Kölsche RevueWie Napoleon in der Stadt empfangen wurde

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Der Höllenchor

Köln  – „Spielt ihr wieder?“ Jürgen Nimptsch, Baas der Cäcilia Wolkenburg, kann nicht sagen, wie oft ihm diese Frage in den zurückliegenden Wochen gestellt wurde. Wichtiger ist ohnehin die Antwort. Mit einem schlichten „Ja“ ist es nicht getan. Das Divertissementchen „Napoleon en Kölle“ der Cäcilia Wolkenburg, der Bühnenspielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein, feierte in der Oper im Staatenhaus eine grandiose Premiere.

Es war ein Fest. Für die etwa 600 Besucher und die mehr als 200 Mitwirkenden auf der Bühne, in Orchester und Band sowie hinter den Kulissen. Etwas gewöhnungsbedürftig: Alle Darsteller traten zum Schutz der Gäste und der Mitwirkenden mit Maske auf. Eine gute und vorausschauende Entscheidung, die die Qualität des Gesangs nicht nennenswert beeinträchtigt hat.

Live-Feuerwerk im kölschen Musical

Nachdem das Zillche im vergangenen Jahr nur als Online-Stream zu sehen war, brennen die Sänger, Tänzer und Musiker diesmal ein wahres Live-Feuerwerk ab. Autor und Regisseur Lajos Wenzel nimmt das Publikum in dem kölschen Musical mit ins Jahr 1804. In Köln haben seit zehn Jahren die Franzosen das Sagen. Die Botschaft, dass Napoleon die Stadt besuchen möchte, interessiert die kölschen Untertanen herzlich wenig. Ihnen ist es egal, wer unter ihnen Chef ist.

Die auf dem Marktplatz verkündete Nachricht „D’r Kaiser kütt“ verblasst hinter den lautstark angepriesenen Angeboten der Fischweiber und Metthappen-Verkäuferinnen. Lediglich ein paar Honoratioren, angeführt von Ferdinand Franz Wallraf (sehr staatstragend und stimmlich brillant in Szene gesetzt von Jürgen Nimptsch), möchten dem Kaiser einen netten Empfang bereiten und sich generell gut mit den Besatzern stellen.

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Wallraf (Jürgen Nimptsch) will die Bürger einigen.

Die Revue „Napoleon en Kölle“ punktet mit einem Musik-Mix aus kölschen Liedern, Klassik, Schlager und Pop. Die Darsteller überzeugen mit guten Stimmen und schauspielerischen Leistungen. Dazu kommen witzige Dialoge und pfiffige Ideen. Lajos Wenzel dreht ein wenig an der historischen Schraube und schreibt Dinge wie die Organisation der Kanalisation, Straßenbeleuchtung und Hausnummern, die in Wahrheit die Franzosen der Stadt beschert haben, den Eingeborenen zu.

Kölsch-französische Liebesgeschichte 

Neben der Stadtgeschichte spielt eine wunderbar inszenierte Liebesgeschichte zwischen dem französischen Soldaten Mathieu und Nieß Schmitz, einer Tochter aus gutem kölschen Haus, eine Rolle. Das Stück überrascht mit vielen Anspielungen auf aktuelle Entwicklungen in Politik und Kirche. „Napoleon en Kölle“ besticht durch die großen Bilder. Wenn der Vorhang aufschwingt, geht es gleich hinein in das pulsierende Leben auf dem Marktplatz am Hafen.

Geistliche als Höllenchor

Zu den beeindruckendsten Szenen im Verlauf des Stücks zählt der Höllen-Chor. In rotes Licht getauchte Kirchenfürsten wirken in Gesang und Bewegung fast mystisch. Aus der guten Ensemble-Leistung stechen einige Akteure heraus. Dazu zählt das Ballett, das mit Schwung, Harmonie und Wandlungsfähigkeit überzeugt. Mit seinem Tanz der Schmetterlinge gelingt ein Ebenenwechsel in die innere Welt des liebenden Paares Mathieu und Nieß mit der Assoziation „Schmetterlinge im Bauch“.

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Ausgefeilte Kostüme und Choreographie

Vom Gefühls-Olymp geht es später mit Ballettschuhen hinab in die dunkle Welt der Schädlinge. Und nie sah man Ratten geschmeidiger und leichtfüßiger tanzen. Die Choreografie von Jens Hermes-Cédileau und Katrin Bachmann hat das ohnehin sehr gute Ballett noch ein paar Stufen nach oben geführt.

Prächtige Kostüme im Staatenhaus

Zu nennen sind die prächtigen Kostüme, mit denen Judith Peter und ihr Team die Männer im Divertissementchen in Szene setzen. Die Arrangements von Thomas Guthoff bieten den idealen Klangteppich, den die Musiker der Bergischen Symphoniker und der Band Westwood Slickers unter der musikalischen Leitung von Christopher Brauckmann perfekt umsetzen. Für Aha-Momente sorgen die dramaturgischen Kniffe im Bühnenbild von Tom Grasshof. Weil es im Staatenhaus keine Drehbühne gibt und für Kulissenwechsel zu wenig Platz und Zeit ist, zieht das Ensemble an einem Strang und lässt Napoleon mal mit der Kutsche, mal mit einem Schiff in die Handlung gleiten.

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Ein besonderer Coup ist das ausziehbare Haus der Witwe Schmitz. So schwebt Nieß wie von Geisterhand gezogen ihrem auf dem Marktplatz schmachtenden Mathieu entgegen. Zu dem Paveier-Hit „Leev Marie“ entsteht eine kölsche Liebes-Balkonszene, die der von Romeo und Julia in nichts nachsteht. „Napoleon en Kölle“ wird bis Dienstag, 1. März (nahezu täglich) in der Kölner Oper im Staatenhaus gespielt. Für einige Vorstellungen gibt es noch Karten ab 29,50 Euro. www.divertissementchen.de 

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