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Archiveinsturz am WaidmarktStadt Köln will doch keinen unterirdischen Kulturraum

Lesezeit 4 Minuten
Die Visualisierung zeigt, wie die Halle mal aussehen sollte.

Die Visualisierung zeigt, wie die Halle mal aussehen sollte.

Lange kämpften Initiativen für einen unterirdischen Kulturraum am Waidmarkt, der Rat stimmte zu – jetzt steht die Halle vor dem Aus.

An der Unglückstelle des Archiveinsturzes am Kölner Waidmarkt soll es keinen unterirdischen Kulturraum geben – obwohl der Stadtrat das im Juni 2020 beschlossen hat. Doch die Kölner Stadtverwaltung will dem Gremium vorschlagen, diese Entscheidung zurückzunehmen, vermutlich stimmt der Rat am 15. Juni ab. Die Stadt begründet ihren Wunsch mit vielen Risiken in der unterirdischen Ebene im Gleiswechselbauwerk der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB), Kulturdezernent Stefan Charles nannte unter anderem den Brandschutz und die Fluchtwege. Zudem sagte Charles, dass die Nutzbarkeit aus kultureller Sicht eingeschränkt und damit ausgeschlossen ist.

Stattdessen sollen Teilnehmer einer Projektwerkstatt erarbeiten, was am Waidmarkt möglich ist, um einen Ort des Erinnerns und zugleich des Aufbruchs zu schaffen. Der erste Termin fand laut Charles im Januar statt, ein erstes Zwischenergebnis soll in den nächsten Monaten vorliegen. Bis zur Fertigstellung des neuen Gedenk- und Kulturortes soll es aber auch temporäre Aktionen geben. In Folge der U-Bahn-Arbeiten war am 3. März 2009 das Historische Archiv eingestürzt, zwei Menschen starben – bis heute fährt dort keine Bahn.

Initiative: Stadt verpasst eine Chance

Am Mittwoch haben die Stadt um Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und die Initiativen „ArchivKomplex“ sowie „Köln kann auch anders“ im Rathaus das weitere Vorgehen präsentiert – doch wirklich überzeugt wirken die Initiativen nicht. Die entsprechende Pressemitteilung von ihnen dazu ist überschrieben mit: „Chance verpasst – neuer Anlauf“. Darin schreibt die Gruppe von Künstlern, Architekten, Autoren und Bürgern: „Die Stadt Köln verpasst gerade eine große Chance – und wird hoffentlich mit viel Energie eine neue Gelegenheit ergreifen.“

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Lange war unklar, ob die sogenannte Halle K3 (Kunst, Kultur und Kommunikation) realisiert wird, 2020 beschloss der Rat aber den Bau. Am Mittwoch sagte Reker: „Wir treffen diese Entscheidung nicht leichtfertig, sondern mit Bedacht. Ich habe Verständnis für all diejenige, die das nicht freut. Eines geht aber ganz klar mit dieser Entscheidung einher: Am Grundgedanken, Kultur und Erinnerung am Waidmarkt eine ganz besondere Bedeutung zu geben, hat sich nichts geändert, im Gegenteil. Dieses Ziel kann oberirdisch nachhaltiger und deutlicher verfolgt werden.“

Das Bild zeigt die Baugrube am Waidmarkt.

Die Baugrube am Waidmarkt, in die 2009 das Stadtarchiv stürzte.

Laut Verkehrsdezernent Ascan Egerer soll der Verzicht auf die Halle zehn Monate Bauzeit einsparen, bis das Gleiswechselbauwerk am Waidmarkt fertig ist und die Nord-Süd-Bahn dort fahren kann – doch laut Baudezernent Markus Greitemann dauert das auch noch „etliche Jahre“. Noch fehlten aber abschließende Gutachten für eine präzise Antwort.

Eigentlich hatte sich die Arbeitsgemeinschaft Nord-Süd-Stadtbahn Köln Los-Süd verpflichtet, K3 zu bauen. Falls der Stadtrat aber auf die Halle verzichtet, zahlt die Arge 4,8 Millionen Euro an die Stadt, die dann für den Bau der oberirdischen Gedenkstätte zur Verfügung stehen. Thomas Luczak von „ArchivKomplex“ sagte: „Wir sehen den Abschied von der Halle nicht als totales Desaster.“ Aber: „Lieber etwas gutes oberirdisches als etwas halbgutes unterirdisches, dieses Argument zieht schon.“ Luczak hält aber später auch einen Blick in das unterirdische Gleiswechselbauwerk für denkbar.

Initiative kritisiert Verwaltung

Die Initiative um Günter Otten kritisierte die Begründung für das Aus der Halle, sie teilt nicht die Sorge um die mangelnde Nutzbarkeit und verweist auf vergleichbare unterirdische Hallen in Düsseldorf und München. „ArchivKomplex“ will laut eigener Aussage einerseits die Ursache für den Einsturz zeigen, andererseits durch die neue Nutzung den Unglücksort zu einem Signal des Aufbruchs umdeuten.

„Dass diese Idee nun erfolglos bleiben soll, liegt vor allem an der langjährigen Untätigkeit von Teilen der Stadtverwaltung, die vor einer zukunftsweisenden und an die Katastrophe erinnernden Planung für den Einsturzort zurückschreckten.“

Kölns OB Reker: „Es ist mein Ziel, diese Wunde zu schließen“

Laut Reker werden die Ideen nun gemeinsam mit Archivkomplex und weiteren Akteuren erarbeitet. Reker sagte: „Vor einigen Monaten hätte ich mir die Abkehr von K3 selbst nicht vorstellen können, aber wenn sich Rahmenbedingungen und Fakten ändern, strebe ich andere Wege an. Es ist mein Ziel, diese Wunde, die noch in unserer Stadt klafft, zu schließen.“

Viele Jahre lang hat sich die Verwaltung für die Sichtbarmachung und Aufarbeitung des Einsturzes nur wenig interessiert, Initiativen wie „ArchivKomplex“ übernahmen jahrelang die Gedenkarbeit, das Erinnern setzte erst vor einigen Jahren ein, auch mit Henriette Reker als Oberbürgermeisterin. „Es ist der Zeitpunkt gekommen, an dem die Zukunft und das Hier und Jetzt so klar geworden sind, dass neben der Trauer und dem Gedenken nun auch die Vorfreude und die Spannung ihren Platz einnehmen“, sagte Reker im März 2021, genau zwölf Jahre nach dem Einsturz.