Umgang mit Missbrauch„Unverantwortlich“ – Woelki wirft seinen Vorgängern Fehler vor

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Der Kölner Erzbischof Rainer Woelki

Der Fall des Kölner Priesters und Sexualstraftäters Nikolaus A. ist so haarsträubend, dass es für die Aufarbeitung mehr als eines Gutachtens bedurfte. Der heute 87 Jahre alte A., zweifach wegen Kindesmissbrauchs in den 1970er und 1980er Jahren und ein weiteres Mal wegen Beleidigung mit sexueller Konnotation vorbestraft, war in seiner priesterlichen Laufbahn über Jahrzehnte zwischen seinem Heimatbistum Köln und den Diözesen Münster und Essen hin und her geschoben und immer wieder in der Seelsorge eingesetzt worden – jeweils mit dem Wissen der Ortsbischöfe oder ihrer Personalverantwortlichen.

Alle drei Bistümer haben Untersuchungen in Auftrag gegeben, um die Verantwortlichkeiten zu klären. Das Essener Gutachten wurde Mitte dieser Woche veröffentlicht. In Köln liegt eine eigene Ausarbeitung der Münchner Rechtsanwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Fall A. schon seit dem vorigen Jahr vor. Es handelt sich dabei um dieselbe Kanzlei, der Kardinal Rainer Woelki Ende Oktober die Zusammenarbeit aufkündigte – wegen angeblicher Mängel eines Gesamtgutachtens zum Missbrauchsskandal im Erzbistum.

Vorwürfe gegen Meisner

Woelki richtete jetzt schwere Vorwürfe an die Adresse der Kölner Bistumsführung unter seinen Vorgängern Joseph Höffner und Joachim Meisner. Es habe eine „jahrzehntelange Aneinanderreihung schwerer Fehler“ gegeben, sagte Woelki dem „domradio“. Aus heutiger Sicht sei klar: Der wiederholte Einsatz eines verurteilten Straftäters sei „absolut unverantwortlich“ gewesen. Es sei nicht auf die warnenden Stimmen gehört worden, die eine enge Kontrolle von Pfarrer A. gefordert hätten. Dessen Vorgeschichte sei verheimlicht worden, als A. 1989 in Köln-Lövenich eingesetzt wurde. Außerdem habe es keine Sanktionen gegeben, als die Kirchenstrafen gegen A. „aus vollkommen unerklärlichen Gründen“ aufgehoben wurden. 

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2019 verbot Woelki dem Geistlichen, der heute in einem Pflegeheim lebt, die Ausübung des Priesteramts und strengte in Rom ein kirchliches Strafverfahren an. Auf der Grundlage des von Woelki in Auftrag gegebenen Sondergutachtens kam es zu einer Verurteilung von A. Die Bestätigung des Urteils durch die Glaubenskongregation im Vatikan steht nach Woelkis Worten noch aus.

Heße zieht Konsequenzen

Im Zusammenhang mit anderen Missbrauchsfällen steht der heutige Hamburger Erzbischof und frühere Kölner Personalchef Stefan Heße in der Kritik. Das von Woelki unter Verschluss genommene Münchner Gutachten macht Heße für eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und Pflichtverstößen verantwortlich.

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Heße bestreitet die Vorwürfe und betont insbesondere, dass er sich niemals an Vertuschungen von Missbrauch beteiligt habe. In dieser Woche wurde durch einen Bericht der FAZ bekannt, dass Woelki ihn und den früheren Generalvikar Dominik Schwaderlapp (heute Weihbischof) sowie den Leiter des Kölner Kirchengerichts, Günter Assenmacher, bereits im April 2019 schriftlich darüber informierte, dass sie im Zusammenhang mit der Aufklärungsarbeit der Münchner Kanzlei ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten würden und sich auf Fragen gefasst machen müssten.

Unter dem wachsenden Druck erklärte Heße nun, dass er in seinem Amt als Geistlicher Assistent beim Laiendachverband ZdK „bis zur vollständigen Klärung der Sachverhalte pausieren“ werde. An der digitalen ZdK-Vollversammlung an diesem Freitag nimmt Heße bereits nicht mehr teil. Er hoffe „auf profunde und solide Arbeit“ bei der Aufarbeitung, „die mein Wirken konkret darstellt und meine Verantwortlichkeiten benennt“.

„Wie ein Spiegel“

Woelki hatte zusammen mit seiner Entscheidung, das Münchner Gutachten zu kassieren, die Erstellung eines neuen Gutachtens angekündigt, mit dem nunmehr der Kölner Strafrechtler Björn Gercke betraut ist. Dessen Untersuchung werde für ihn der Spiegel sein, wie ich meine Verantwortung wahrgenommen habe, sagte Heße. Er wünsche sich überdies, dass die Begutachtung „die Augen öffnet für die Einordnung, Bewertung und notwendige Schlüsse“. Was das für ihn persönlich, aber auch für die Zukunft anderer Kölner Würdenträger bedeutet, ließ Heße offen. 

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