Köln – Stadtdirektor Stephan Keller spricht im Interview über die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform und das Zusammenspiel mit der Politik.
Herr Keller, Sie sind nach ihrem Wechsel aus Düsseldorf einen Monat im Amt. Wie ist Ihr erster Eindruck? Unterscheiden sich die Kölner und Düsseldorfer in ihrer Mentalität?
Ich sehe da gar nicht so einen großen Unterschied. Im Karneval ist das noch am ehesten der Fall. Ich habe schon in Düsseldorf die Meinung vertreten, dass Köln den Karneval besser kann. Aber ansonsten? Köln ist als Stadt herzlicher, offener. Wenn man das kritisch sehen wollte, könnte man sagen: etwas distanzlos.
Und wie unterscheiden sich die Stadtverwaltungen?
Die Düsseldorfer Verwaltung ist technokratischer unterwegs, vielleicht auch ein wenig unabhängiger, selbstständiger. Und sie tritt deutlich selbstbewusster auf. Im Verhältnis zur Politik, aber auch in ihrem Verhältnis zu Externen.
Wie äußerte sich Selbstbewusstsein einer Verwaltung?
So etwas zeigt sich beispielsweise darin, wie man als Bauherr gegenüber der Bauwirtschaft auftritt. Man hat Düsseldorf als Gegenüber schon sehr respektiert. Die Unternehmen wussten: Da sitzt eine Menge Fachkompetenz und auch eine gewisse Verhandlungskraft in den Reihen der Verwaltung. Diesen Status muss sich Köln wohl wieder ein bisschen erarbeiten.
Haben Sie eine erste Ahnung, was die Ursache dafür sein könnte?
An dieser Stelle nur ein erster Erklärungsversuch: Ich glaube, dass es einer Reihe von Fehlerereignissen liegen könnte, die in den letzten 20 bis 25 Jahren gegeben hat. Dadurch ist in der Belegschaft eine gewisse Verunsicherung entstanden. Ich fange mal mit den Bauskandalen und -skandälchen der 1990er Jahre an. Daraus hat sich ein ausgesprochen sensibler Umgang mit dem Thema Korruptionsbekämpfung ergeben. Das ist erst einmal absolut positiv zu bewerten. Gleichzeitig hat es aber dazu geführt, dass man das Vermeiden von Fehlern zur obersten Handlungsmaxime ausgerufen hat. Das ist sehr schade, da dies die Entscheidungsfreude trotz der starken Fachkompetenz in der Verwaltung der Stadt Köln hemmt.
Also übervorsichtiges Handeln?
Heute wirkt es zumindest so. Seinerzeit mag das richtig gewesen sein. Mittlerweile gibt es aber andere Instrumentarien als Verwaltungsstrukturen so zu organisieren, dass sich dann in der Sache nicht mehr viel bewegt. Es gibt viele Schnittstellen, die zwar Rechtssicherheit bringen sollen. vielleicht aber auch Bürokratie schaffen und die Prozesse verlangsamen.
Mischt sich der Stadtrat zu weit ein in die Arbeit der Verwaltung?
Es geht nicht um ein Einmischen. Aber ich denke schon, dass man über Zuständigkeiten neu nachdenken sollte. Viele kleinteilige Dinge werden im Rat entschieden, die nicht im Rat entschieden werden müssten. Davon könnten sowohl Rat als auch Verwaltung profitieren.
Schuster, bleib bei Deinem Leisten?
Es ist fast so etwas wie ein Teufelskreis: Wenn eine Verwaltung über einen längeren Zeitraum hinweg, vorsichtig gesagt, suboptimale Ergebnisse liefert, dann entwickelt Politik verständlicherweise einen Reflex, sich einzumischen. Ratsmitglieder und Bezirksvertreter werden von den Bürgern in ihrem Wahlkreis angesprochen, warum die Dinge nicht funktionieren. Warum wird die Schule nicht erweitert, warum fällt die Ampel immer wieder aus, wann wird die Kreuzung verbessert? Das Einmischen der Politik führt in der Verwaltung womöglich zu Verunsicherung, und Verunsicherung ist keine gute Motivation. So kann sich das hochschaukeln.
Glauben Sie, dass die Kölner Verwaltung durch den Einsturz des Stadtarchivs traumatisiert ist?
