„Ich kann Apparate führen“Friedrich Merz bringt sich in Position

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Merz Düsseldorf GI

Der CDU-Politiker Friedrich Merz polarisiert.

  • Friedrich Merz präsentierte sich beim Galadinner in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena am Montagabend in Plauderlaune.
  • Im Mittelpunkt der Gesprächsrunde stand die Frage: Wer soll die CDU künftig führen und wer für die Union im nächsten Jahr als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen?
  • Besonders leidenschaftlich wird Merz beim Thema Bildung.

Düsseldorf – Friedrich Merz betritt die Bühne zwischen Kalbsfilet mit Macairekartoffeln und Pflaumenkompott. Die Kulisse für den Auftritt des Bewerbers um den CDU-Vorsitz könnte spektakulärer kaum sein. Im Herzen der Merkur Spiel-Arena, auf dem Spielfeld des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf. Das Stadiondach wurde geschlossen, der Rasen mit festem Boden belegt. Die 550 Gäste sitzen an runden mit schneeweißen Tüchern überzogenen Tischen, an den Ecken wurden Stehlen platziert, die das Ensemble in dezent rotes Licht tauchen. Aus den Boxen rieselt Jazzmusik.

Eine Stunde lang wird Merz an diesem Montagabend interviewt von Moritz Döbler, dem Chefredakteur der Rheinischen Post, die das Galadinner als Teil einer Gesprächsreihe ausrichtet. Die Arena ist eigentlich nur ein Ausweichort. Die Veranstaltung findet normalerweise im Düsseldorfer Ständehaus statt, wo NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und sein Kabinett letzte Woche noch Angela Merkel empfangen hatten. Doch wegen der Corona-Auflagen brauchte es mehr Platz. Es wurde ein Fußballstadion. Merz, ganz in Plauderlaune, schien es zu gefallen.

Wer soll die CDU künftig führen?

Wenig überraschend geht es gleich zu Beginn um das Thema, das die Union derzeit wie kein anderes umtreibt: Wer soll die CDU künftig führen und wer für die Union im nächsten Jahr als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen? Merz lässt keinen Zweifel. Er soll es werden. Gerne wolle er sich öffentlich jedem Kritiker stellen, der Zweifel an seiner Eignung habe. „Ich kann Apparate führen“, sagt er bestimmt. Wie als Beweis zählt er Stationen seiner Karriere auf: Seit 1972 CDU-Mitglied, 36 Jahre Anwalt, ein paar Jahre Richter, 20 Jahre Abgeordneter, im Bundestag und im Europaparlament.

Alles zum Thema Armin Laschet

Derzeit führe der ehemalige Unionsfraktionschef zudem zwei Aufsichtsräte. Er bezeichnet sich als „freiberuflich tätig“. Für seine Bewerbung um ein politisches Spitzenamt sei seine Biografie kein Hindernis. Ganz im Gegenteil: Die Politik brauche mehr Durchlässigkeit für Menschen wie ihn, die eben nicht geradlinig und ein Leben lang durch die Parteihierarchien geklettert sind.

Friedrich Merz ist auf solche Veranstaltungen angewiesen

Merz ist angewiesen auf Veranstaltungen wie diese. Anders als seine Konkurrenten um den CDU-Vorsitz Armin Laschet und Norbert Röttgen hatte er seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag im Jahr 2009 kein politisches Amt mehr inne. Das hat freilich Vor- und Nachteile. Einerseits kann Merz nicht beweisen, dass er Krise kann. Andererseits bleibt ihm Dauerkritik wie die an Laschet, den er ausdrücklich lobt, erspart. Vergangene Woche hat er die Sommerpause beendet und seinen Wahlkampf in Sachsen fortgesetzt. In Döbeln trat er in einer Tennishalle vor 230 Zuschauern auf.

Konkurrent Laschet war am Montag zu Gast in Schleswig-Holstein. Auch da soll das Ringen um den CDU-Vorsitz Thema gewesen sein. Sein Amtskollege Daniel Günther hatte angekündigt, mit ihm über Kompromisslösungen reden zu wollen. Die CDU fürchtet, dass eine Kampfabstimmung die blendenden Umfragewerte ruinieren könnte, es zu innerparteilichen Querelen kommt und am Ende womöglich das Kanzleramt verloren geht. Dass Merz oder Laschet freiwillig ihre Kandidatur zurückziehen, kann allerdings beinahe ausgeschlossen werden.

Dankbares Publikum für Friedrich Merz

Merz muss schon bei der Frage schmunzeln. „Bei aller Bescheidenheit: Ich liege vorne in allen Umfragen. Warum soll ich verzichten?“ Würde man sich vor dem Parteitag im Dezember untereinander einigen, hätte das „Hinterzimmergschmäckle“. Die Stigmatisierung des offenen Wettbewerbs der Kandidaten sei falsch. „Wir sind doch nicht in der DDR.“ Dafür gibt es Applaus.

