Abkehr vom AutoStudie zeigt, wie sich die Kölner fortbewegen

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Für Radfahrer ist Köln noch immer ein schwieriges Pflaster. Symbolbild

  • Eine Untersuchung der Mobilität der Kölner zeigt einen klaren Trend hin zum Radfahren. Zwischen den Stadtbezirken gibt es aber große Unterschiede.
  • Zwei Tage vor der entscheidenden Gerichtsverhandlung um mögliche Diesel-Fahrverbote legt Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Ergebnisse vor.
  • Eine überzeugende Botschaft an die Richter in Münster?

Köln – Fast 90 Prozent der Kölner gehen im Alltag gerne zu Fuß, jeder Fünfte ist äußert ungern mit dem Auto unterwegs, das Fahrrad wird deutlich mehr für Fahrten zu Arbeit und Ausbildung als in der Freizeit eingesetzt und seine Nutzer haben den Schrecken vor langen Strecken längst verloren. Fünf Prozent aller Wege, die in Köln mit dem Rad zurückgelegt werden, sind auch dank E-Bike und Pedelec zwischen 20 und 30 Kilometer lang.

Ist das eine Botschaft an das Oberverwaltungsgericht in Münster? Zwei Tage vor der entscheidenden Verhandlung um mögliche Diesel-Fahrverbote am kommenden Donnerstag legt die Stadtverwaltung sich noch einmal mächtig in Zeug. Dem Verkehrsausschuss des Stadtrats präsentiert sie in der Sitzung am Dienstag (17 Uhr, Spanischer Bau des Rathauses, Raum B 121) die Kölner Ergebnisse einer Untersuchung zur Mobilität ihrer Bürger unter der Überschrift: „Verkehrswende in Deutschland in vollem Gange“.

Rückschlüsse auf die Mobilität in allen neun Stadtbezirken

Die Daten sind zwar nicht taufrisch, sie beziehen sich auf eine deutschlandweite Studie des Bundesverkehrsministeriums aus dem vergangenen Jahr. Sie trägt den Titel „Mobilität in Deutschland“ (MiD). Die Stadt hat damals jedoch draufgesattelt, 70 000 Euro zusätzlich investiert und für dieses Geld verfeinerte Daten abgefragt, als Basis statt 742 insgesamt 2242 Haushalte mit 4298 Menschen interviewen lassen, die im Untersuchungszeitraum rund 13 000 Wege zurücklegten.

Alles zum Thema Henriette Reker

Das macht die Studie repräsentativ und lässt Rückschlüsse auf die Alltagsmobilität in allen neun Stadtbezirken zu. Da gibt es zum Teil große Unterschiede. So variiert beispielsweise die Autonutzung in der Arbeitswoche von 23 Prozent in der Innenstadt bis 54 Prozent in Chorweiler, die Nutzung von Bahnen und Bussen von 17 Prozent in Lindenthal bis 30 Prozent in Ehrenfeld, die Radnutzung von acht Prozent in Chorweiler bis 26 Prozent in Lindenthal sowie beim Fußverkehrsanteil von 20 Prozent in Chorweiler bis 35 Prozent in der Innenstadt.

Die Bahnen der KVB sind heute schon an der Kapazitätsgrenze.

Die Bahnen der KVB sind heute schon an der Kapazitätsgrenze.

Die Grundbotschaft ist klar. Das Auto – genauer gesagt der motorisierte Individualverkehr – kann in keinem der neun Stadtbezirke mehr zulegen, lediglich Chorweiler weist mit einem Plus von einem Prozent gegenüber der letzten Untersuchung aus dem Jahr 2006 eine minimale Steigerung auf. Am deutlichsten ist das Minus in Ehrenfeld (minus 13 Prozent), Rodenkirchen (minus 12) und Mülheim (minus zehn). Das Fahrrad zählt in Nippes (plus zehn Prozent) und Lindenthal (plus neun) zu den großen Gewinnern.

Gute ÖPNV-Anbindung verringert die Auto-Nutzung

Die radikale Abkehr vom Auto in Rodenkirchen und Ehrenfeld steht nach Auffassung der Stadtverwaltung in engem Zusammenhang mit der guten Erschließung durch die KVB, während in Stadtteilen mit schlechter Erreichbarkeit wie Vogelsang oder Immendorf der Pkw-Anteil am Gesamtverkehr deutlich höher ist. Dass die Straßen in Köln trotz des offensichtlichen Rückgangs beim Autoverkehr weiterhin stark belastet sind, liegt auch an der Untersuchungsmethode. Beim Anteil der Wege, die mit einem bestimmten Verkehrsmittel unternommen werden, zählen nur die Personen, die in Köln gemeldet sind. Einpendler oder Transitverkehr werden bei diesem sogenannten Modal Split nicht berücksichtigt. Die Untersuchung blickt aber auch über Kölns Stadtgrenzen hinaus und befasst sich auch mit dem Gebiet des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg (VRS).

Verkehr Köln Stau SCHMÜLGEM

Für viele Pendler aus dem Umland bleibt das das Auto das Verkehrsmittel der Wahl.

Da wird sofort deutlich, wie Köln entlastet werden könnte, wenn die Menschen aus den angrenzenden Städten und Gemeinden beim Pendeln auf einen zuverlässigen und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr umsteigen könnten.