Trauma würde ich es nicht nennen. Aber natürlich hat das Unglück dazu beigetragen, dass man sich in Köln eine große Bauaufgabe wie etwa eine U-Bahn nicht mehr so ohne weiteres zutraut. Das Thema Oper tut ein weiteres dazu. Dann gab es auch noch die unglücklichen Pannen bei den Wahlen. Diese können schon mal passieren, ohne dass einer etwas grundlegend falsch gemacht hätte. Aber durch solche Vorgänge entsteht das Image, dass die Verwaltung Aufgaben nicht ordentlich bewältigt.
Was folgt aus all dem für Ihre Arbeit, was wollen Sie als erstes angehen?
Ich glaube, dass die von der Oberbürgermeisterin initiierte Verwaltungsreform genau die richtige Antwort ist auf das, was sich in Jahren und Jahrzehnten aufgetürmt hat. Wir werden eine über Jahre währende tiefgreifende Reform erleben, nicht nur den Umbau einiger Ämter. Am Ende werden die Kölner eine leistungsfähigere, effizientere und kundenfreundlichere Verwaltung haben.
Wir haben in unserer Serie „Köln-Barometer“ am vorigen Samstag über eine groß angelegte Mitarbeiterbefragung berichtet.
Es ist auffällig, dass der Veränderungsbedarf in allen möglichen Bereichen und über alle Hierarchieebenen hinweg als groß angesehen wird. Die Führungskräfte sind genauso davon überzeugt, dass sich beispielsweise in der Führungskultur etwas ändern muss, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Verbesserung in Sicht?
Wie lange müssen wir uns noch gedulden, bis eine Verbesserung zu erkennen ist?
Mir ist wichtig, dass wir sehr schnell konkrete Themen lösen. Die Bürgerämter wären ein Bereich, den im mir gleich zu Beginn raussuchen würde.
Die mussten im vorigen Sommer wegen Überlastung und stundenlanger Wartezeiten schließen.
Meine Mitarbeiter haben mal einige Zahlen ausgewertet. Durchschnittlich wartet jeder Besucher 81 Minuten. Das ist zu viel, finde ich. Andererseits werden nur 22 Prozent aller Anliegen über vorher vereinbarte Termine abgewickelt. In Düsseldorf sind wir dazu übergegangen, bestimmte Dienstleistungen nur noch über Termine anzubieten, zum Beispiel einen neuen Personalausweis. Das hat anfangs ein bisschen Knatsch gegeben, ist inzwischen aber absolut akzeptiert. Wir haben dadurch eine hervorragende Grundlage für die Planung des Personaleinsatzes geschaffen. So etwas würde ich hier gerne einmal ausprobieren.
Ein großes Problem ist es doch, genügend gutes Personal für die Verwaltung zu bekommen. Da kann der öffentliche Dienst mit privaten Arbeitgebern einfach nicht mithalten.
Ich bin nicht sicher, ob das tatsächlich so stimmt. Ich höre in meinen Gesprächen mit den Amtsleitern jedes Mal, man brauche mehr Personal. Dabei ist der Personalbestand in den zurückliegenden drei Jahr um mehr als 1000 Menschen gewachsen. Der Reflex, nach mehr Personal zu rufen, ist in der Verwaltung stark ausgeprägt.
Sie sind als Ordnungsdezernent für den öffentlichen Raum zuständig. Die Frage, was eine Großstadt aushalten muss, ist für einige Plätze immer noch nicht geklärt. Es gibt ein geändertes Freizeitverhalten, die Ausgehzeiten haben sich verschoben. Noch immer gilt die Regel, dass ab 22 Uhr Ruhe herrschen muss. Ist das zeitgemäß?
Da lässt sich abstrakt keine Grenze ziehen. Es kommt immer auf den Charakter einer Örtlichkeit an. Wer in der Altstadt wohnt, der weiß, dass er nicht in einem Sanatorium zu Hause ist. Der muss schon eine gewisse Toleranz gegenüber Party-Phänomenen aufbringen. Auf der anderen Seite haben wir den Brüsseler Platz, der übrigens bundesweit ein Symbol für ein neues Feierverhalten ist.
Da prallen entgegengesetzte Interessen aufeinander.
