen.

Prominente lesen Berichte

Mit dabei waren auch Prominente wie Kabarettist Christoph Siebert und Kriminalbiologe Mark Benecke, die Berichte von Pflegenden vorlasen. „Es ist nicht Euer Kampf“, sagte Siebert. „Es ist der Kampf der gesamten Gesellschaft.“ Renditeerwartungen im Gesundheitswesen müssten zugunsten des Wohls von Patienten und Mitarbeitenden zurückstehen. „Es ist ein trauriger Witz, dass ihr hier stehen müsst“, sagte Benecke. Nötig sei nun, dass mehr Geld in die Kliniken gepumpt werde.

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Kriminalbiologe Mark Benecke setzt sich für die Pflegenden ein.

Die Beschäftigten fordern weiterhin, dass mehr Personal an den Klinken eingesetzt wird. Zudem sollen auf den einzelnen Stationen im Rahmen eines Tarifvertrags auf Entlastung zugeschnittene Konzepte erarbeitet werden. Im Kern sieht das Konzept vor, dass Mitarbeitende Belastungspunkte erhalten, wenn sie in unterbesetzten Schichten arbeiten. Diese Punkte sollen gesammelt und in freie Tage getauscht werden können. Die Kliniken bieten dagegen pauschal sieben freie Tage für Pflegende am Bett und einige weitere, aber nicht für alle Gruppen an.

„Zeit des Schweigens ist vorbei”

Die Mitarbeitenden lehnen die pauschale Vergütung mit freien Tagen ab und fordern, dass alle Gruppen berücksichtigt werden, auch die Beschäftigten von Radiologie, Laboren, Notaufnahmen, IT, Service, Ambulanzen. „Wir lassen uns nicht brechen, einschüchtern und auseinanderbringen“, sagt Pflegerin Anuschka Mucha. „Die Zeit des Schweigens ist vorbei.“

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Positiv wurde bewertet, dass die Kliniken nicht mehr den Arbeitgeberverbänden angehören und somit die rechtlichen Voraussetzungen hätten, um mit den Mitarbeitenden zu verhandeln, sagte Intensivpfleger Albert Nowak, der in der Uniklinik Köln arbeitet. Zudem habe Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zugesagt, dass das Land durch mehr Personal entstehende Kosten finanziere, die nicht von den Krankenkassen übernommen werden. Nun müssen die Arbeitgeber liefern, so Nowak.

Unterstützung von der Politik

Unterstützung erhielten die Pflegenden von Politikern, die in der Agneskirche anwesend waren. „Wir stehen bedingungslos hinter Euch“, sagte der Landesvorsitzende der Linken, Jules El-Khatib. Die Kölner Landtagsabgeordnete Lena Teschlade (SPD) kündigte an, den Druck auf die Regierung in Düsseldorf hoch zu halten. Willi Harz vom Kreisverband der Grünen verlas einen offenen Brief, mit dem an die Kliniken appelliert wurde, die Forderungen der Beschäftigten zu erfüllen. Auch Laura Litzius (FDP) signalisierte Unterstützung. Lediglich von der CDU meldete sich kein Vertreter zu Wort.

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