Hillinus-KodexKölner Dombibliothek verleiht 1000 Jahre altes Glanzstück

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Der Hillinus-Kodex wird nach Konstanz ausgeliehen. Dessen Schöpfer haben nämlich in der dortigen Buchmalerei-Schule im Kloster Reichenau ihr Handwerk gelernt.

Der Hillinus-Kodex wird nach Konstanz ausgeliehen. Dessen Schöpfer haben nämlich in der dortigen Buchmalerei-Schule im Kloster Reichenau ihr Handwerk gelernt.

Das Schriftstück aus dem Jahr 1025 ist so gut erhalten, dass das Gold noch wie am ersten Tag blinkt. Der Hillinus-Kodex ermöglicht einen Einblick in die Geschichte Kölns – und zeigt sogar den Vorgängerbau des Doms.

Gut, dass es schon vor 1000 Jahren Gerangel um den Kölner Erzbischofssitz gab. Im Rennen um den begehrten Posten kam der Domherr Hillinus auf die Idee, eine reich mit Malereien verzierte Bibelhandschrift in Auftrag zu geben und sie dem Patron des Kölner Doms, dem heiligen Petrus, zu dedizieren.

Die kostbare Handschrift, für deren Finanzierung ein – nach heutigen Maßstäben – Millionenvermögen erforderlich gewesen sein dürfte, sollte Hillinus in der Gunst der Wahlmänner aus dem Domkapitel steigen lassen.

Hillinus-Kodex kehrt zurück zu den Ursprüngen seiner Schöpfer

Heute ist der um 1025 entstandene Hillinus-Kodex (Codex 12) das Glanzstück der Kölner Diözesan- und Dombibliothek, wie Direktor Marcus Stark erklärt. Nur selten und für ganz besondere Gelegenheiten trennen Stark und sein Team sich davon. Ein würdiger Anlass ist die 1300-Jahr-Feier des Klosters Reichenau, Sitz der wohl berühmtesten Buchmalerei-Schule des Mittelalters.

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Wir haben den Auftrag erhalten, das vorliegende Buch zu schreiben und auf dem Hauptaltar des heiligen Petrus, der innerhalb der Mauern Kölns errichtet worden ist, in treuer Ergebenheit niederzulegen.
Bruder Burkhard und Mönch Konrad haben sich im Hillinus-Kodex verewigt.

Von dort stammte auch der Maler des Hillinus-Kodex, ein gewisser Bruder Burkhard. Zusammen mit seinem leiblichen Bruder Konrad, Mönch im bayerischen Kloster Seeon, als Schreiber erstellte er die Handschrift aber nicht am Bodensee, sondern in Köln selbst. Mindestens ein halbes Jahr, vielleicht auch ein Jahr und länger dürften die beiden Benediktiner dafür gebraucht haben.

Und so stolz waren sie auf ihr Werk, dass sie sich gleich auf der ersten Seite mit einer eigenen Widmungsinschrift verewigten: „Durch das Bitten und die Wertschätzung des Kölner Domherrn Hillinus wurden wir zwei Purchardus und Chuonradus, nicht nur im Geiste, sondern auch vom Fleische her leibliche Brüder, aufgefordert und gezwungen“, heißt es da auf Latein. „Wir haben den Auftrag erhalten, das vorliegende Buch zu schreiben und auf dem Hauptaltar des heiligen Petrus, der innerhalb der Mauern Kölns errichtet worden ist, in treuer Ergebenheit niederzulegen.“

Hillinus-Kodex zeigt originalgetreuen, alten Dom mit vielen Details

Besagter Hauptaltar stand im Vorgängerbau des heutigen Doms, dem karolingischen „Hildebold-Dom“ aus dem 9. Jahrhundert. Und den hat Bruder Konrad dann auch im Hillinus-Kodex abgebildet. Die Widmungsseite, auf der Hillinus dem heiligen Petrus ehrfurchtsvoll das mit Edelsteinen verzierte Buch in die Hand drückt, lässt Liebhaber der mittelalterlichen Buchmalerei ebenso aufjauchzen wie Architekturhistoriker.

Oben hat Bruder Burkhard den „Hildebold-Dom“, den Vorgängerbau des heutigen Doms, verewigt.

Oben hat Bruder Burkhard den „Hildebold-Dom“, den Vorgängerbau des heutigen Doms, verewigt.

Man sieht den – wie die Archäologen bestätigen – recht originalgetreu wiedergegeben alten Dom mit seinem Westwerk und dem fast 100 Meter langen dreischiffigen Langhaus. Rechts ist auch den früheren Bischofspalast auf der Südseite des Doms (heute das Areal des Roncalliplatzes) zu erkennen. Und hinter dem Dom lugen zwei Turmspitzen über die Dachlinie: Relikte der damals noch vorhandenen römischen Stadtmauer. „Der Maler wird aus dem Fenster geschaut und abgemalt haben, was er gesehen hat“, sagt Harald Horst, Referent für Handschriften und frühe Drucke an der Diözesanbibliothek.

