Von Lauterbach beauftragtKölner Professor soll Reform der Kindermedizin voranbringen

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Ein Kinderarzt untersucht ein Kind (Symbolbild).

  • Jörg Dötsch, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin an der Kölner Uniklinik und Vorsitzender der deutschen Kinder- und Jugendärzte, sitzt im Corona-Expertenrat der Bundesregierung.
  • Nun wurde er von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach beauftragt, in einem Gremium zur Reform des Gesundheitssystem neue Konzepte für die Kindermedizin zu entwickeln.
  • Im Interview antwortet er auf Kritik an dem neuen Gremium, spricht über den Reformbedarf und die Frage, warum immer weniger Berufseinsteiger in die Kinderpflege gehen.

Herr Dötsch, Sie sitzen in dem Gremium, das für die Reform des deutschen Gesundheitssystems zuständig ist. Wieso? Dötsch: Im Corona-Expertenrat haben wir festgestellt, dass wir großes Glück hatten, dass Kinder durch Covid-19 nur sehr selten schwer krank werden. Denn unsere Kapazitäten hätten nach allem, was wir wissen, kaum ausgereicht, Kinder in großer Zahl zu behandeln. Das wurde erkannt – und ist möglichweise der Grund, diesen Aspekt für die geplanten Reformen einzubringen. Es ist wichtig, Voraussetzungen zu schaffen, mit denen Spitzenbelastungen in der Kindermedizin aufgefangen werden können. Ich sehe meine Aufgabe darin, mit anderen Fachleuten bei der Entwicklung einer entsprechenden Struktur zu beraten.

Wann wurden Sie über Ihre neue Rolle informiert?

Ich wurde am Wochenende vom zuständigen Abteilungsleiter kontaktiert. Natürlich ist es eine sehr große Ehre. Ich bin der Uniklinik dankbar, dass sie mir die Möglichkeit gibt, hier teilzunehmen – denn es ist natürlich auch ein riesiger Aufwand. Ich werde diese Aufgabe sehr ernsthaft angehen. Es wird bald eine erste Sitzung geben, dann werden die Fragestellungen formuliert und diskutiert.

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Was sind die wesentlichen Ziele des Gremiums?

Es ist aus Fachleuten zusammengesetzt, die beauftragt sind, ihre Expertise im Interesse aller einzubringen, um eine grundlegende Gesundheitsreform zu entwickeln. Wir werden unsere jahrelange Erfahrung im Gesundheitswesen, unsere Expertise und nach bestem Wissen und Gewissen einbringen, um möglichst gute Strukturen zu konzipieren.

Können Sie die Kritik von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaft nachvollziehen, es fehle dem Gremium an Praktikern, es sei zu akademisch besetzt?

Ich fühle mich sehr geehrt, dabei zu sein, habe das Gremium selbst aber nicht zusammengesetzt. Insofern kann ich dazu nicht viel sagen. Mit Blick auf Köln bleibt aber festzuhalten: Mein Kollege Christian Karagiannidis aus Merheim, der dem Gremium angehört, arbeitet als Lungenfacharzt direkt mit Patientinnen und Patienten, auch ich bin Kinder- und Jugendarzt. Wir sind also zwei Praktiker.

Wo genau besteht im Bereich Kinder- und Jugendmedizin Reformbedarf?

Wir haben drei große Themen, die es zu lösen oder besser zu berücksichtigen gilt. Erstens behandeln wir zwar die Kinder, wir führen aber einen Großteil der Gespräche mit den Erziehungsberechtigten, die sind oft unterschiedlicher Meinung. Der Aufklärungsbedarf ist riesig, das kostet viel Zeit, die oft nicht berücksichtigt wird. Zweitens haben wir in der Kindermedizin eine viel größere Notwendigkeit, Strukturen auch dann aufrechtzuerhalten, wenn sie mal nicht gebraucht werden. Denn es gibt massive saisonale Schwankungen.

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Wenn Kinder krank werden, hat man keine Zeit, zu warten. Kleinkinder trocknen beispielweise siebenmal schneller aus als Erwachsene. Drittens benötigen wir innerhalb der Kindermedizin dieselben Spezialisten für alle möglichen Fachbereiche wie in der Erwachsenenmedizin, um sie bestmöglich zu behandeln – auch, wenn sich das natürlich nicht rechnet. Diese drei Aspekte müssen wir in der Reform bedenken.

Warum hat auch die Kinder- und Jugendmedizin derzeit massive Probleme, Personal zu gewinnen?

Viele Gespräche mit den Eltern werden zu ganz großen Teilen von den Pflegenden übernommen – neben ihrer eigentlichen Arbeit. Und die Kinder werden schnell schwerkrank, sie müssen in vielen Fällen zwingend aufgenommen werden – egal, wie die Lage ist. Das ist unfassbar belastend, wenn es keine ausreichenden Kapazitäten gibt. Im vergangenen Winter hatten wir vermehrt RS-Virus-Fälle, die seit einigen Jahren mit speziellen Nasenvorrichtungen deutlich besser behandelt werden können. Der Aufwand ist bloß riesig. Wenn ich nun als Pflegender über Nacht das Leben von vier oder fünf dieser Kinder zu verantworten habe, ist das unfassbar belastend. Aus dieser Verzweiflung entsteht gerade der Streik, nicht aus einem Rückzug vom Patienten. Im Gegenteil: Man will dem Patienten gerecht werden. Dafür braucht es Reformen.

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