Städtetag in KölnStädte fordern von Bundeskanzler Scholz verlässliche Finanzierung

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03.03.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Geflüchtete aus der Ukraine stehen mit ihrem Gepäck vor den Gebäuden eines Flüchtlingsheims in Köln Worringen. Foto: Henning Kaiser/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Geflüchtete aus der Ukraine stehen mit ihrem Gepäck vor den Gebäuden eines Flüchtlingsheims in Köln-Worringen. Die Städte fordern vom Bund eine langfristige Finanzierungsregelung für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Geflüchteten. Foto: dpa

Bei der Generalversammlung des Städtetags in Köln muss sich der Bundeskanzler am Mittwoch auf heftigen Gegenwind einstellen.

Der Kanzler darf sich bei seinem Auftritt bei der Hauptversammlung des Deutschen Städtetags in der Köln-Messe am Mittwoch auf einiges gefasst machen.

Nach dem gescheiterten Flüchtlingsgipfel ist der Lobbyverband der deutschen Großstädte wild entschlossen, Olaf Scholz noch einmal klarzumachen, dass Bund und Länder für eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung der Städte zu sorgen haben. Und das nicht nur bei der Unterbringung und Integration von geflüchteten Menschen, sondern auch bei der Wärme- und der Verkehrswende.

Kölns OB Reker mit Forderungen

Die Spitze des Städtetags, die Oberbürgermeister Markus Lewe (Münster) und Burkhard Jung (Leipzig) haben ihrer Gastgeberin Henriette Reker das Warmlaufen überlassen. Kölns Stadtchefin hatte am Vorabend des dreitägigen Treffens Globalbudgets und höhere Anteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer gefordert. Sie erwarte, „dass von Köln ein deutlicher Impuls ausgeht“. Niemand kenne „die lokalen Herausforderungen besser als die Kommunen“ und niemand könne deshalb „bessere Lösungen entwickeln“, so Henriette Reker.

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Wer wolle da widersprechen, kommentiert Markus Lewe bei der Auftakt-Pressekonferenz und lacht. Der Kanzler vielleicht? Es ist die uralte Forderung nach der strikten Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Es besagt, dass Aufgaben der öffentlichen Hand im Zweifel auf der untersten, lokalen Ebene erfüllt werden sollten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die lokale Ebene auch in der Lage ist, diese Aufgaben selbstständig wahrzunehmen.

Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. „Am Ende des Tages müssen wir vor Ort umsetzen, was Bundesgesetzgeber und Landesgesetzgeber auf die Reise schicken. Wir erwarten ganz einfach, wenn wir uns Aufträge abholen, dass sie auch finanziert werden“, sagt Lewe. „Am Ende ist uns völlig wurst, ob der Bund oder die Länder das bezahlen. Wir können das aus eigener Kraft nicht stemmen.“

Nun ist es ja nicht so, dass kein Geld fließt. Doch was die Städte nervt, ist die fehlende Verlässlichkeit. Das gilt gleichermaßen für das Deutschlandticket, von dem keiner weiß, wie es nach 2024 weitergehen soll, wie für die Flüchtlingshilfe, die Wärmewende und den Klimaschutz.

Kommunale Wärmewende wird zur Herausforderung

„Die Städte wollen mehr Tempo beim Klimaschutz machen. Das geht aber nicht mit Förderprogrammen, die oft so bürokratisch und unflexibel sind, dass man Manager einstellen müsste, um das Dickicht zu durchdringen“, klagt Lewe und fordert feste Förderbudgets für Klimaschutz „für mindestens zehn Jahre. Das gibt uns Planungssicherheit und wäre ein neues schlankes Fördersystem, mit dem wir vor Ort passgenau und flexibel arbeiten können.“

Auch bei der Wärmewende müsse man neue Wege wagen. Keineswegs stellten die Städte das Ziel der Bundesregierung infrage, bis 2045 aus dem Heizen mit fossilen Energieträgern auszusteigen. Die Menschen in den Städten müssten aber wissen, ob sie in Zukunft nicht an ein kommunales Wärmenetz angeschlossen werden, bevor es um eine neue Heizung geht. Oder wird vielleicht Geothermie, Wasserstoff oder Biogas für die Wärmeversorgung zur Verfügung stehen? Um die kommunale Wärmeversorgung der Zukunft strategisch anzugehen, brauche man einen rechtlichen Rahmen, also entsprechendes Gesetz. Und – das ist es wieder – natürlich das entsprechende Finanzbudget.„Wenn man sich ein Fahrrad kauft und zuerst die Reifen holt, ohne einen Rahmen zu haben, dann wird das nichts“, sagt Lewe.

Städte fordern mehr finanzielle Sicherheit und Autonomie

Die Forderung der Städte nach mehr finanzieller Autonomie ist ein, wenn nicht sogar das zentrale Thema des Städtetags. Doch auch bei der Frage der Finanzierung für die Aufnahme, Versorgung und Integration von Flüchtlingen wird man mehr als einen dringlichen Appell an den Bundeskanzler zu richten wohl keinen Schritt weiterkommen.

„Eine zusätzliche Milliarde hilft für den Moment, gibt aber keine Perspektive“, klagt Leipzigs Oberbürgermeister. „Wir brauchen eine langfristige, dynamische Finanzierungsregelung, die sich an das tatsächliche Migrationsgeschehen anpasst.“ Das müsse das Ziel der nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler im Juni und November sein. „Wir müssen raus aus dem endlosen Verhandlungsmarathon.“ Bisher hat man sich nur darauf verständigen können, dass es eine Daueraufgabe von Bund, Ländern und Kommunen ist, in Zukunft für geflüchtete Menschen da zu sein.

„Wir erwarten, dass wir als Transformationsriemen wahrgenommen, unsere Kompetenzen erweitert und unsere Aufgaben auskömmlich finanziert werden“, sagt Henriette Reker. Eine Stadt müsse schließlich selbst entscheiden können, auf welchen Straßen und in welchen Vierteln sie Tempo-30-Zonen einrichtet. Das könnte der Bundeskanzler unter Umständen vielleicht in Aussicht stellen. Weil es nichts kostet. Mal abgesehen von der Mühe, seinen Verkehrsminister von der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen.

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