Eine Darstellung des heiligen Hieronymus auf einer weiteren Seite begeistert nicht durch ihren Detailreichtum, sondern auch durch die Präzision der Motive. Der Heilige, laut Tradition Übersetzer der hebräischen und griechischen Bibel ins Lateinische, sitzt hinter einer Pergamentrolle, auf der er mit einem Stilett Fehler seines Schreibergehilfen zur Rechten ausradiert und zugleich – mit einem Schielauge – einen Schüler zur Linken beaufsichtigt. Der Buchmaler hat die Szene in eine für die Reichenau typische Idealarchitektur mit Arkaden und einem silberfarbenen Dach gesetzt.

Farben und Gold der Abbildungen auch noch 1000 Jahren erhalten 

Als Harald Horst mit weißen Handschuhen ganz behutsam den schweren Buchblock öffnet, um dieses und weitere Bilder des Kodex zu zeigen, ist das ein regelrecht weihevoller Moment. Auch für die Vertreter des Badischen Landesmuseums, die zum Jubiläum der Reichenau eine große Ausstellung in Konstanz kuratieren und den Hillinus-Kodex als Leihgabe erhalten, zusammen mit dem Limburger Evangeliar (Codex 218), einem zweiten Reichenauer Juwel im Bestand der Kölner Dombibliothek.

Dieses Buch aufzuschlagen ist etwas Besonderes: Dr. Harald Horst (links) von der Kölner Diözesan- und Dombibliothek hat zusammen mit Marvin Gedigk vom Badischen Landesmuseum den Hillinus-Kodex begutachtet.

Dieses Buch aufzuschlagen ist etwas Besonderes: Dr. Harald Horst (links) von der Kölner Diözesan- und Dombibliothek hat zusammen mit Marvin Gedigk vom Badischen Landesmuseum den Hillinus-Kodex begutachtet.

Die Farben der etwa 20 ganzseitigen Abbildungen leuchten wie vor 1000 Jahren. Das für den Hintergrund verwendete Gold blinkt wie am ersten Tag. Kaum zu glauben, wie gut dieses Meisterwerk die Jahrhunderte überstanden hat. Einen schweren Wasserschaden, den der Kodex wohl in der Zeit des Zweiten Weltkriegs bei seiner notdürftigen Verwahrung in einem Tresor davontrug, hat eine fachkundige Restaurierung 1981 fast ungeschehen gemacht.

Wohl unwiederbringlich verloren sind freilich drei der vier Evangelistenbilder. Sie könnten einem längere Zeit zurückliegenden Diebstahl zum Opfer gefallen sein. Zum Beleg für diese These zeigt Horst auf die Schnittkanten der entsprechenden Seiten.

Hillinus' Plan schlug trotz des aufwendigen Kodex fehl

Ab Juli ist der Hillinus-Kodex in der Konstanzer Ausstellung zu sehen. Und dort wird sogar darin geblättert, erläutert Marvin Gedigk vom Badischen Landesmuseum. Aus konservatorischen Gründen sollen nicht immer dieselben Bildseiten aufgeschlagen und damit den schädlichen Einflüssen des Lichts ausgesetzt sein. Mehrfach-Besucherinnen und -Besucher haben also die Chance, verschiedene Seiten des Kölner Evangeliars im Original zu bewundern.

Der Plan, den sein Auftraggeber Hillinus damit verbunden hatte, schlug übrigens fehl. Nicht er wurde 1036 Nachfolger von Erzbischof Pilgrim, sondern Hermann II., ein Enkel Kaiser Ottos II. und seiner Frau Theophanu. Hillinus verschwand im Dunkel der Geschichte. Und wie die nur geringen Gebrauchsspuren am Kodex zeigen, verloren die Zeitgenossen alsbald auch das Interesse an seiner sehr speziellen Bewerbungsschrift. Zum Glück für die Nachwelt.


Der Hillinus-Kodex wird ab Juli im Rahmen der Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“ vom 20. April bis 20. Oktober im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg (Benediktinerplatz 5, 78467 Konstanz) zu sehen sein. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr – Eintritt: 14 Euro (ermäßigt 11 Euro).

Mehr Informationen unter www.ausstellung-reichenau.de.

Der Hillinus-Kodex wurde auch digitalisiert und kann online auf der Webseite der Kölner Diözesan- und Dombibliothek unter digital.dombibliothek-koeln.de betrachtet werden.

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