Auf Instagram bevorzugt er die große Pose. Mal lässt sich Ramin Yektaparast vor einem orangefarbenen Sportwagen der Marke Lamborghini fotografieren, mal lässt der Ex-Präsident der Rockertruppe Hells Angels in Oberhausen im Wasser seine tätowierten Muskeln spielen. Mal verhöhnt einer der meistgesuchten Mordverdächtigen in NRW an seinem Fluchtort in Teheran die deutschen Behörden inklusive Innenminister Herbert Reul. Tenor: Dem CDU-Politiker fehle für seinen Job das juristische Basiswissen, vielmehr ergehe sich Reul in „reißerischen Parolen.“ Und: Sicher werde er sich nicht der deutschen Polizei stellen, so Yetaparast, denn mit einem fairen Verfahren sei hierzulande nicht zu rechnen.
In seiner bislang letzten Botschaft gibt der Gesuchte sich zuversichtlich, dass die deutschen Strafverfolger ihn nie bekommen werden. Da es mit dem Iran kein Auslieferungsabkommen gebe, könne er auch nicht überführt werden.
Auslieferung soll ersucht werden
Bisher liefert das Mullah-Regime in Teheran nur selten Verbrecher an westliche Behörden aus. Wie aber die ermittelnde Duisburger Staatsanwältin Jill Anne McCuller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete will man dennoch einen Versuch wagen. Derzeit prüfe das Auswärtige Amt einen entsprechenden Antrag an die iranischen Stellen. „Dabei geht es um die Frage, ob dem Delinquenten bei einem Auslieferungsersuchen Folter im Iran droht.“ Sollte dies der Fall sein, muss die Justiz einen Rückzieher machen. Innenminister Herbert Reul gibt sich gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ dennoch zuversichtlich: „Null Toleranz, keine rechtsfreien Räume - das gilt auch für die Rockerkriminalität. Sie zu bekämpfen gehört seit Jahren zu den innenpolitischen Schwerpunkten dieser Landesregierung. Unsere Erfolge zeigen, dass sich Geduld und akribische Ermittlungsarbeit auszahlen. Am Ende hat der Rechtsstaat den längeren Atem.“
Seit Anfang September steht der 33 Jahre alte Deutsch-Iraner Yektaparast weit oben auf der internationalen Fahndungsliste der nordrhein-westfälischen Ermittler gegen die Organisierte Kriminalität (OK). 800 Beamten und Spezialeinsatzkräfte hatten vor gut zwei Wochen Vereinsheime der Hells Angels in Mönchengladbach, diverse Wohnungen und Büros in Nordrhein-Westfalen, sowie ein Bordell in Duisburg und etliche Gefängniszellen bereits inhaftierter, mutmaßlicher Mitstreiter des flüchtigen Rockerchefs durchsucht.
Spaziergänger fanden Arm am Rheinufer
Im Kern geht es um etliche Altfällle aus der Hochphase der Rockerkriege zwischen Hells Angels und den Bandidos in den Jahren 2013 und 2014. Yektaparast soll vor sieben Jahren mit einem Komplizen den 32-jährigen Höllenengel Kai M. erschossen haben. Mit Hilfe eines weiteren Komplizen soll man dessen Leiche zerstückelt und in den Rhein geworfen haben. Monate später fanden Spaziergänger einen Arm des Opfers am Rheinufer. Als die Ermittler den Torso des Ermordeten aus dem Wasser zogen, geriet bald Yektparast unter Mordverdacht. Lange Zeit aber fehlten die Beweise. Bis sich dann ein Kronzeuge meldete und die Strafverfolger vor gut einem Jahr zum Schädel des erschossenen Bikers im Rhein-Herne-Kanal führte.
Bei der Motivlage wird es schwierig. Die Ermittler vermuten, dass der Ermordete ein Polizeispitzel gewesen sein könnte. Außerdem gab es Gerüchte, dass er zu den Bandidos überlaufen wollte. Ein Insider behauptet hingegen, dass Kai M. der Partnerin des Rocker-Präsidenten Avancen gemacht haben soll.
Den Erkenntnissen zufolge soll sich Yektaparast einige Zeit nach dem Todesschuss das sogenannte „Filthy-Few-Patch“ zugelegt haben. Ein Zeichen, dass nur jene Hells-Angels tragen dürfen, die schon einen Gegner umgebracht haben. Das Gegenstück bei den Bandidos nennt sich „Coup de Grace“.
Im Kölner und Leverkusener Rotlichtmilieu groß geworden
Wer in die krude Welt der Rocker abtaucht, stößt auf seltsame Ehrbegriffe, Gewalt, Zuhälterei, Drogen- sowie Menschenhandel - und reichlich Intrigen. Ramin Yektaparast ist ein typisches Beispiel dafür. Groß wurde er im Kölner und Leverkusener Türsteher- und Rotlichtmilieu. Für seinen Mentor Brahim Z., der aus der alten arabischen Zuhältergarde stammt, soll er zeitweilig den Geschäftsführer eines Bordells in Leverkusen gegeben haben. Die beiden haben damals die Kutten der Bandidos angelegt. Yektaparast wurde 2012 Präsident des Leverkusener Bandidos-Chapters.
