„Dem inneren Kompass folgen“Dürfen Medien über Karneval im Krieg berichten?

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Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf der Solidaritäts-Kundgebung für die Ukraine 

Frau Professorin Haberer, Karneval und Krieg – zwei Welten prallen aufeinander, auch in der Zeitung. Was tun?

Eine Haltung einnehmen. Der „offizielle Karneval“ tut das mit der Umwidmung des Rosenmontagszug zu einer Friedensdemo. Dass Kölner Medien darüber berichten, ist selbstverständlich. Auch der Straßen- und Kneipenkarneval sollte meines Erachtens vorkommen. Er findet ja statt und hat gerade in Köln eine besondere Bedeutung für die Menschen.

Die Gewichtung in der Zeitung ist immer auch ein Stück Wertung durch die Redaktion. Halten Sie es für richtig, dass der Karneval in der Berichterstattung in diesem Jahr eher zur Randerscheinung wird, auch und sogar in Köln?

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Auf die Balance kommt es im Journalismus an, ganz klar. Natürlich müssen Sie darauf reagieren, dass wir uns in Europa einer Bedrohung ausgesetzt sehen wie seit Jahrzehnten nicht nicht mehr. Aber das geht Ihnen in der Redaktion auch nicht anders als Ihren Leserinnen und Lesern. Viele werden sich unbändig auf die tollen Tage und das Feiern nach zwei Jahren Pandemie gefreut haben. Aber: Jetzt ist Krieg! Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemandem das gleichgültig ist – am wenigsten Journalistinnen und Journalisten, die ihren Job ernst nehmen. Dazu gehört es dann übrigens auch, die Motive hinter den Motiven aufzuzeigen.

Woran denken Sie da speziell?

Der Karneval kommt ja ursprünglich aus der religiösen Tradition. Darauf erinnert schon der Name selbst: „Karneval“ vom lateinischen „carne levare“ (das Fleisch wegnehmen) deutet auf den baldigen Beginn der Fasten- oder Passionszeit hin – einer Phase der Entsagung, vor der man es nochmals „krachen lassen“ darf. Journalisten könnten das aufgreifen – im Sinne eines Bewusstseins dafür, dass jetzt ernste Zeiten bevorstehen.

Zur Person

Johanna Haberer, geb. 1956, ist Publizistin und evangelische Theologin. Sie hat eine Professur für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg inne. Haberer ist unter anderem auch Mitglied des Bayerischen Ethikrats. (jf)

Im Pressekodex, dem ethischen Kompass für Medienleute, sind Situationen wie diese nicht vorgesehen. Woran sollte sich unser innerer Kompass jetzt orientieren?

Quote, Auflage, Klickzahlen sollten in so einer Lage die allergeringste Rolle spielen. Als Journalistinnen und Journalisten müssen Sie jetzt besonders hellhörig sein für Ihr hoffentlich gut gebildetes Gewissen. Es ist der Preis der Freiheit, dass niemand Ihnen die Entscheidung abnehmen kann. Aber es ist auch das, worauf die Bürgerinnen und Bürger in einer freien, demokratischen Gesellschaft vertrauen dürfen: dass Journalisten ihrem inneren Kompass folgen und das auch benennen.

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