Bei einem Gesprächsabend erinnerten Weggefährten von Gerhart Baum an den verstorbenen Politiker und sein Vermächtnis.
Gesprächsabend in der ComediaWeggefährten erinnern an verstorbenen Kölner Politiker Gerhart Baum

Uli Kreikebaum, Renate Liesmann-Baum, Henriette Reker, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Joachim Frank (v. l.) sprachen beim Gesprächsabend mit dem Titel „Besinnt Euch!“ über das Vermächtnis von Gerhart Baum.
Copyright: Michael Bause
Buchstäblich bis zuletzt setzte sich Gerhart Baum für die Demokratie und die freiheitlichen Werte ein. Noch vier Tage vor seinem Tod im Februar dieses Jahres arbeitete der Schwerkranke am Skript für sein letztes Buch, das posthum unter dem Titel „Besinnt Euch!“ erschienen ist. Baum, Bundesinnenminister von 1978 bis 1982, Unterstützer der Menschenrechtsbewegung und eine der selten gewordenen linksliberalen Stimmen der FDP, fordert darin den „Aufstand des Gewissens“ angesichts der Bedrohungen durch Klimawandel, Rechtsextreme, Kriegstreiber wie Putin und „größenwahnsinnige Tech-Milliardäre“. Für den 92-Jährigen stand fest: „Die Hütte brennt.“
Dass sich Gerhart Baum auch um die Probleme vor seiner Haustür kümmerte, verdeutlichte Henriette Reker bei einem Gesprächsabend, den der „Kölner Stadt-Anzeiger“ jetzt zu Ehren des seit 1950 in Köln beheimateten Politikers veranstaltete. In schwierigen Situationen habe sie oft seinen Rat gesucht, so die Oberbürgermeisterin im Gespräch mit Moderator und Stadt-Anzeiger-Chefkorrespondent Joachim Frank.
Telefonisch sei er immer erreichbar gewesen, habe aber auch immer wieder zum Telefon gegriffen, wenn ihm etwas unter den Nägeln brannte. In der Corona-Zeit waren das etwa die Kölner Künstler, denen die Existenz wegbrach. Die Stadt müsse hier aktiv werden. „Am liebsten hätte er Kultur auf Rezept gemacht“, so Reker im Comedia-Theater.
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Flammender Appell für Demokratie und Umweltschutz
In dem kleinen Band prangert Baum die individualistische Gesellschaft, Konformität und Selbstbezogenheit an, fordert die Unterstützung der Ukraine und die Besinnung auf die freiheitlichen Werte sowie die Bereitschaft zum Wandel angesichts der Krisen in aller Welt. Ein flammender Appell für Demokratie und Umweltschutz von einem, der im Zweiten Weltkrieg den Feuersturm auf Dresden nur mit Glück überlebt hatte und deshalb wusste, wohin eine Diktatur führen kann. „Der Tod, der ziemlich wahrscheinlich bevorstand, spielte keine Rolle“, so „Kölner Stadt-Anzeiger“-Redakteur Uli Kreikebaum, Co-Autor des Buchs: „Die Krise der Demokratie hat ihn so umgetrieben.“
Noch im Krankenhaus habe ihr Mann das Buch begonnen, berichtete Baums Witwe Renate Liesmann-Baum. Zu Ende bringen konnte er es aber nicht mehr. Uli Kreikebaum traf ihn kurz vor seinem Tod mehrfach, telefonierte und mailte mit ihm. Zusammen mit Liesmann-Baum und anderen Weggefährten fügte er Baums Gedanken zu einem Buch zusammen, das Baums Tonfall möglichst exakt wiedergeben sollte. „Ich habe es als meine Verpflichtung empfunden, es zu vollenden“, so Liesmann-Baum. Der letzte Satz ihres Mannes vor seinem Tod sei gewesen: „Morgen machen wir den Text fertig.“
Baum kritisierte aktuelle FDP scharf
Die Diskussionsteilnehmer zeichneten das Bild eines charmanten, unbequemen und rastlosen Verfechters der Freiheitsrechte. „Er hatte bis zur letzten Minute ein Sendungsbewusstsein“, so die ehemalige FDP-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie spüre täglich die Lücke, die Baum hinterlassen habe. Beide verbindet eine lange Geschichte. Als Vertreter des linksliberalen Flügels der FDP kritisierten sie etwa den „Großen Lauschangriff“ scharf, der den Behörden erlaubte, Wohnungen zur Strafverfolgung zu überwachen.
Baum gehörte zu den Klägern vor dem Bundesverfassungsgericht, Leutheusser-Schnarrenberger legte 1995 aus Protest ihr Amt als Justizministerin nieder. Schon in Zeiten des RAF-Terrors sei Baum in seiner Funktion als Innenminister für einen handlungsfähigen Staat unter Wahrung der Grundrechte eingetreten. Seine Botschaften seien so aktuell wie nie.
Die Bundestagswahl in diesem Jahr habe er nicht mehr erlebt, so Leutheusser-Schnarrenberger, das Agieren seiner Partei sehr wohl: „Er hat sich aufgeregt, wie blöd man zum Teil Wahlkampf macht.“ Das Ergebnis der Wahl, da ist sich Renate Liesmann-Baum sicher, hätte bei ihrem Mann wegen des Erstarkens der politischen Ränder einen „großen Stimmungseinbruch“ verursacht. Den Erfolg der AfD habe er in dieser Ausprägung nicht kommen sehen.