Für Merz ist es ein dankbares Publikum. Die meisten Gäste in der Arena sind Unternehmer. Viele von ihnen würden Merz ihre Stimme geben. Einer von ihnen sitzt an Tisch 49. „Für mich ist er die größte Hoffnung. Einer, der klare Kante fährt“, sagt Wolfgang Osinski, Leiter einer Agentur für Unternehmenskommunikation. Es gehe um qualifizierte Zuwanderung, eine Rentenreform und bessere Bildung. Das Land sei in Mut- und Kraftlosigkeit gefangen. Es brauche jemanden, der den gordischen Knoten zerschlägt. „Merz hat dafür das schärfste Schwert.“

Heftige Kritik an seinem Posten als Aufsichtsratschef

Doch warum tut sich der Sauerländer das eigentlich an? Als Merkel nach der Wahlschlappe in Hessen im Herbst 2018 den Verzicht auf den Parteivorsitz erklärte, erstand Merz plötzlich aus der politischen Gruft. Der konservative Flügel rief nach ihm, Merz folgte mit Freuden. Schon damals erntete er viel Spott für sein Comeback. Merz ist zurück, der mit der Steuererklärung auf dem Bierdeckel. Einige erinnerten auch noch einmal daran, dass er einst gegen eine Strafrechtsänderung stimmte, die die Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen sollte.

Heftig fiel auch die Kritik an seinem Posten als Aufsichtsratschef beim deutschen Ableger von Blackrock aus, dem weltweit größten Vermögensverwalter, der vielen als Inbegriff der „Heuschrecke“ gilt. Dass Millionär Merz sich in einem Interview partout nicht zur Oberschicht zählen wollte, kam ebenfalls nicht gut an. Mit seinen teils scharfen Attacken gegen Merkels Migrationsagenda und Äußerungen zum Asylrecht handelte er sich obendrein den Vorwurf ein, er wolle sich AfD-Wählern anbiedern. Auf Fragen zu diesen Themen wartet man an diesem Abend im Stadion allerdings vergeblich.

Kampf um CDU-Vorsitz gegen AKK verloren

Am Ende verlor Merz den Kampf um den Vorsitz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Niederlage sei für ihn Ansporn gewesen, erzählt er. Nach nur fünf Wochen Wahlkampf hätten ihn immerhin 48 Prozent der Delegierten gewählt. Hinzu seien zahlreiche Stimmen des Bedauerns gekommen. Als AKK ankündigte, nicht noch einmal antreten zu wollen, habe er gedacht, „ich will es nochmal wissen.“

In der Arena punktet der CDU-Politiker mit markigen Manager-Weisheiten. „Kompromisse gehören für mich an das Ende einer Diskussion, nicht an den Anfang.“ Das Publikum ist begeistert. So will er auch die CDU führen, nicht jedem alles recht machen, der Partei wieder mehr Profil geben und – sollte er Kanzler werden - auch dem ganzen Land, das vor großen Herausforderungen stehe: Die wirtschaftliche Bewältigung der Corona-Krise, die Entwicklung der Europäischen Union und die Position Deutschlands in der Welt. Diese müsse neu definiert werden. Man dürfe nicht allein den Amerikanern und Chinesen das Feld der Weltpolitik überlassen.

Viel Leidenschaft beim Thema Bildung

Besonders leidenschaftlich aber wird Merz beim Thema Bildung. Auch weil er seit 15 Jahren eine Stiftung führe, die sich um Schulprojekte kümmert. „Wir ersaufen in Bürokratie“, sagt er und meint den Stillstand bei der Digitalisierung der Schulen. Der Bund habe Hunderte Millionen Euro locker gemacht, aber das Geld komme unten einfach nicht an. Er spricht von einem „Desaster“, die Schulverwaltung in seinem Heimatbundesland NRW sei ein „Offenbarungseid“.

Bei einem Bilderreigen, der auf den riesigen Flachbildschirmen gezeigt wird, beruhigen sich die Gemüter wieder. Die Zuschauer erfahren noch ein paar interessante Details aus dem Leben von Friedrich Merz: Zum Beispiel, dass er während seiner mild verlaufenen Corona-Erkrankung mit Frau und jüngster Tochter Skat gekloppt habe. Dass seine Schulzeit nicht sonderlich erfolgreich gelaufen sei und nicht einmal seine Kinder seine Abi-Note kennen würden. Dass er sich mit Angela Merkel ausgesprochen habe, sich sogar alle drei bis vier Wochen thematisch mit ihr austausche und an ihr die „unglaublich guten Nerven“ und das „Durchhaltevermögen“ schätze.

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Natürlich darf auch die Aufnahme vom bekritzelten Bierdeckel nicht fehlen, vielleicht bis heute Merz‘ berühmteste politische Hinterlassenschaft. Das Steuersystem sei noch immer reformbedürftig, aber den Vorschlag von damals würde er heute nicht noch einmal machen, sagt Merz. Der Deckel stehe inzwischen im Bonner Haus der Geschichte. In einer Vitrine in der ersten Etage - gleich neben Jens Lehmanns Elfmeter-Spickzettel von der WM 2006.  

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