Feuerwehrleitstelle in WeidenpeschEinsatzkräfte im Krisenmodus

Lesezeit 4 Minuten
02042020_MomentaufnahmeEinsatzstabLeitstelle_04

Das Team in Weidenpesch hat zur Zeit alle Hand zu tun.

  • Wie schützt man die Altenheime? Wie baut man ein Behelfskrankenhaus? Und wie bestellt man Atemmasken in China?
  • Die Feuerwehrleitstelle in Köln-Weidenpesch muss sich mit genau diesen Fragen beschäftigen.
  • Ein Lehrstück über Koordination und Organisation.

Köln-Weidenpesch – Er muss lachen über den Vergleich, aber wenn Jörg Seemann über seine Aufgabe im Corona-Leitungsstab der Feuerwehr spricht, klingt er wie ein Big Player im Drogengeschäft. Von geplatzten Lieferungen ist da die Rede, von unterbrochenen Transportketten und starker Konkurrenz auf dem Markt. Seemann sagt Sätze wie: „Im Augenblick zählen vor allem gute Connections“ oder: „Wir haben gerade eine gute Quelle in China aufgemacht.“

Dabei ist das, was Seemann und seine 30 Kollegen vom Sachgebiet „S4“ derzeit leisten, alles andere als kriminell.

Das Team ist zuständig für die Beschaffung von Atemschutzmasken, Schutzanzügen oder Desinfektionsmitteln für die Kölner Feuerwehr. Im Notfall wird das derzeit stark gefragte Material auch an Krankenhäuser, Pflegeheime oder Ärzte weiter gegeben, wenn deren eigene Lieferketten versagen.

Alles zum Thema Feuerwehr Köln

Seemann konkurriert bei der Beschaffung der kostbaren Güter derzeit nicht nur mit den Feuerwehren in München oder Mannheim, sondern auch mit der Polizei in Detroit oder Krankenhäusern in Australien. Alle wollen Masken und Schutzkleidung. „Der Markt ist nahezu leer“, sagt Seemann. „Jetzt ist noch Amerika hinzugekommen und kauft zum Beispiel gerade in China alles auf, was es gibt.“ Da zahlt sich aus, dass die Feuerwehr Köln enge und langjährig gewachsene Beziehungen zu Händlern pflegt – und Desinfektionsmittel lässt sie inzwischen einfach selbst produzieren: Die Feuerwehr besorgt die Rohstoffe, eine Kölner Brauerei liefert das Ethanol, bei Shell wird alles gemischt, Apotheker überwachen die Produktion. „Das ist eine Geschichte der gelebten Solidarität in Köln, wo der eine was hat, was der andere braucht“, freut sich Miller.

Koordiniert werden alle Maßnahmen im Stab Einsatzleitung der Berufsfeuerwehr an der Scheibenstraße. Das Gremium bildet neben dem städtischen Krisenstab unter Leitung des Stadtdirektors das Krisenmanagement der Stadt in Zeiten von Corona. Der Stab Einsatzleitung umfasst neun Sachgebiete, jedes wird von einem Mitarbeiter geführt (siehe Foto). Es gibt die Gruppen A und B, die Übergaben erfolgen elektronisch. So werden die Kontakte untereinander auf ein Minimum beschränkt.

„Die Hochrisikogruppen schützen“

Ruth te Wilde ist Leitende Notärztin, Sachgebiet „S9“, Koordination externer Helfer. Die Feuerwehr setzt verschiedene Taskforces aus Medizinern ein, um vor allem die Ansteckungszahlen in den Alten- und Pflegeheimen niedrig zu halten. „Das Virus wird sich über kurz oder lang in der Stadt ausbreiten. Wir können es nicht stoppen, aber die Dynamik rausnehmen“, sagt Feuerwehrchef Christian Miller. „Wir müssen vor allem die Hochrisikogruppen schützen, um zu verhindern, dass sich das Virus in den Altenheimen ausbreitet.“

Dazu geht die Task Force „Prävention“ in die 130 Heime und berät die Leitungen, welche hygienischen oder baulichen Vorkehrungen getroffen werden können. Das Team „Intervention“ kommt zum Einsatz, wenn konkrete Verdachtsfälle oder Infizierte aus Heimen gemeldet werden. Die Mediziner machen Abstriche vor Ort und beraten mit der Heimleitung, wie der Patient isoliert und die anderen Bewohner geschützt werden können. „In Italien und Spanien gab es über Nacht teilweise 30 Tote in einem Altenheim.“, sagt Miller. „Das hat uns aufhorchen lassen, und da unternehmen wir gerade sehr viele Anstrengungen, damit uns das hier nicht passiert.“

Größere Dimension als erwartet

Die größte Herausforderung sei das Priorisieren, sagt Ruth te Wilde. Angenommen, es komme die Meldung: Covid-Verdachtsfall in einem Seniorenheim. „Und eine Stunde später hat man plötzlich vier Meldungen aus vier Heimen. Dann muss man schauen: Wie bekommen wir das hin? Wo fangen wir an?“

Eine weltweite Pandemie habe er immer für möglich gehalten, sagt Miller, der Umgang mit Infektionslagen sei sogar geübt worden. „Jetzt haben wir diese Lage reell, aber die Dimension ist viel größer als das, was wir damals trainiert haben.“

Die Infektionskurve in Köln steige derzeit noch steil an. Es gebe Szenarien, die vorhersagten, dass im Mai die Kapazitäten in den Krankenhäusern ausgeschöpft sein könnten. Trotz einer „großen Prognoseunsicherheit“ müsse man die Zeit bis dahin nutzen, um Vorsorge zu treffen, sagt Miller. Das Sachgebiet „S7“, der „Thinktank“, hat bereits Pläne für ein Behelfskrankenhaus in den Messehallen für bis zu 500 Patienten entworfen. Die Vorbereitungen laufen, mit dem Bau könnte nächste schon Woche begonnen werden.

Überblick über das Team:

Am vorderen Tisch: Feuerwehrdirektor Christian Miller (stehend) und Stabsleiter Thomas Weiler (links daneben), Jörg Seemann (Logistik) und Svenja Altena (Lage) am unteren Tischende, Dagmar Göring und Norbert Leder (Verwaltung) auf der rechten Seite, Sebastian Brandt (Operative Einsatzführung) am oberen Tischende. Außerdem am hinteren Tisch: Ruth te Wilde und Simon Philippi (Koordination externer Amtshilfe), Dominik Schmitz (Kommunikation/Presse) und Daniel Heu (Einsatzplanung).

KStA abonnieren