Hitze in KölnRettungsdienst verzeichnet am CSD-Wochenende fast doppelt so viele Einsätze wie üblich

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Sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Kölner CSD sitzen vor der Mauer eines Gebäudes und halten Fächer in Regenbogenfarben in der Hand.

Fächer gehörten am CSD-Wochenende in Köln zu den wichtigsten Utensilien (Symbolbild).

Köln hat die bislang heißesten Tage des Jahres hinter sich. Mit dem CSD kam eine Großveranstaltung und bei einigen Besuchern Alkoholkonsum hinzu. Wie wirkte sich das auf das Gesundheitssystem aus? Eine Bilanz.

Das bislang heißeste Wochenende des Jahres hat in Köln zu deutlich mehr Einsätzen des Rettungsdienstes geführt. Samstag und Sonntag stiegen die Temperaturen auf bis zu 35 Grad, wegen des Christopher-Street-Days (CSD) waren zudem Hunderttausende Menschen auf den Straßen unterwegs. Die Auswirkungen der Hitze, teilweise in Kombination mit Alkoholkonsum, haben das Kölner Gesundheitssystem stark gefordert. Der Rettungsdienst verzeichnete in der Spitze fast doppelt so viele Einsätze pro Tag wie üblich – wobei sich die Zahl auf Einsätze aller Art, nicht nur in Zusammenhang mit Hitze, bezieht. 

Kölner Rettungsdienst-Chef: „CSD ruhiger verlaufen, als erwartet“

Üblicherweise hat der Kölner Rettungsdienst an einem Tag bis zu 330 Einsätze, sagt Alexander Lechleuthner, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt Köln. Am Freitag (7. Juli) waren es 469, Samstag (8. Juli) 487 und am Sonntag (9. Juli), dem Tag der Parade, 587. Damit bewegt sich der CSD fast auf dem Niveau der Straßenkarnevalstage. „Weiberfastnacht und Rosenmontag sind es jeweils mehr als 600 Einsätze“, so Lechleuthner.

In der ersten Hitzeperiode des Jahres, vom 19. bis 24. Juni, hätte man im Mittelwert 407 Einsätze pro Tag gehabt, „also rund 20 Prozent mehr als sonst.“ Beim Summerjam lag das Einsatzniveau nur minimal über dem Durchschnitt.

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Lechleuthner zieht trotzdem eine positive Bilanz zum Wochenende. „Glücklicherweise sind die CSD-Tage aus unserer Sicht ruhiger als erwartet verlaufen“, sagt er. Die Auswirkungen der Hitze beobachte aber auch der Rettungsdienst. „Die Menschen, die wir antreffen, sind erschöpft, besonders die direkte Sonneneinstrahlung auf den Kopf ist eine zusätzliche Belastung. Die Hitze setzt den Leuten sehr zu, ebenso wie eine hohe Luftfeuchtigkeit.

Mehr Personal und Fahrzeuge beim Kölner Rettungsdienst

Wochenenden mit derartigen Großveranstaltungen seien für den Rettungsdienst immer eine große Herausforderung, da die Stadt massiv überfüllt sei. „Der CSD ist im Sommer da sicherlich einer der Höhepunkte“, so Lechleuthner. „Aber wir haben Erfahrungswerte für solche Hitze- und Veranstaltungstage und erhöhen die Kapazitäten des Rettungsdienstes entsprechend. Deshalb haben wir einen Sonderbedarf  an Personal und Einsatzfahrzeugen bereitgehalten.“ Bei Veranstaltungen mit Straßensperrungen, wie dem Köln-Marathon oder auch dem CSD, sei man außerdem mit mobilen Fußtruppen vor Ort, da einige Bereiche der Stadt schlechter erreichbar seien.

Zwei Besucher der Parade sitzen auf einer Mauer, halten einen Sonnenschirm über sich und prosten sich mit zwei Gläsern zu.

Zwei Besucher der Parade schützen sich vor der Sonne mit Schirmen.

Sollte die Stadt in den kommenden Sommern mehr Hitzeperioden erleben, würde sich auch der Grundbedarf des Rettungsdienstes dahingehend anpassen, so Lechleuthner. Mit dem „Hitzeaktionsplan für Menschen im Alter“ verfügt die Stadt bereits über einen Maßnahmen- Katalog, mit dem besonders gefährdete Menschen vor der Hitze geschützt werden sollen, wie durch ein Warnsystem und Beratungsangebote.

Es bräuchte aber auch öffentliche Räume in Köln zur Abkühlung, wie klimatisierte Turnhallen. Gerade für ältere Menschen kann das lebensrettend sein.
Beate Müller, Leiterin des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uni Köln

Beate Müller leitet an der Uniklinik Köln das Institut für Allgemeinmedizin und hat am Hitzeaktionsplan mitgewirkt. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit der Rolle der Hausarztpraxis im Klimawandel.

Medizinerin der Uniklinik warnt vor Alkoholkonsum

„Wir funktionieren am besten bei einer Körpertemperatur von 37 Grad. Wenn es draußen heiß ist, wird auch unser Körper wärmer“, sagt Müller. „Dann haben wir zwei Mechanismen, dem entgegenzusteuern: Wir schwitzen, unsere Blutgefäße stellen sich weiter, vor allem an Händen, Armen und Beinen, worüber wir die Hitze abgeben. Um das Blut auf diese erweiterte Fläche zu verteilen, schlägt unser Herz schneller und der Blutdruck sinkt. Das Blut fehlt dann zum Beispiel im Gehirn und wir können uns schlechter konzentrieren, aber auch die Nieren und das Herz sind gefährdeter. Im schlimmsten Fall kann es zu Infarkten oder Schlaganfällen kommen.“

Für Großveranstaltungen wie den CSD ist die Hitzegefahr daher nicht zu unterschätzen. „Mit Blick auf den CSD habe ich mir Sorgen um die Menschen gemacht“, sagt Müller. „Das Problem, wenn man mehr Alkohol trinkt, ist, dass man noch schneller dehydriert, weil man öfter zur Toilette gehen muss. Eigentlich muss man deshalb zu jedem Bier ein Wasser trinken – oder den Aperol Spritz stärker verdünnen. Bei so einer Hitze sollte man den Alkoholkonsum aber lieber von vornherein reduzieren.“

Orte zum Abkühlen in Köln können Leben retten

Für die kommenden Hitzeperioden empfiehlt die Medizinerin außerdem besonders älteren und kranken Kölnerinnen und Kölnern, ihre Medikamenteneinnahme überprüfen zu lassen. „Viele Menschen nehmen Diuretika, sogenannte ‚Wassermittel‘, bei Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder Nierenerkrankungen. Das Problem dabei ist, dass die Patienten das Wasser im Körper mit diesen Medikamenten über den Urin verlieren und zu wenig Wasser verbleibt, um zu schwitzen“, so Müller. „Die Kühlmechanismen greifen dann nicht mehr.“ Im Januar beginnt sie an der Uniklinik mit einem Forschungsprojekt, das sich damit beschäftigt, wie die Medikamentengabe im Sommer angepasst werden muss.

Im Rahmen des Hitzeaktionsplans der Stadt habe die Uniklinik über die Kassenärztliche Vereinigung an alle Praxen in der Kölner Region Hitzetipps, auch zum Schutz des Personals, versendet. „Es bräuchte aber auch öffentliche Räume zur Abkühlung, wie klimatisierte Turnhallen, in die die Menschen sich zurückziehen können“, sagt Müller. „Gerade für ältere Menschen oder für diejenigen, die unterm Dach wohnen, kann das lebensrettend sein.“

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