Kölner OrtsgruppeWie die neue Partei „Volt“ 2019 durchstarten will

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Marc Bruchmann

Marc Bruchmann

Köln – „Gute Lösungen müssen nicht zwangsläufig links oder rechts sein“, sagt Marc Bruchmann, 25 Jahre alt; mit dem herkömmlichen Links-Rechts-Schema der Politik, das früher seine Berechtigung gehabt haben möge, könne seine Generation nichts mehr anfangen. In der jungen Partei „Volt“ hat er die Organisation gefunden, die ihm geeignet erscheint, an Lösungen mitzuwirken. „Ich war auf der Suche nach einer Möglichkeit, mich zu engagieren, etwas zu tun, das sinnvoll ist und meinen Werten entspricht.“ Zwar sei er seit langem politisch interessiert, habe sich aber keiner der bestehenden Parteien „zuordnen“ können. Durch einen Bekannten kam er in Kontakt mit Damian Boeselager, einem der Gründer jener gesamteuropäischen Partei, und schnell war er von deren Ansatz und Programm überzeugt. Im Frühling dieses Jahres gründete er die Kölner Ortsgruppe und übernahm deren Vorsitzend. Eines der wichtigsten Ziele sei es, bekannt zu werden. So bekannt, dass bei der Europawahl im kommenden Mai eine nennenswerte Zahl von Wählern ihre Stimme „Volt“ gibt.

Zur Partei

„Volt“ versteht sich als „paneuropäische, progressive Bewegung“. Initiatoren sind Damian Boeselager (Deutschland), Andrea Venzon (Italien) und Colombe Cohen-Salvador (Frankreich). Am 29. März 20xx , als von Großbritannien der Austritt aus der EU beantragt wurde, gründeten die drei die Partei und richteten die erste Facebook-Seite ein. Inzwischen hat „Volt“ nach eigenen Angaben in mehr als 30 Ländern Fuß gefasst, mit insgesamt mehr als 15 000 registrierten Unterstützern. In mittlerweile zehn Staaten ist die Bewegung in der Rechtsform einer Partei organisiert. Hauptquartier ist eine Bürogemeinschaft in Brüssel.

In Deutschland, wo der nationale Verband im März 2018 gegründet wurde, gibt es laut Marc Bruchmann mehr als 500 registrierte Unterstützer, rund 200 davon sind Parteimitglieder. Die Zentrale befindet sich in Berlin. Die Kölner Ortsgruppe, die rund 50 Personen umfasst – 20 sehr aktive und 30 Helfer – ist eine von gut 40 in Deutschland. Die Kölner treffen sich in der Regel an jedem zweiten Donnerstag um 19.30 Uhr im Lokal „Magnus“, Zülpicher Str. 45. Das nächste Treffen, wie immer offen für alle Interessierte, findet am 10. Januar statt.

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Was will die Bewegung? Die nationalen Parteien, befrachtet mit einem „ideologischen Überbau“, würden Herausforderungen wie etwa wirtschaftliche Ungleichheit, Einwanderung und Klimawandel nicht bewältigen, weil sie, im Europäischen Parlament zu „heterogenen“ Fraktionsgemeinschaften zusammengezwungen, bestenfalls eine „minimale Lösung durch Kompromiss“ erreichen könnten, sagt Bruchmann. Zugleich richtet sich seine Kritik gegen den erstarkenden Nationalismus und Populismus in den EU-Ländern, vom Brexit über den Aufschwung der AfD bis zum reaktionären Kurs der Orban-Regierung in Ungarn. „Volt“ sei in dieser Gemengelage die richtige Alternative und eine „große Innovation“, sagt er 25-Jährige: eine Partei, die Bürger aller EU- Staaten vertrete und „mit einer Stimme spreche“; so sei von Vornherein gewährleistet, dass widerstreitende einzelstaatliche Interessen sich nicht gegenseitig hemmen würden. Das Ziel einer „starken europäischen Integration“, wie Bruchmann sie nennt, nehme die Partei gleichsam durch sich selbst vorweg.

„Amsterdamer Erklärung“ veröffentlicht

„Wir wollen die EU nicht kaputtmachen, sondern sie reparieren“, sagt er. Zur Europawahl hat „Volt“ die „Amsterdamer Erklärung“ veröffentlicht, deren Agenda sich mit drei Kernpunkten grob umreißen lässt. Zum einen soll die politische Union gestärkt werden, zum Beispiel durch mehr Beteiligung der Bürger und größere Transparenz; Ziel ist eine Föderation mit Regierung, Premierminister und Präsident. Zweitens sei alles daran zu setzen, aus Europa ein „ökonomisches Kraftwerk“ zu machen, etwa durch zukunftsträchtige Investitionen. Die dritte Forderung lautet, „eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft aufzubauen“; das reicht von fairen Einkommen über Umweltschutz bis zur Regelung der Migration. Die Unterpunkte der Erklärung sind zahlreich. Wie groß die Zahl der zu lösenden Probleme ist, wird erst recht im weitaus umfangreicheren Parteiprogramm deutlich.

„Gleichmacherei“, die EU-Kritiker gern im Munde führen, sei keineswegs beabsichtigt, betont Bruchmann. Niemand müsse das „Heimatgefühl“ verlieren, wenn Politik gemeinsam auf europäischer Ebene gestaltet werde. Eine Angleichung könne allerdings fruchtbar sein, nämlich dann, wenn Länder, die auf bestimmten Gebieten fortgeschrittener seien, zum Vorbild genommen würden. So sei Estland in Sachen Digitalisierung Vorreiter, und in Skandinavien sei das Bildungssystem besser. Wenn Bruchmann über all dies spricht, schnell und eloquent, ist die Begeisterung für die Bewegung zu spüren, die sich bewusst nach der Maßeinheit für elektrische Spannung benannt hat, um die Energie des Aufbruchs zu unterstreichen. Die Anhänger versammeln sich einmal im Monat zu „paneuropäischen Treffen“, indem sie am selben Abend tagen, ob in Madrid, Paris , Malmö oder eben in Köln, wo überdies ein Stammtisch etabliert ist. Mit der „Pulse of Europe“-Bürgerinitiative gibt es inhaltlich viele Überschneidungen, wie sich etwa bei gemeinsam organisierten Kundgebungen gezeigt hat.

Mit seinen 25 Jahren ist Marc Bruchmann typisch für die Anhängerschaft, denn der Altersdurchschnitt liegt bei 35. Seinen Bachelor in Volkswirtschaftslehre hat der Student, der viel Zeit in „Volt“ steckt, an der Kölner Universität gemacht. Im nächsten Jahr soll ein Master-Studium folgen; dafür stehen Bewerbungsprüfungen an. Noch ist offen, wo er studieren wird, auf alle Fälle aber im europäischen Ausland. In Maastricht, Lissabon oder anderswo? Er kann sich alles vorstellen.

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