Denn neben Köln schafft es nur noch Bonn, dass mehr als 50 Prozent aller Wege nicht mit dem Auto, sondern zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. In allen Kreisen und auch in der Stadt Leverkusen ist das Auto mit deutlich über 50 Prozent das absolut dominierende Verkehrsmittel. Im Oberbergischen Kreis werden sogar drei von vier Wegen mit dem Auto zurückgelegt. Das führt dazu, dass das Auto auch im gesamten Gebiet des VRS mit 52 Prozent Wegeanteil das dominierende Verkehrsmittel ist. Ohne den Kölner Modal Split-Anteil gehen die Anteile für alle Verkehrsmittel im Verbundraum insgesamt um fünf Prozent zurück. Der Anteil des Autos liegt dann exakt auf dem Bundes- und Landesdurchschnitt: nämlich bei 57 Prozent.

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Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Tatsache, dass ver Schienenpersonennahverkehr seinen Anteile am Verkehrsmix seit 2006 nicht erhöhen konnte, obwohl die Fahrgastzahlen Jahr für Jahr gestiegen sind. S-Bahnen und Regionalzüge sind in den Hauptverkehrszeiten keine Alternative, weil sie schon jetzt völlig überlastet sind. Das wird sich noch über Jahre hinziehen, weil beim Ausbau des Bahnknotens Köln vor 2030 nicht mit ersten Ergebnissen gerechnet werden kann.

OB Reker will dem Bau von Radschnellwegen forcieren

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker sieht die Ergebnisse der MiD-Studie als Bestätigung der Verkehrspolitik der Stadt. „Wir freuen uns natürlich sehr darüber, dass wir auch im Vergleich zu anderen Metropolen Deutschlands immer besser dastehen“, sagte Reker. „Das gilt zum Beispiel für den überdurchschnittlich hohen Radverkehrsanteil und die erfreulich hohe Anzahl von Carsharing-Mitgliedschaften.“ Jetzt gelte es, „den äußerst positiven Trend im Rad- und Fußverkehr“ durch die beschleunigte Sanierung von Radwegen und den Ausbau des Radwegenetzes weiter zu unterstützen.

Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müsse der Rad- und der öffentliche Nahverkehr auch für längere Strecken, die über fünf Kilometer hinaus gehen, attraktiver gestaltet werden – und zwar in allen Kölner Bezirken. „Deswegen arbeiten wir mit Hochdruck an Radschnellwegen und am Ausbau des Stadtbahnnetzes“, so Reker.

Kölner radeln mehr und längere Strecken

Radfahrerin auf den Kölner Ringen. (Symbolbild)

Radfahrerin auf den Kölner Ringen. (Symbolbild)

Zu 18 Prozent aller Fahrten in Köln wurde 2017 das Fahrrad genutzt. Damit liegt die Stadt drei Prozent über dem Durchschnitt von 15 deutschen Großstädten, die bei der Mobilitätsstudie des Bundesverkehrsministeriums untersucht wurden, darunter Berlin, Bremen, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Dresden, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Leipzig, Stuttgart und München.

So teilt sich der Verkehr in Köln insgesamt auf (in Klammern die Veränderung zu 2006): Auto 35 Prozent (minus 8), Bahn und Bus 21 Prozent (unverändert), Fahrrad 18 Prozent (plus 6), Fußverkehr 26 Prozent (plus 2). Dass Bahnen und Busse ihren Anteil am Verkehrsmix nicht erhöht haben, liegt daran, dass die S-Bahn und die wichtigen KVB-Linien in der Hauptverkehrszeit überlastet sind. Das Fahrrad wird inzwischen für deutlich längere Wege genutzt.

 Auch beim Carsharing ist Köln im Bundesdurchschnitt führend. 22 Prozent aller Haushalte sind mindestens bei einem Unternehmen als Mitglied registriert. In Durchschnitt deutscher Großstädte liegt dieser Wert bei 14 Prozent. Knapp die Hälfte aller Carsharing-Mitglieder (44 Prozent) in Köln nutzt das Angebot mindestens einmal im Monat. (pb)

2,4 Millionen Euro für neue Mobilstationen

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Der Wechsel zwischen den verschiedenen Verkehrsmittel soll leichter werden.

Mindestens 1,2 Millionen Euro wollen die Stadt Köln und die Deutsche Bahn in den Jahren 2020 und 2021 in Mobilstationen investieren, die das Umsteigen zwischen verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln und dem Auto erleichtern sollen. Geplant sind neben Abstellplätzen für Fahrräder und E-Scooter auch sogenannte On-Demand-Shuttles. Darunter sind Kleinbusse zu verstehen, die per App auf Bedarf angefordert werden können. An den Bahnhöfen soll überdies ein flächendeckendes Netz mit intelligenten Schließfächern entstehen, an den Kunden online bestellte Waren abholen können. Geplant ist auch, Sammelstellen, sogenannte Mikro-Hubs einzurichten. Von dort sollen Pakete mit emissionsarmen Kleinstfahrzeugen ausgeliefert werden, so dass die Paketdienste nicht alle einzeln in die Viertel fahren müssen.

Eine Absichtserklärung zu dieser Smart-City-Partnerschaft haben Oberbürgermeisterin Henriette Reker, der Infrastruktur-Vorstand der DB, Ronald Pofalla, und Norbert Reinkober, Geschäftsführer des Nahverkehr Rheinland, am Montag unterschrieben. Die Kooperation wurde zunächst für drei Jahre vereinbart. Die Initiative Smart-City Cologne verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Stadt. (pb)

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