Damals soll er in Mönchengladbach an einer Messerstecherei beteiligt gewesen sein. Wie so oft reichen die Beweise für eine Verurteilung nicht aus. In den Gangs gilt das Gesetz des Schweigens: Sprich nie mit Polizei oder Journalisten.
Yektaparast hält sich nicht an die Omerta
Ramin Yektaparast hält sich nicht an die Omerta. Wiederholt trifft er sich mit dem Autor dieser Geschichte und erzählt aus dem Innenleben der Rocker-Gruppe. Die Gespräche erinnern an ein Katz-und-Maus-Spiel. Vieles ist geschönt oder gefärbt, und der Journalist muss sich aus Bruchstücken seinen Reim machen.
Auch zu dem Vorwurf der Messerattacke nimmt der Rocker seinerzeit Stellung: Auf einem Video aus einer Überwachungskamera, das die Polizei sichergestellt hat, sieht man ihn in der Kampf-Nacht mit einem blitzenden Gegenstand in der Hand. Die Kripo geht von einem Messer aus, kann es aber anhand der undeutlichen Aufnahme nicht beweisen. Nein, er sei nicht in Mönchengladbach dabei gewesen“, sagt er damals. Und wenn doch, dann ginge dies niemanden etwas an.
Zwei Monate nach der Attacke in der Stadt am Niederrhein passen einige Höllenengel Ramin Yektaparast in der Shopping-Meile „Köln-Arcaden“ ab und schlagen ihn zusammen. „Der hatte den Fehler gemacht, das Revier der Angels zu betreten“, berichtet ein V-Mann aus der Szene später der Polizei. Der Überfall löst einen Großalarm unter den Bandidos aus. Hunderte von Mitgliedern machten sich aus allen Winkeln des Landes auf nach Köln, um dort das Angels-Chapter aufzumischen. So geht es hin und her.
Angels-Straßen geplant
Der Kontakt zu Yektaparast reißt bald ab. Und das hat seinen guten Grund. Bereits 2013 hat der Deutsch-Iraner die Seiten gewechselt. Er baut bei den Hells Angels eine Truppe namens Hellgate in Oberhausen auf. Manchen Leuten schwärmt er von seinem Geschäftsmodell vor: Die Farben Rot-Weiß der Hells Angels sollen per Merchandising vermarktet werden. Hierzu will der Rocker einen ganzen Straßenzug erwerben, um dort das Angels-Logo in jeglicher Form zu vermarkten: Lokale, Souvenir-Shops.
Zugleich soll er mit seinen Vertrauten den Kampf gegen seine einstigen Brüder forciert haben. Im November 2013 planen Yektaparast und sein Helfer Mustafa Hemden laut Staatsanwaltschaft ein Attentat auf ein führendes Bandido-Mitglied. Dabei sollen sie einen weiteren Rocker ins Vertrauen gezogen haben. Das Trio lauert den Angaben der Ermittler zufolge an einer Ampel dem Rivalen auf. Schließlich soll Mustafa Hemden an einer roten Ampel aus einer Maschinenpistole auf die Zielperson gefeuert haben, die schwerverletzt überlebt.
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Auch er ist flüchtig. Die Behörden vermuten ihn in der Türkei, ein häufig genutzter Zufluchtsort für Hells-Angel-Mitglieder. Denn nur selten liefert das Regime in Ankara türkischstämmige, mutmaßliche Schwerverbrecher aus dem deutschen Rocker-Milieu aus. Bis heute etwa lebt Erkan Akyol, ehemals der „Presidente“ der Hells Angels in Köln unbehelligt in der Türkei. Er soll vor sechs Jahren in der Kneipe „No Name“ einen Albaner erschossen haben, weil der Spielautomaten aus einer Shisha-Bar gestohlen haben soll. Auf Posts präsentiert Akyol auf seiner Lederweste das Mord-Symbol „Few Filthy“.
Hölzerne Auftritte im Netz
Sein Angels-Bruder Ramin Yektaparast versucht ebenfalls über die sozialen Netzwerke Stimmung zu machen. Allerdings wirkt sein letzter Auftritt ein wenig hölzern. Obwohl er erkennbar vom Zettel ablas, verhaspelte er sich gleich mehrfach.
Als Tattoo hat der Rocker-Boss, der auch einen iranischen Pass besitzt, sich schon beizeiten ein Hakenkreuz einstechen lassen. Einem Bekannten erzählte er dazu einmal: „Perser und Deutsche sind doch Arier.“