Meiner Meinung nach muss eine Stadt ein solches Phänomen nur begrenzt erdulden. Zum großstädtischen Leben gehört ja auch dazu, dass die Zentren vernünftige Wohnqualität gewährleisten. Wenn man in der Innenstadt nicht mehr wohnen kann, dann geht auch urbanes Flair verloren. Dann stimmt die Mischung nicht mehr, die wir mit unserer Stadtentwicklung erhalten wollen. Für dieses Ziel muss dann auch eine Feierszene wie am Brüsseler Platz ein wenig zurückstecken. Es darf nicht so weit gehen, dass Anwohner im Sommer an jedem Freitag- und Samstagabend aus Furcht vor Lärm ihre Wohnung erst um drei Uhr nachts betreten.
Das Wegbier werden Sie den Kölnern doch wohl lassen?
Warum soll ich jemanden verbieten, auf dem Weg irgendwohin ein Bier zu trinken? Darum geht es doch gar nicht. Aber wenn an einigen Ecken durch Büdchen der Nachschub mit Alkohol durchgängig gesichert ist, kann das nachts ab ein, zwei Uhr zum Kippen der Stimmung beitragen.
Noch mal: Ist die Ruhezeit ab 22 Uhr noch angemessen?
Irgendeine Begrenzung muss es geben. Ich glaube nicht, dass wir das Problem damit in den Griff bekommen, das Ganze um eine Stunde nach hinten zu verschieben. Das ist eine Frage des Umgangs miteinander. Das sollte man eher zwischenmenschlich regeln, als durch eine Änderung im Landesimmissionsschutzgesetz. Bedenklich finde ich in dem Zusammenhang, dass ganz allgemein der Antrieb zugenommen hat, sich über alles und jedes zu beschweren. Da würde ich mir etwas mehr Gelassenheit wünschen.
Köln gilt als eine Stadt, in der immer was los ist, die Feiermetropole schlechthin. Wie finden Sie das?
Köln profitiert davon, dass es eine Eventstadt ist. Aber Masse allein ist nicht das Maß der Dinge. Man muss ja nicht alles und jeden in die Stadt holen. Ich halte es ohnehin für wichtig, dass der öffentliche Raum für alle erlebbar bleibt, also die Plätze nicht ständig durch Partys und Veranstaltungen belegt sind. Aber das ist kein reines Kölner Problem, solche Diskussionen werden vielerorts geführt.
Fehlt der Stadt ein Erfolgsvorhaben wie die Elbphilharmonie in Hamburg? Etwas, das national und international für Anerkennung sorgt, selbst wenn der Weg dahin schwer und teuer war?
Es geht weniger um ein konkretes Projekt, sondern darum, dass Köln zeigt, dass es so etwas kann. Ob das der Bau der Historischen Mitte auf dem Roncalliplatz ist oder irgendwann einmal die Wiedereröffnung der Oper – es gibt so einige Möglichkeiten, zu beweisen, dass wir in der Lage sind, eine große Aufgabe zu bewältigen.
Den Rheinboulevard mit seiner großen Freitreppe, der ja wirklich gelungen ist, hat die Stadt vor kurzem vollendet, doch kaum einer hat etwa davon mitbekommen.
Wir reden zu viel darüber, was nicht funktioniert. Der Umbau des Rheinauhafens zum Beispiel hat hervorragend funktioniert. Das könnte die Stadt wunderbar als Eigenwerbung vermarkten. Was hat Düsseldorf für einen Rummel um seinen Medienhafen? Sicher, da stehen auch zwei, drei Architektur-Highlights. Aber das wird auch hervorragend vermarktet.
Zur Person
Der promovierte Jurist Stephan Keller (46, CDU) ist seit Jahresbeginn Stadtdirektor und damit Stellvertreter der Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Das von ihm geleitete Ressort für Personal, Ordnung, Recht, die Bürgerämter und die Feuerwehr umfasst 4500 Mitarbeiter. Vor seiner einstimmigen Wahl im Stadtrat war er Verkehrsdezernent in Düsseldorf und Beigeordneter für Städtebau und Kommunalwirtschaft beim Städte- und Gemeindebund NRW. Der gebürtige Aachener ist verheiratet, hat drei Kinder und treibt in seiner Freizeit gerne Sport. Er lebt in Düsseldorf. (adm)